(Vamdrup) – Ein schwerkranker Afghane, der bei einem dänischen Ehepaar in Vamdrup lebt, wünscht sich eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis. Es werden aber deutlich weniger Ausländer als zuvor in Dänemark anerkannt und aufgenommen.

Der 23-jährige Mortaza Ahmadi hofft, sich der Statistik widersetzen zu können. Der Afghane leidet an der seltenen Blutkrankheit HLH, die ihm laut Ärzten das Leben kosten kann, wenn er seine Medikamente nicht in der richtigen Dosis bekommt. „Das kann er in Afghanistan nicht“, sagt seine Pflegemutter Marianne Lund aus Vamdrup bei Kolding.

Hämophagozytische Lymphohistiozytose (HLH) ist eine seltene, außerordentlich schwer verlaufende hyperinflammatorische Erkrankung des Immunsystems, welche durch hohes Fieber, Vergrößerung von Leber und Milz, seltener auch der Lymphknoten, Hautausschläge und Ergüsse in den Bauchraum den Brustkorb gekennzeichnet ist. Mit 30 bis 50 % ist die Sterblichkeit sehr hoch.

„Die Krankheit tötet sein Immunsystem vollständig ab, wenn er nicht die richtige Behandlung erhält. Dann kann schon eine leichte Infektion ihn töten. In Afghanistan, wo ich befürchte, dass er wie viele andere auf der Straße leben wird, kann er sich leicht anstecken“, sagt Marianne Lund.

Es ist viel schwieriger geworden, einen humanitären Aufenthalt in Dänemark zu bekommen, zeigt eine Datei des Ministeriums für Einwanderung und Integration, da die gesetzlichen noch gültigen Bestimmungen durch Aktivitäten in Zusammenarbeit mit der rechtspopulistischen und ausländerfeindlich Partei Dansk Folkeparti (Dänische Volkspartei) der vorherigen konservativen Ministerin für Ausländer und Integration, Inger Stojberg (Venstre / Rechtsliberale Partei), erheblich verschärft wurden. Diese Ministerin erwies während ihrer Amtszeit als wahre „Ausländer-Abwehrkanone“, und ihre erlassenen Durchführungsbestimmungen in der Gesetzgebung fielen nicht nur „nichtwestliche Ausländer“ , wie Ausländer muslimischen Glaubens sondern auch andere in Dänemark oft schon lange lebende Ausländer aus westlichen Staaten „zum Opfer“.

Sowohl 2016 als auch 2017 gab es nur grünes Licht für drei schwerkranke Asylbewerber. Im vergangenen Jahr wurden acht Aufenthalte gewährt, und in diesem Jahr wurden bisher sieben humanitäre Aufenthaltsgenehmigungen erteilt. Bis 2010 wurden noch mehr als 100 humanitäre Aufenthalte pro Jahr gewährt, oftmals sogar über 200. Jetzt und „Dank“ Inger Stojberg sind die Dänen weit unter einem Zehntel dieser Zahlen!

Laut dem Ministerium für Einwanderung und Integration ist diese seltene Medizin tatsächlich in Afghanistan zu bekommen. Es ist jedoch nicht bekannt, ob Mortaza Ahmadi in seinem Heimatland die richtige ärztliche Behandlung und Überwachung zur Therapie erhält.

„Er kann es sich nicht leisten, das Medikament zu kaufen, weil es dort pro Tag mehr kostet, als er in einem Monat als Automechaniker in Afghanistan verdient. Wir glauben auch nicht, dass er die richtige Kontrolle darüber bekommen kann. HLH ist eine Krankheit, von der selbst in Dänemark so gut wie niemand etwas weiß. Wie sollte man von Afghanistan erwarten, darüber etwas zu wissen?“ sagt Marianne Lund.

Die Krankheit verläuft tödlich, wenn sie nicht richtig therapiert wird. Derzeit ist es Universitätskrankenhaus Aarhus, bei dem Mortaza Ahmadi ständig unter Kontrolle steht. „Die HLH des Zentralnervensystems ist eine akute, lebensbedrohliche Erkrankung, wenn sie nicht richtig behandelt wird. (…) Es wird erwartet, dass die Behandlung für eine lange Zeit, vielleicht lebenslang, notwendig sein wird“, schreibt ein Arzt der Hämatologischen Abteilung in eine der Krankenunterlagen.

