Vorschläge zur Schließung von Bibliotheken erzeugen Ärger
(Esbjerg) – Immer mehr Bibliotheken in Dänemark werden geschlossen. Jetzt scheint es drei Bezirksbibliotheken in der Kommune Esbjerg zu treffen. Besonders der Gemeinderat im Vorort Sædding ist sehr kritisch gegenüber dieser Maßnahme.
Die Kritik gebührt der so genannten Anhörung, die gerade begonnen wurde. Hier können die Bürger von Sædding, Kvaglund und Tjæreborg zwei verschiedene Modelle zustimmen oder ablehnen. Aber für den Gemeinderat von Sædding scheint es eine Wahl zwischen Pest und Cholera zu sein – oder eher eine Nichtwahl.
„In beiden Modellen werden sollen die bestehenden Bezirksbibliotheken in Sædding, Kvaglund und Tjæreborg geschlossen werden“, heißt es in der Veröffentlichung der zur Wahl stehenden Modelle.
„Dem können wir gar nicht zustimmen. Was werden sie mit den 70.000 Leihbüchern machen, die der die Sædding Bibliothek zur Ausleihung zur Verfügung stehen?“ fragt Hans Jørn Christensen vom Sædding Gemeinderat.
Es ist der Ausschuss für Kultur und Freizeit, der die Meinung der Bürger zu diesem Thema erfragen möchte. „Wir stehen vor der Herausforderung, dass die Ausleihe in den Bibliotheken abnimmt, weil immer mehr Bürger Buchausleihen über das Internet vornehmen“, sagt der konservative Ausschussvorsitzende Peder Tørnqvist.
Die Bibliotheksleiterin Anette Brøchner Lindgaard, die nach eigenen Angaben das Befragungsmaterial vorbereitet hat, sagt: „Wir versuchen immer, ein möglichst gutes Bibliothekssystem auf der Grundlage unseres Finanzrahmens anzubieten. Jetzt unterhalten wir teure Gebäude und ein teures Bücherbussystem. Das möchten wir ändern.“
Das Bücherbus-Programm wurde in den letzten Haushaltsverhandlungen noch verschont. Jetzt läuft es aber am 01. April 2020 aus.
Der Sædding Gemeinderat weist darauf hin, dass die Bibliothek in der Region eine besondere Rolle spielt, sowohl kulturell als auch sozial. Sie verliert diese Rolle, wie der Rat jetzt befürchtet, wenn die Bibliothek geschlossen und entweder in eine sogenannte Minibibliothek oder einen Selbstbedienungsbibliotheksplatz umgewandelt wird.
„Wir haben auch Besucher hier, die die Bibliothek nicht unbedingt zum Ausleihen von Büchern nutzen. Sie kommen hierher und lesen die heutige Zeitung und reden miteinander. Wir haben Kindertagesmütter, die das Spielzimmer nutzen, und wir haben eine Verbindung zur „Mødestedet“ -Bibliothek (Treffpunkt-Bibliothek), in der wir eine Reihe von Veranstaltungen abhalten“, sagt Hans Jørn Christensen.
Er ist der Ansicht, dass es eine Diskrepanz zwischen der im Befragungsmaterial vorgeschlagenen Entscheidung und der beschlossenen Kulturpolitik der Kommune gibt, die unter anderem lautet: „… Kinder und Jugendliche begegnen der Kultur frühzeitig auf eine Weise, die ihnen die besten Bedingungen bietet ihre eigenen kulturellen Voraussetzungen entwickeln und ausleben.“
„Hier in der Bibliothek treffen sich viele Kinder aus der Region an einem Ort, an dem sie in Bücher eintauchen können. Für manche Kinder sind Bücher kein natürlicher Bestandteil ihres Alltags“, sagt er.
Auch die Bibliotheksbesucher, die zu dem Thema angesprochen wurden, waren nicht gerade begeistert, als sie von der Befragung und deren Inhalten erfuhren. „Nein, nein! Es wird traurig sein. Die Bibliothek hier ist Teil meines Alltags. Ich komme regelmäßig auf meinen Spaziergängen hierher. Wenn ich stattdessen in die Hauptbibliothek in der Stadt gehen muss… nein, nein, es wird überhaupt nicht mehr so sein“, sagt die Rentnerin Susanne Josephsen.
„Es wird dann ärgerlich sein. Dann muss ich in die Hauptbibliothek gehen, und es ist zu weit. Ich habe darüber gelesen, aber ich kann nicht genau herausfinden, worum es bei den beiden Modellen eigentlich geht. Also, was soll geschlossen werden und was soll die Bibliotheken ersetzen?“ fragt Søren Henriksen.
„Dann ist es echt Scheiße! Wir nutzen sie oft. Jede Woche komme ich mit den Kindern hierher und leihe mir 10-12 Bücher aus. Es wird auch ein großer Verlust für die Region sein. Für alle Kinder, die nicht die Möglichkeit haben, in die Hauptbibliothek zu gehen“, sagt Grundschullehrerin Sannie Cramer.
Die Gemeinderäte der beroffenen Vororte haben die Verschiebung der Befragung und Anhörung im Kommunalrat gefordert. „Es gibt einfach zu viele Unsicherheiten bei der Befragung“, sagt Hans Jørn Christensen, Sædding Gemeinderat.
Der Antrag wurde jedoch von der Bibliotheksleiterin Anette Brøchner Lindgaard sofort abgelehnt. Doch als Peder Tørnqvist von der Behauptung erfährt, sagt er: „Das nehmen wir ernst. Ich werde das untersuchen!“
Peder Tørnqvist ist keineswegs so kategorisch, wie es das Beratungsmaterial vermuten lässt. „Jetzt müssen wir sehen, welche Antworten wir auf die Befragung bekommen. Schließlich müssen wir uns nicht für etwas entscheiden, das unser Bibliotheksangebot unnötig untergräbt, und ich bin mir der Bedeutung bewusst, die eine Bibliothek sowohl kulturell als auch sozial für einen lokalen Bereich haben kann“, sagt er.
Günter Schwarz – 09.01.2020