
Tweets der Populisten ignorieren!
Zurzeit stehen Männer mit ethisch äußerst fragwürdigen Biografien an der Spitze verschiedener Staaten: der unberechenbare Rassist Donald Trump in den USA, der Provokateur und Zyniker Matteo Salvini in Italien und nun auch drr „Märchenonkel“ Boris Johnson in Großbritannien. Von „Politchaoten“ wie Erdoğan, Putin, Assad, Orbán, Kaczyński, Duterte und dem “kleinen dicken” Kim Jong-un und ähnlichen gar nicht zu reden. Aber was haben diese Männer gemein?
Sie alle sind hochgekommen in den globalen, finanzpolitischen Turbulenzen seit 2008. Schon seit mindestens 200 Jahren wissen wir, dass derartige Erschütterungen dazu führen, dass linke und rechte Populisten die Demokratien nach und nach übernehmen. Auch die digitale Revolution in den sozialen Netzwerken hat ihren Anteil an dieser Entwicklung. Die Populisten, die Regierungschefs können direkt mit „ihrem Volk“ kommunizieren, und so können sie den demokratischen Diskurs aufheben.

Dieses gilt übrigens auch für die populistischen Frauen. Sie stellen meist eine Kombination von überkandidelter Weiblichkeit gepaart mit rechtsextremen Positionen dar. In einer körperlosen, via Netz verbundenen Welt wollen sich die Körper wieder verstärkt Ausdruck verleihen. Die Menschen glauben, dieses in Führer- und Vaterfiguren bzw. Mutterfiguren wiederzufinden.

Geradezu paradox ist, dass Frauen solche Politiker wählen. Viele wollen ja zuhause einen verständnisvollen Mann, der auf Augenhöhe kommuniziert – und keinen Macho oder gar Sexisten. Frauen sind im kulturellen, sozialen und finanzpolitischen System immer noch das schwächere Geschlecht. Anpassungsfähigkeit wird bei ihnen sehr groß geschrieben. Als einzelne Revolutionärinnen wie Greta Thunberg können Frauen viel bewirken. Doch wenn es um die klassische politische Teilnahme geht, sind Frauen aber leider das anpassungsfähigere Geschlecht.

Die neuen Medien bieten eine grosse Chance zur Skandalisierung und Provokation. Es gibt eine direkte Verbindung und Identität zwischen Regierenden und dem „Volk“. Je mehr provoziert wird, desto eher sind Demokratinnen und Demokraten dazu verführt, zu reagieren, was völlig blöd ist. Plädieren Sie dafür, die meisten Tweets der Populisten zu ignorieren! Konzentrieren Sie sich auf die staatspolitischen und demokratischen Maßnahmen, um diese Online-Dekretschreier in ihre rechtsstaatlichen Schranken zu weisen.
Die größte Gefahr besteht für die Demokratien darin, wenn diese Politiker anti-demokratische Maßnahmen vorantreiben; etwa die Gleichschaltung der demokratischen Öffentlichkeit, des Medien-, des Justiz- und des Wissenschaftsapparates – ohne, dass sie verfassungsrechtlich oder international dafür belangt werden.
Beim Kampf gegen Erdoğans Autokratie etwa sieht man, dass letztlich nur Demokratie hilft. Die Wahlen in Istanbul lassen hoffen. Auch in Bezug auf Ungarn und Polen hat sich gezeigt, dass Druck – etwa die Drohung der EU, finanzielle Beihilfen zu streichen – sehr wohl wirkt. Die verfassungsrechtliche und institutionelle Realität muss greifen, um die Demokratie zu stärken.
von
Günter Schwarz – 28.07.2019