Odysseus, Karl der Große, Jeanne d’Arc, Sophie Scholl, Martin Luther King, Nelson Mandela, Malala und andere: Das sind Heldinnen und Helden der Weltgeschichte. Heute brauchen viele das Wort Held oder Heldin, wenn von jungen Menschen wie der Flüchtlingshelferin Carola Rackete oder der Klimaaktivistin Greta Thunberg die Rede ist.

Der Klassische Archäologe Ralf von den Hoff, der Alte Geschichte sowie Vor- unf Frühgeschichte an der Universität Bonn und zeitweise an der Universität München lehrt, arbeitet an einem Forschungsprojekt zum Thema Heldinnen und Helden.

Er sagt, die Gesellschaft mache sie dazu. Anfangs haben wir uns damit recht schwergetan, weil wir nicht wollten, dass man das so eindeutig über alle Epochen festlegt. Denn was damit gemeint ist, ändert sich ziemlich stark. Wir sind der Meinung: Helden werden gemacht, es gibt sie nicht per se. Das heisst, jemand wird zum Helden oder zur Heldin, wenn er oder sie so benannt wird. Dieses, weil eine besondere Tat vollbracht worden ist, was auch eine Haltung sein kann.

Theoretisch wäre eine Kultur vorstellbar, in der Egoismus so wichtig ist, dass ein egoistischer Held verehrt wird. Das ist heute nicht der Fall. Das war auch in der Zeit, die wir untersuchten – von der griechischen Antike bis heute – ganz selten der Fall. Dass man sich selbst dabei aufgibt, ist somit nicht zwingend nötig.

In der griechischen Antike beispielsweise wurden auch Personen als Helden verehrt, denen man eine besondere Beziehung zu den Göttern zuschrieb. Die Frauen, die momentan viel von sich reden machen – Malala, Greta Thunberg und Carola Rackete – sind Heldinnen in dieser Definition. Sie beschäftigen sich mit Dingen, die über ihr eigenes Ich hinausgehen, sie leisten etwas für die Gemeinschaft. Und diese Gesellschaft nennt solche Personen Heldinnen.

Wir haben in unserer Forschungsarbeit festgestellt, dass der Begriff auch an Stellen benutzt wird, wo man ihn gar nicht erwarten würde. Etwa immer dann, wenn man starke Aufmerksamkeit auf jemanden oder etwas lenken will. Das ist nichts Zeitloses, dessen Definition feststeht, sondern sagt uns mehr über die Gesellschaften aus, die es tun. Einzelne Personen können niemanden zum Helden oder einer Heldin machen, der bzw. die von anderen anerkannt wird.

Der Begriff ist in dem Sinne richtig, dass die heroischen Vorstellungen, die das 19. Jahrhundert der Nationalstaaten und die Kriegszeit in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt haben, nicht mehr so entscheidend sind. Anders als in autokratischen Regimen opfert man in pluralistischen Demokratien nicht mehr ganze Generationen und seine Kinder für das Vaterland oder gar für „Führer, Volk und Vaterland“.

Diese Art von Heldentum ist überwunden, obwohl postheroisch aber nicht so zu verstehen ist, dass wir keine Helden und Heldinnen mehr hätten. Heroische Figuren und Helden sind weiterhin präsent – man wird sie nicht los.

Auch unsere individualisierte Welt hat noch Platz für Helden, die es weiterhin gibt. Das Individuelle an ihnen ist aber ganz wichtig für das Heroische. Denn im Vergleich zu anderen Dingen, mit denen man sich emotional identifizieren kann, sind Heldinnen und Helden immer Menschen, und damit jedem anderen einzelnen Menschen auch ähnlich.

Die starke Individualisierung führt eher dazu, dass einzelne Heldenfiguren wichtiger werden, weil sie konkrete Identifikation bieten. Rackete und Thunberg, wie schon die Helden der Antike, sind menschliche Personen, die selbst viel Menschliches durchmachten, und sich als Identifikationsfiguren anbieten.

von

Günter Schwarz – 20.10.2019