Was geschah am 21. März 1985 in unserem Dänemark?
Der Kollaps der Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern am 21. März 1985 führen in Dänemark zu umfangreichen Streiks und Demonstrationen, die unter der Bezeichnung „Osterstrelks“ in die Geschichte des Landes eingehen und bis dahin die größten und umfassendsten Streiks der öffentlichen Angestellten im Königreich sind.
Nach dem Abruch der Tarifverhandlungen begannen die Streiks am 24. März. Nach einem raschen Eingreifen der bürgerlichen Regierung, die den Streik mit Wirkung vom 1. April beenden wollte, wurde dieser jedoch fortgesetzt, und die Streikenden protestierten dann ebenfalls gegen die Koalitionsregierung unter Poul Schlüter (Det Konservative Parti) und deren Wohlfahrts- und Arbeitspolitik.
In den ersten Monaten des Jahres 1985 gelang der Gewerkschaftsbewegung eine große Mobilisierung der dänischen Arbeitnehmer. Grund waren die Tarifverhandlungen für den öffentlichen und den privaten Arbeitsmarkt, die Ende 1984 und Anfang 1985 stattfanden. Die Sozialpartner waren von Beginn der Verhandlungen an weit voneinander entfernt.
In der Gewerkschaftsbewegung wurde der Wunsch nach einer Verringerung der Wochenarbeitszeit von 40 Stunden auf 35 Stunden gefordert, so dass auf dem Arbeitsmarkt mehr Stellen geschaffen werden konnten. Darüber hinaus forderte die Hauptorganisation der Gewerkschaft LO – in Bezug auf die verbesserte Konjunktur und die eher mageren Vereinbarungen der vergangenen Jahre – eine Gehaltserhöhung von 6%. Auf der Seite des Dänischen Arbeitgeberverbandes (DA) war man im Allgemeinen jedoch nicht bereit, die Arbeitszeit zu ändern oder eine Gehaltserhöhung von mehr als 2% zu gewähren, Begründet wurde dieses Angebot seitens der Arbeitgeber, dass die Wirtschaft nach der langen Wirtschaftskrise immer noch gewisse Unsicherheiten aufwies.
Die Verhandlungen endeten schließlich am 21. März 1985, nachdem beide Seiten die Vorschläge des Schlichters, die eine Lohnerhöhung von 4% und einer Arbeitswoche von 38 ½ Stunden vorsahen, ablehnten. Die Konsequenz des Verhandlungsabbruchs war, dass die Gewerkschaften unter Führung der Gewerkschaft LO am 24. März 1985 einen umfassenden Generalstreik mit rd. 280.000 Beschäftigte auf dem privaten Arbeitsmarkt ausrief, und die Arbeitgeber ab dem gleichen Zeitpunkt eine ebenso umfassende Aussperrung verordneten.
Mit Wirkung vom 1. April wurde auch eine ausgedehnte Ausweitung des Streiks der Gewerkschaftsbewegung mit weiteren 200.000 Beschäftigten angekündigt, hauptsächlich aus dem öffentlichen Sektor, die unter den Funktionären der Tjenestemændenes Fællesråd (Beamtenbund), der später zur FTF wurde, organisiert waren. Es war das erste Mal in der Geschichte Dänemarks, dass von den öffentlichen Angestellten ein derart großer und umfassender Streik angedroht wurde.
Die von Poul Schlüter angeführte Regierung griff rasch in den Konflikt ein. Nach zwei Tagen Streik legte die Regierung am 26. März 1985 ein Gesetz über eine Regierungsintervention vor, die am 1. April in Kraft treten sollte, um den angekündigten Streik zu verhindern. Mit der Intervention der Regierung wollte diese eine Lohnerhöhung von 2% für das erste Jahr und von 1½% für das zweite Jahr garantieren. Außerdem sollte die Arbeitszeit Ende 1987 von 40 auf 39 Stunden reduziert werden.
Sowohl in der Gewerkschaftsbewegung als auch im Folketing hatte man mit einem Eingreifen der Regierung gerechnet, aber nicht so schnell und nicht in der Weise, dass die öffentliche Arbeitgeberseite des Staates ein viel schlechteres Angebot vorlegte, als war als es der Vorschlag des Schlichters war. Die starke politische Intervention der Regierung auf Arbeitgeberseite löste Wut in den Gewerkschaften und bei den politisch linken Parteien aus. Es war jedoch sowohl in den Gewerkschaften als auch in den Parteien schwierig, eine Einigung darüber zu erzielen, wie man am besten und konstruktivsten gegen die Maßnahmen der Regierung protestieren sollte.
