Es gibt nur wenige, die sich noch an den Zweiten Weltkrieg erinnern können. Eine von ihnen ist Rita Lauridsen, die im Krieg den Widerstand ihres Lebens gefunden hat. Die damals 17-jährige Rita Nielsen lebte 1942 in einem Dachzimmer bei Julie und Aage Hundevad in Ulfborg. Sie war in der Berufsausbildung in einer Möbelfabrik in Ulfborg. Von der Familie ihrer Vermieter wurde als zusätzliches Familienmitglied angesehen.

Deshalb traf sich Rita auch mit ihrer Gastfamilie in geheimen Besprechungen mit der deutsch-kritischen politischen Partei Dansk Samling (Dänische Sammlung). Hier traf sie einen Mann namens Svend Erik Lauridsen, dessen Familienname sie heute trägt.

„Er war zehn Jahre älter als ich und Schreiner bei den Hundevads. Er war ein besonderer Typ. Er hatte noch nie eine richtige Freundin gehabt, und so war ich seine erste Liebe“, sagt Rita Lauridsen.

Svend Erik war schon Mitglied in der Widerstandsbewegung und Angehöriger der sogenannten Ulfborggruppe, die vor allem Anschläge auf das von den Deutschen genutzte Schienennetz beging. Rita wurde auch Mitglied dieser Gruppe und erhielt die Aufgabe, illegale Flugblätter zu produzieren.

Svend Erik Lauridsen links im Bild war der Anführer der Widerstandsgruppe Ulfborg.

„Man musste tunlichst den Mund behalten. Man konnte mit niemanden darüber sprechen. Das Risiko, erwischt zu werden, war hoch, aber darüber haben wir nie gesprochen“, sagt Rita Lauridsen.

Im Jahr 1943 wurde der Anführer der Sabotagegruppe festgenommen und hingerichtet. Daraufhin übernahm Svend Erik den Posten und wurde somit zu einem exponierten Mann.

Im Herbst 1944 wurde Rita zum ersten Mal ernsthaft bewusst, wie exponiert ihr männlicher Bekannter wirklich war. Dieses geschah, als ihr Haus in Ulfborg unerwartet Besuch bekam. „Die Gestapo besuchte uns. Ein ,netter Mann‘ kam herein, der dänisch gekleidet war und nach Svend Erik Lauridsen fragte. Ich antwortete ihm, er wäre in Ringkøbing, um Kleidung zu kaufen. Das war unser verabredetes Alibi, wenn sie kommen würden“, sagt Rita Lauridsen.

Nach diesem Besuch beschloß Svend Erik, in den Untergrund zu gehen. Rita sah daher die nächste lange Zeit nicht viel von ihm. Es war eine Zeit, die für Rita hart war, da sie nie wußte, wo sich ihr Freund befand. Und die Zeit wurde durch weitere Besuche der deutschen Geheimen Staatspolizei nur noch schlimmer.

„Das letzte, was sie zu mir sagten, war, dass ich ihn nie wiedersehen würde, wenn sie den Mann erwischten. Das erschütterte mich sehr“, sagt Rita.

Rita lebte lange, ohne zu wissen, wo sich ihr Freund Svend Erik befand.

Rita beschloß, Ulfborg zu verlassen, und sie ging nach Ribe, wo sie eine Anstellung als Leiterin eines Tabakgeschäfts bekam. Die Widerstandsarbeit in Ulfborg wurde eingestellt und mit der deutschen Kapitulation in Dänemark am 5. Mai 1945 endgültig beendet.

„Das war der größte Tag meines Lebens, die Befreiung. Ich kann es überhaupt nicht beschrieben, und ich bekomme noch heute eine Gänsehaut, wenn ich darüber nachdenke. Dänemark war frei. Mein Schwiegervater hatte eine Flagge gekauft, und wir haben die Verdunkelungsvorhänge heruntergerissen – alles war einfach wunderbar!“ schwärmt Rita.

Nach dem Krieg heirateten Svend Erik und Rita, und sie zogen nach Kibæk um, wo sie eine eigene Möbelwerkstatt eröffnen. Später bekamen sie vier Kinder und versuchten, die Vergangenheit zu verdrängen.

Doch der Krieg hatte seine Spuren hinterlassen. Die Familie spürte, wie Svend Eriks Gesundheit immer mehr abnahm. Aber über Probleme und Herausforderungen im Leben zu reden, war nicht das, was uns lag. „Damals gab es keine Psychologen. Man musste selbst herausfinden, was einem fehlt. Und wenn gesagt wurde, dass wir nicht darüber reden, dann eben nicht“, sagt Rita.

Rita und Svend Erik haben vier Kinder zusammen. Die Kindheit war für sie nicht immer einfach.

Die Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs betrafen auch die vier Kinder des Paares. Einer von ihnen war ihr ältester Sohn, Ulrik. „Er konnte keine schreienden Kinder tolerieren. Kinder sollten nicht lärmen und mussten sich ordentlich benehmen. Wenn sie nicht über Dinge sprechen sollten, so sollten sie es nicht, und sonst gab es Schläge. So hat mich mein Vater erzogen“, sagt Ulrik Lauridsen.

Mit dieser Erfahrung ist Ulrik Lauridsen keineswegs allein. Dieses weiß der Historiker Henrik Lundtofte. „Einige Widerstandskinder haben von einer Kindheit mit Dualität erzählt. Einerseits war er der Papa ein Held in den Augen vieler Menschen und andererseits erlebten manche Kinder oft einen völlig anderen Papa. Es war eine Welt, die instabil und von heftigen Stimmungsschwankungen geprägt war“, sagt Henrik Lundtofte.

Dieses änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass Ulrik Lauridsens Vater für ihn ein Vorbild blieb, ein Modell, weil er am Kampf gegen die Besatzungsmacht teilgenommen hatte. 1963 reiste die Familie mit dem Auto quer durch Europa. Die Familie verbrachte einen Urlaub, der sich als Svend Erik Lauridsens letzter erweisen sollte, da er im August des Jahres ruhig entschlief. Kurz vor seinem Ableben erreichten seine Frau ein paar letzte Worte.

„Er sagte, jetzt ist es vorbei. Ich danke dir für alles, Dann war er weg. Wir hatten eine aufregende Zeit zusammen. Der Krieg hat uns miteinander verbunden“, schließt Rita Lauridsen.

Rita Lauridsen heute

von

Günter Schwarz – 22.02.2019