(Holbæk) – Die Pläne, in Holbæk ein Theaterstück über den Kundby-Fall für junge Menschen zu schreiben, werden von vielen kritisiert. Viele sind der Meinung, ein Mädchen, das vorhatte, seine Schule in die Luft zu jagen und am Ende wegen geplanter Terrorangriffe verurteilt wurde, ist eine Tragödie – nichts, was auf einer Theaterbühne behandelt werden sollte.

So lassen sich einige Kommentare auf Facebook zusammenfassen, nachdem am Mittwoch bekannt wurde, dass das Fairplay-Theater in Holbæk im September ein Theaterstück über das „Kundby-Mädchen“ auf die Bühne bringt.

Fair Play ist ein Kinder- und Jugendtheater in Holbaek. Die Aufführung des „Kundby-Mädchens“ unter dem Titel „Den første dråbe blod“ (Der erste Tropfen Blut) handelt von dem 15-jährigen Mädchen aus Kundby, das im Herbst 2015 die Isefjordskolen in Fårevejle, von der sie verwiesen worden war, und die jüdische Carolineskole (Caroline-Schule) in København in die Luft jagen wollte. Das Mädchen wurde im Mai 2017 zunächst zu sechs und später zu acht Jahren Gefängnis verurteilt,

„Ihr schrecklicher Fall sollte nicht als Theateraufführung reproduziert werden. Was soll das?“ fragt Kirsten Hansen auf der Facebook-Seite des Fernsehsenders TV2 ØST, nachdem am Mittwoch die Aufführung des Stücks angekündigt wurde. Die TV-Reaktion hat mehr als 80 Likes gesammelt.

„Nein, das könnte zu viel sein“. schreibt Palle Karlsen unter demselben Posting. Zu dem Zeitpunkt seines Kommentars sind schon 120 Kommentare eingegangen, die der Auffassung sind, man muss sich nicht mehr damit befassen.

Aber die vielen negativen Reaktionen machen dem Theater keine Angst – im Gegenteil. „Wir bekamen viele negative Reaktionen auf unsere Pläne für das Stück – aber auch viel positiven Zuspruch. Gleichzeitig haben wir ein enormes Bewusstsein für das Stück hervorgerufen. Daran sind wir nicht gewöhnt, und ich denke, das könnte tatsächlich eine Antwort darauf sein, warum dieses Stück wichtig ist. Es sind immer noch viele Emotionen in der Luft über den Fall des 15-jährigen Mädchens“, sagt Robert Parr, Kreativdirektor des Theaters,

Robert Parr erklärt, dass es für ein Theater unerlässlich ist, auch etwas über die unmittelbare Umgebung zu erzählen – und das gleichzeitig Teil des allgemeinen Interesses ist, um das Verständnis und den Dialog über Geschehen zu verbessern, über die man nur schwer sprechen kann. „Es ist, als ob viele immer noch unter Schock stehen, dass ein dänisches Mädchen plötzlich am Dschihad teilnehmen und ihre eigenen Klassenkameraden bombardieren möchte. Es ist wie ein Tabu. Aber darüber müssen wir in Holbæk reden, um es zu verarbeiten“, sagt er.

„Es ist so tragisch, wie es bei dem Mädchen zu dieser Entscheidung kam. Und genau hier bei uns hat sie sich radikalisiert. Ich denke, es ist wirklich wichtig, mit den jungen Leuten hier in der Stadt darüber zu sprechen“, sagt Robert Parr und weist darauf hin, dass das Theater gleich um die Ecke des Gerichtssaals liegt, in dem das Mädchen zum ersten Mal wegen ihrer Terror-Pläne verurteilt wurde.

Auf Facebook wurde das Theater dafür kritisiert, mit der elenden Sache Geld verdienen zu wollen. „Das ist aber nicht der Fall“, betont Robert Parr. „Es geht nicht darum, Geld mit der Geschichte eines jungen Mädchen zu verdienen, das im Gefängnis sitzt. Aber wir wollen unser Theater nutzen, um über Dinge zu diskutieren, über die sonst nur schwer miteinander zu reden ist. Mir fällt nicht auf, dass großes Interesse darin besteht, sich öffentlich sich damit zu beschäftigen. Mir fällt jedoch auf, dass es zu diesem Stück so viele unterschiedliche Meinungen gibt, das noch niemand gesehen hat – sowohl für als auch dagegen“, sagt er.

Er erklärt, dass seit der Aufdeckung der Pläne des Mädchens mehrere Jahre vergangen sind und dass der Autor des Stücks in engem Dialog mit lokalen Parteien über das Stück und die darin enthaltenen Themen gestanden habe.

„Einige wollen diesen Fall unter den Teppich kehren, und dem stimme ich überhaupt nicht zu. Wir müssen uns darauf einlassen. Wir brauchen einen Dialog darüber, was passiert ist und warum, damit wir derartige Vorfälle in Zukunft vermeiden können. Wir versuchen, dieses in unser Stück einzubeziehen. Es geht nicht so sehr um das Mädchen, aber um die Sache an sich aus der Perspektive, mit der Jugendliche es sehen“, sagt Robert Parr.

Er glaubt, dass es in dem Fall hauptsächlich darum geht, seine eigene Identität in dem zu suchen, woran wir teilnehmen und wofür wir uns engagieren – und darum geht es in dem Fall“, sagt er und fügt hinzu:. „Als Theaterkünstler finde ich es wichtig, dass wir miteinander ins Gespräch kommen, um ein gemeinsames Verständnis unserer Welt zu erlangen. Und wenn wir uns als Kinder- und Jugendtheater auf solche Geschichten konzentrieren, können wir vielleicht dazu beitragen, dass so etwas nicht wieder passiert. Hier können wir das Theater nutzen, um zu verstehen, wie die jungen Leute sind,“

von

Günter Schwarz – 09.08.2019