Holismus beschreibt als „Lehre der Gesamtheit“ die Ursachen und Wirkungen von Allem zu Allem. Gern wird sie mit dem „Schmetterlingseffekt“ verglichen, in der das Gedankenexperiment angeführt wird: „Kann der Flügelschlag eines Schmetterlinges in Brasilien einen Tornado in Texas verursachen. Während sich der Schmetterlingseffekt mit einer theoretischen linearen Kettenreaktion beschäftigt, belässt der Holismus alle Systeme in ihren Chaosprinzip, synchronisiert sie allerdings untereinander. Kurz: Ursachen oder Handlungen könnten alle anderen Dinge beeinflussen.

Ein schönes Gedankenbeispiel liefert der ukrainische Autor Bulkakov im Beginn seines Roman „Der Meister und Margarita“. Zwei Schriftsteller unterhalten sich bei einem Spaziergang im Park über die Nichtexistenz von Jesus und stellen frei, dass der Mensch auch ganz ohne einen Gott Entscheidungen fällen könne. Der Teufel mischt sich in dieses Gespräch ein und stellt in Frage, wie viel solche Entscheidungen wert seien – so ganz ohne die Fähigkeit der Menschen, auch nur den nächsten Tag planen zu können. Selbstverständlich könne man den nächsten Tag planen, stellt der ältere der beiden Männer fest. Er selbst würde am nächsten Abend eine Literaturlesung eröffnen. 

Der Teufel räumt ein, dass der Schriftsteller an noch diesem Abend auf Sonnenblumenöl auf den Gleisen der Straßenbahn ausrutschen wird, welches versehentlich von der Magd Masha verschüttet werden wird. Daraufhin geriete er unter die Straßenbahn und würde sterben. Dieses sei eine ganz wilde Spekulation, stellt der Literat fest und besteht darauf, Morgen die Lesung zu eröffnen. Das sei ganz ausgeschlossen, betont der Teufel, da Masha das Sonnenblumenöl bereits gerade gekauft habe.

Die unschuldige Verbindung der Magd Mascha und dem tragischen Ablebens des Literaten wird deutlich. Bulkakov führt aus, dass es kein Problem sei, dass der Mensch sterblich sei – wohl aber, dass er bisweilen sehr überraschend sterblich ist. Hätte man zu Beginn dieser Kolumne gefragt, was Sonnenblumenöl mit einer Literaturlesung zu tun haben könne, stöße man überwiegend verständnislose Gesichter.

Holismus verbindet diese beiden vollkommen autonomen Systeme. Wenn ich mich heute so betränke, dass die Polizei mich in Gewahrsam nimmt und mein Hund derweil im Tierheim lände, könnte es passieren, dass meine Frau am morgigen Abend mit Muskelkater auf dem Sofa liegt, nachdem sie den Hund zu Fuß aus dem Tierheim ausgelöst hat. Auch hier hätte meine feucht-fröhliche Freizeitgestaltung eine erhebliche Ursache in einem ansonsten unabhängigen Lebenslauf. 

Es macht Spaß, über solche Ursachen und Wirkungen nachzudenken, bzw. inwieweit „kleine Entscheidungen“ in der Lage wären, bei anderen Menschen große Ursachen auszulösen. Zumindest verleitet das Nachdenken über solche Dinge zu einem „umsichtigeren“ Umgang mit Mitmenschen und Situationen. Dabei finden wir den Gedanken, dass Alles mit Allem verbunden ist und jeder Mensch genau dort ist, wo er sein muss, sehr schmeichelhaft. Zumindest böte der Gedanke all den Menschen unter uns, die gern nachdenken, Stunden angeregter Unterhaltung. 

In diesem Sinne wünschen wir einen gedankenreichen Sonntag.