Der Arzt kommt zu dem Schluss, dass „HLH nur durch eine Knochenmarktransplantation geheilt werden kann, die dem Patienten derzeit nicht angeboten werden kann“.

Der Anwalt der Familie, Morten Dahl, glaubt auch, dass Mortaza Ahmadi einer der wenigen sein sollte, denen ein humanitärer Aufenthalt gewährt werdenmuss. „Es reicht nicht aus, dass das Arzneimittel verfügbar ist. Die Dosis, die er von seinen Medikamenten einnehmen muss, muss möglicherweise im Verlauf seiner Krankheit angepasst werden. Und das kann er nicht selbst, man braucht dazu einen kompetenten behandelnden Arzt“, sagt Morten Dahl.

Marianne Lund und ihr Ehemann Per Thomsen haben Mortaza Ahmadi vor einigen Jahren kennengelernt, und vor eineinhalb Jahren ist er zu dem Ehepaar nach Vamdrup gezogen. Er schätzt die Unterstützung des Paares. „Ich bin sehr glücklich, hier zu leben. Marianne ist meine Mutter und Per ist mein Vater geworden“, sagt Mortaza Ahmadi.

„Mortaza ist wie ein Sohn für uns. Wir betrachten ihn eindeutig als Teil der Familie. Unsere größte Angst ist daher, dass wir ihn nicht in Dänemark behalten dürfen“, sagt Marianne Lund.

Der Fall ist noch beim Ministerium für Einwanderung und Integration anhängig, das sich bisher noch nicht zu dem Fall geäußert hat.

Wer kann in Dänemark einen humanitären Aufenthalt bekommen?

  • Ausländer können eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis beantragen, wenn sie als Asylbewerber in Dänemark registriert sind.
  • Das Parlament hat entschieden, dass eine humanitäre Aufenthalte eine Ausnahme für sein muss. Eine Ausnahme kann sein, dass Antragsteller an einer sehr schweren Krankheit leiden, die eine medizinische Behandlung erfordert, oder dass Antragsteller bei der Rückkehr in ihr Heimatland von einer schweren Behinderung befallen werden.
  • Das Ministerium berücksichtigt insbesondere die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers, einschließlich schwerer körperlicher oder geistiger Erkrankungen, und ob es sich um eine Familie mit minderjährigen Kindern aus einem Kriegsland handelt.
  • Grundsätzlich werden Anträge abgelehnt, wenn das Ministerium der Ansicht ist, dass der Antragsteller in seinem Heimatland die notwendige Behandlung und Medizin erhalten kann.

Quelle: Ny i Danmark (Neu in Dänemark)

Das dänische Ausländer-Ministerium änderte seine Praxis Anfang 2018 auf Druck des Bürgerbeauftragten offiziell. Dieses geschah nach dem vielfach publizierten „Urteil Paposhvili“, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Dezember 2016 erlassen hatte.

Der leitende Wissenschaftler des Instituts für Menneskerettigheder (Menschenrechte), Peter Kessing. schätzte damals, dass dieses Urteil die Zahl der humanitären Aufenthalte auf 100 bis 200 pro Jahr erhöhen würde, was jedoch eine Fehleinschätzung war. „Das Urteil besagt, dass es nicht mehr ausreicht, dass das Arzneimittel im Heimatland des Beschwerdeführers vorhanden ist. Die Person muss eine realistische Möglichkeit haben, das Medikament zu bezahlen und Zugang zur Pflege zu erhalten. Das Urteil sollte daher zu einer humanitären Aufenthaltserlaubnis für deutlich mehr Bürger führen“, sagte Peter Kessing.

Darüber hinaus muss der Staat das soziale und familiäre Netzwerk des Antragstellers bewerten – und prüfen, inwieweit die Person der Behandlung nachkommt.

von

Günter Schwarz – 16.09.2019