Gefunden wurden in Skeletten auf Lolland eine große Anzahl mit Hinweisen auf die gefürchtete Geschlechtskrankheit Syphilis, was nun weiter untersucht werden muss.

Als Christoffer Columbus und die anderen ehemaligen Entdecker von Amerika zurückkehrten, hatten sie nicht nur Gold, Tabak und Kartoffeln in ihrer Fracht nach Europa. Die Besatzung der Schiffe brachte auch die gefürchtete Krankheit der Syphilis mit nach Europa.

Dieses steht in den medizinischen Lehrbüchern seit Jahrhunderten – aber die Lehr- und Geschichtsbücher müssen jetzt wahrscheinlich neu geschrieben werden. Unter anderem helfen Skelette von einem alten Friedhof in Refshale bei Maribo auf Lolland, das bisherige Allgemeinwissen zu widerlegen.

Das Ergebnis ist überraschend für das traditionelle Wissen über die Syphilis, da die Krankheitsträger schon um 1350 auf dem Friedhof von Lolland beigesetzt wurden – also fast 150 Jahre, bevor Columbus zum ersten Mal die Neue Welt betrat.

„Wir glauben, dass die Entwicklung der Syphilis komplizierter ist, als wir bisher gedacht haben, und das unterstreichen die Ergebnisse von Refshale auf Lolland“, sagt Professor Jesper Lier Boldsen vom forensischen Institut der Syddansk Universitet (Süddänische Universität).

Seit den 1990er Jahren arbeitet der Professor an der Analyse der Ergebnisse von Refshale und vielen anderen Skeletten aus ganz Europa, die alle unterschiedliche Anzeichen von Syphilis auf den Knochen aufweisen.

Zuletzt stellte eine Gruppe britischer Wissenschaftler am Montag eine Reihe von Arbeiten vor, die feststellte, dass eine in England gefundene und um das Jahr 1320 verstorbene Person wahrscheinlich auch an der Krankheit litt.

Heute, fast 700 Jahre später, ist der Friedhof in Refshale teilweise mit Einfamilienhäusern bebaut, und auf dem Rest des Gebiets wurde ein Golfplatz angelegt. In den 1990er Jahren wurden dort jedoch mehr als 200 Skelette ausgegraben und für die Nachwelt aufbewahrt.

„Die Untersuchungen in Refshale wurden vom damaligen Lolland-Falsters-Stiftmuseum in langjähriger Zusammenarbeit mit u. a. Moesgaard und der Universität Odense eingeleitet, um sich einen Überblick über das Leben in der Region zu verschaffen“, sagt der Archäologe Leif Plith Lauritsen, der heute im Museum Lolland-Falster arbeitet, und sogar als Student und in der Ausbildung befindlicher Archäologe an den Ausgrabungen teilnahm.

Im Mittelalter befand sich in Refshale schon ein größeres Dorf mit einer Festungsanlage und eine Dorfkirche. So wurde auf der Ausgrabungsstelle ein Mauerwerk gefunden, aus dem die Ziegelsteine ​​für die Festung stammen könnten. Auch wurde ein Steinofen gefunden, der sehr gut erhalten war.

Bei der Arbeit des Museums ging es hauptsächlich darum, Verbindungen zwischen dem Leben in der Stadt und dem Leben der Bürger auf dem Land zu finden, und seitdem wurde die Arbeit analysiert, um die vielen Ergebnisse in der Studie zu analysieren.

Insbesondere hoffte man, dass man Hinweise auf die Toten finden würde, die dazu beitragen könnten, die Existenz der Festung zu untermauern. Dieses war eine der Aufgaben, zu denen der Forensiker Jesper Lier Boldsen während der Ausgrabung beigetragen hat.

„Die Burg wurde 1256 zerstört, als rebellische Bauern mit Unterstützung von Söldnern deren Mauern stürmten und die Burg in Schutt und Asche legten. Ein war wenig enttäuschend, dass wir in diesem Zusammenhang jedoch keine Verletzungen an den Skeletten sowie keine Schwerter oder andere Gegenstände fanden, die auf einen gewaltsamen Tod im Zusammenhang mit der Erstürmung der Festung nachweisen“, sagt Leif Plith Lauritsen.

