(Bornholm) – Nach dem Baustopp für die Ostsee-Pipeline North Stream 2 haben die zwei Verlegeschiffe die Baustelle vor Bornholm verlassen. Wie Positionsdaten auf dem Online-Portal MarineTraffic zeigen, befand sich die „Pioneering Spirit“ am Mittwochnachmittag in dänischen Gewässern mit Kurs auf Christiansand in Norwegen, die „Solitaire“ war ins dänische Nyborg unterwegs. Beide Spezialschiffe gehören der Schweizer Firma „Allseas“, die ihre Arbeiten an der Ostsee-Pipeline eingestellt hatte. Hintergrund sind die Sanktionen, die US-Präsident Donald Trump gegen Unternehmen verhängt hat, die sich am Bau von North Stream 2 beteiligen.

Das Pipeline-Projekt ist zu mehr als 90 Prozent fertig und sollte ursprünglich bis Jahresende startklar sein. Nun muss Russland neue Schiffe für die Verlegung von Rohren auf dem Ostsee-Boden suchen. Am ehesten sei es wohl möglich, die „Akademik Tscherski“ aus dem äußersten Osten Russlands in die Ostsee zu bringen, hatte die Staatszeitung „Rossijskaja Gaseta“ am Dienstag berichtet. Das Schiff könne aber erst in einem Monat dort sein. Die „Akademik Tscherski“ lag zuletzt im fernöstlichen Hafen Nachodka im Japanischen Meer.

Das vor Rügen liegende Schiff „Fortuna“ ist nach russischen Angaben zwar in ufernahen Zonen einsetzbar, aber nicht in den Ostsee-Tiefen. Die russische Schiffbauholding „OSK“ teilte mit, dass es Jahre dauern würde, ein leistungsfähiges Schiff zu projektieren und neu zu bauen. Staatsmedien in Moskau berichteten, dass ein solches Schiff von China oder einem anderen asiatischen Land gekauft werden könne. Die von den Sanktionen verursachten Mehrkosten für den Fertigbau bezifferten Moskauer Analysten in der Zeitung „Nesawissimaja Gaseta“ auf einen zwei- bis dreistelligen Millionenbetrag.

Der russische Vize-Regierungschef Dmitri Kosak sagte am Mittwoch im russischen Staatsfernsehen, sein Land sehe nun die Europäische Union am Zug für einen Ausweg aus der Lage. Die EU habe ein Interesse an einer eigenen Energiesicherheit zu akzeptablen Preisen. Das russische Pipeline-Gas sei 30 Prozent günstiger als das Flüssiggas aus den USA. „Wir sind überzeugt, dass wir das Problem in Zusammenarbeit mit den europäischen Ländern – mit der EU – lösen und einen Kompromiss finden können“, sagte Kosak.

Der Vize-Regierungschef betonte, dass er mit weiterem Druck der USA gegen das Projekt rechne. Er gehe aber davon aus, dass die Leitung zwischen Russland und Deutschland vollendet wird. Der russische Vize-Außenminister Sergej Rjabkow bekräftigte, dass Russland mit Gegenmaßnahmen auf die US-Sanktionen reagieren werde. Denkbar seien etwa russische Einreiseverbote für Amerikaner, die Sanktionen gegen Russland vorantrieben. US-Firmen, die in Russland tätig seien, sollten aber verschont bleiben.

US-Präsident Donald Trump hatte die Sanktionen Ende voriger Woche per Unterschrift in Kraft gesetzt. Sie zielen auf die Betreiberfirmen spezialisierter Schiffe ab, mit denen die Rohre durch die Ostsee verlegt werden. Ziel ist es, die Fertigstellung noch zu verhindern. Im Streit um die North Stream 2 sehen die USA ihr Vorgehen im Einklang mit europäischen Interessen. Sie warnen vor einer zu großen Abhängigkeit von russischem Gas. Mehrere EU-Staaten und die Ukraine sind gegen die Pipeline. Die USA wiederum stehen in der Kritik, sie wollten ihr eigenes, teuer produziertes Flüssiggas in Europa verkaufen.

Daten zur Ostsee-Pipeline Nord Stream 2

  • Gesamtinvestitionen: ca. 8 bis 10 Milliarden Euro
  • Bauzeit: 2018 bis 2020 (geplant)
  • Länge: ca. 1.230 Kilometer (weitgehend parallel zu den bestehenden Leitungen)
  • Ausgangspunkt: Narwa-Bucht bei Ust-Luga an der russischen Ostseeküste
  • Endpunkt: Lubmin bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern
  • Betreiber: Nord Stream 2 AG
  • Kapazität: Durch die zwei Röhren können bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas im Jahr geliefert werden
  • Die Pipeline liegt größtenteils auf dem Meeresboden, auf 200.000 betonummantelte Rohre (jedes 24 Tonnen schwer) werden verlegt. In Flachwasserbereichen, wie dem Greifswalder Bodden, sind die Rohre eingegraben.

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NDR – 26.12.2019