Die Führung der Gewerkschaftsbewegung war bereit, die Intervention der Regierung zu respektieren und damit die Streiks und Proteste zum 1. April 1985 auszusetzen. Der Zorn der Intervention sollte nach Gewerkschaftswillen der LO parlamentarisch mit den Socialdemokraterne als Sprachrohr und den nächsten Parlamentswahlen zum Ausdruck gebracht werden. In einigen Gewerkschaften und in den Parteien auf der linken Seite der Sozialdemokratischen Partei war man jedoch nicht bereit, das Eingreifen der Regierung zu akzeptieren, und die Streiks verstießen daher nach dem 1. April gegen geltende Tarifvereinbarungen und Gesetze.
Bei den nun folgenden Streiks und Demonstrationen ging es zum einen darum, Unzufriedenheit mit der Intervention der Regierung auszudrücken und zum Teil gegen die bürgerliche Regierung zu protestieren. Die Gewerkschaftsbewegung und die Linke wirkten daher sehr gespalten. Die Streiks und Konflikte erreichten ihren Höhepunkt am Mittwoch, dem 10. April, mit Demonstrationen in allen großen Städten des Landes.

Während des Streiks wurden sowohl vor als auch nach dem Eingreifen der Regierung große Teile Dänemarks wirtschaftlich lahm gelegt. Die Kinderbetreuungseinrichtungen waren geschlossen, viele Zeitungen kamen nicht heraus, und Fernsehen und Radio stellten ihre Sendungen ein. Mehrere Industrieunternehmen mussten die Produktion einstellen, und der öffentliche Verkehr wurde an mehreren Orten und Regionen eingestellt. In København wurden Demonstrationen von einer Reihe umfassender Aktionen begleitet, wobei darunter auch die Sperrung aller Zufahrtsstraßen zum Folketingsgebäude von Schloss Christiansborg waren.
Ab Mitte April nahmen die nicht benehmigten Streiks nach und nach ab, und die Arbeit wurde allmählich zu den vorherigen Bedingungen wieder aufgenommen. Nach dem Abschluss der Streiks wurden diese von Danmarks Statistik als der größte in der Geschichte des Landes gemessen – gemessen an der Anzahl der streikenden Teilnehmer, die bei ungefähr 580.000 Personen lag.
Insgesamt wurde wissenschaftlich nur wenig über die Geschichte der „Osterstreiks“ in Bezug auf ihre Größe geforscht. In den Nachforschungen der Medien wurden jedoch zwei verschiedene Geschichten über die Streiks von 1985 erstellt.
Eine Geschichte betrachtet die Streiks als eine Niederlage für die dänische Gewerkschaftsbewegung. Der dänische „Osterstreik“ wird hier als Teil der politischen Streikwelle verstanden, die Mitte der achtziger Jahre überall in Westeuropa stattfand, darunter insbesondere die großen und sehr langen Minen-Streiks 1984/85 in Großbritannien und der Versuch der deutschen Gewerkschaftsbewegung, 1984 die Arbeitszeiten in der Industrie zu reduzieren.
Wie bei den dänischen „Osterstreiks“ wurden diese Arbeitskämpfe von einem normalen Arbeiskampf in einem größeren Ausmaß zu einem Kampf gegen eine rechte Regierung und ihre Wirtschaftspolitik. Wie in England wurden die dänischen Streiks daher als Ausdruck gegen die bürgerliche Regierung gesehen, die sich den Forderungen der Gewerkschaftsbewegung keinen Millimeter beugte. Jedoch führte der Streik bei den nächsten Wahlen zu einem politischen Machtwechsel.
Die Gewerkschaftsbewegung musste einen geringeren Einfluss auf den Arbeitsmarkt als zuvor erkennen und akzeptieren. Dieser Einflussverlust wird als etwas interpretiert, das immer noch die Gewerkschaftsbewegung betrifft, und wird als Teil der Erklärung der Mitgliedschaftskrise der LO-Gewerkschaft in den 1990er Jahren verwendet.
Die zweite Erzählung sieht den Ausgang der „Osterstreiks“viel positiver, von denen angenommen wird, dass sie sowohl die Arbeitgeber als auch die Regierung in große Angst versetzt haben. Dieses bedeutete, dass sie in den nächsten Abkommen weitaus nachgiebiger auf die Forderungen der Gewerkschaftsbewegung reagierten, was nach dieser Interpretation der Grund dafür war, dass die Arbeitszeit 1990 auf 37 Stunden reduziert wurde und dass dieses insbesondere auf dem privaten Arbeitsmarkt der Fall war. Die nächsten Vereinbarungen erzielten auch eine merkliche reale Lohnerhöhung für die Arbeitnehmer.
Beide Geschichten können daher in dem Sinne zutreffen, dass sowohl Regierung als auch Arbeitgeber und Gewerkschaften 1985 wahrscheinlich alle eine Wiederholung des Szenarios vermeiden wollten. Daher ist es durchaus denkbar, dass sich alle Parteien nachträglich bemüht haben, den Gegner nicht zu sehr in die Enge zu treiben und damit nochmals eine ähnliche Konfliktsituation zu verursachen.
von
Günter Schwarz – 21.03.2019