Im Gegensatz dazu waren die vielen Skelette mit Anzeichen von Syphilis eine große Entdeckung, deren Anzahl im Laufe der Jahre immer größer geworden ist. Es wurden so viele infiziert, dass die Krankheit fast als Epidemie bezeichnet werden kann.

Jesper Lier Boldsen hat seitdem untersucht, ob die Funde auf dem Friedhof von Maribo einzigartig sind. Und sie sind so weit davon entfernt. Unter anderem wurden in Lisbjerg bei Aarhus viele Skelette mit ähnlichen Krankheitshinweisen gefunden, was darauf hindeutet, dass die Syphilis im Mittelalter in Dänemark bereits weit verbreitet war. Zwar war sie nicht so häufig wie beispielsweise Tuberkulose oder Lepra, die ebenfalls schwere Krankheiten waren, aber die selten tödliche Krankheiten waren.

„Es war eine seltene Krankheit und es gab große regionale Unterschiede, wo sie am stärksten verbreitet war. Aber es war schon in der Vergangenheit eine bekannte Krankheit, so der Professor. Er gibt an, dass die frühe Variante einer Schizophrenie mittelalterliche Syphilis genannt wird.

Auch in beispielsweise Kroatien, Österreich, Deutschland und England wurden Skelette mit Anzeichen der Krankheit aus der Zeit vor 1492 gefunden. Jüngste Studien zeigen, dass es sowohl in Europa als auch in Amerika eine frühe Variante der Syphilis-Krankheit gegeben hat. Die Krankheiten hatten viele Ähnlichkeiten, waren aber nicht gleich

„Dieses ist etwas, was wir in Dänemark im Begriff sind zu tun, um eine Forschungskooperation mit einer Gruppe amerikanischer Wissenschaftler einzuleiten, um die Entwicklung der Krankheit besser zu verstehen. Es kann uns ein besseres Verständnis und Wissen über die Entwicklung der Krankheit geben, die dann plötzlich dramatischer wurde“, sagt Jesper Lier Boldsen.

Um das Jahr 1500 herum mutierte das Bakterium hinter der Krankheit, und die Syphilis entwickelte sich nun auf zwei beängstigende Arten: Offenbar begann es erst jetzt, eine sexuell übertragbare Krankheit zu sein – und sie begann nun zu töten.

„Wir wissen noch nicht, woher oder aus welchem Bakterienstamm die Mutation stammt. Es mag sowohl hier als auch in Nordamerika passiert sein. Das wissen wir noch nicht“, sagt Jesper Lier Boldsen. Er betont, dass es eine Arbeit sein wird, die mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird, da es eine umfassende Aufgabe ist, die vielen Befunde im Zusammenhang mit der Krankheit zu analysieren.

Syphilis ist heute eine relativ harmlose Krankheit, wenn sie entdeckt wird. Sie kann medizinisch behandelt werden und ist eine sehr seltene Krankheit. Obwohl es das gleiche Bakterium wie im Mittelalter ist, hat es sich allmählich dem Menschen angepasst, so dass es heute bei weitem nicht mehr so tödlich ist wie damals.

Es kann jedoch immer noch zu Veränderungen im Körper führen – die Veränderungen, mit der Archäologen die Krankheit an den Skeletten erkennen.

Am häufigsten sind spezielle Veränderungen an den Beinen, was bedeutet, dass die Tibia (Schienbein) gekrümmt ist und es charakteristische Veränderungen am Oberschenkelknochen oberhalb des Knies gibt. Das gleiche passiert am Ellbogen und mit dem Schulterblatt, wo es um das Schlüsselbein wächst, während sich Veränderungen im Gesicht und in den Löchern im Schädel zeigen können, in denen die Krankheit ausgebrochen ist.

Die Funde in Europa stammen aus der Zeit, in der das nordische Volk schon in Grønland lebte, und in der es regelmäßig Expeditionen nach Nordamerika gegeben haben soll, das damals als Vinland bekannt war.

„Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Toten vom Friedhof in Lolland auf einer etwas wilden Reise nach Grønland oder Vinland waren, von wo aus sie die Krankheit möglicherweise mit nach Hause gebracht haben“, sagt Jesper Lier Boldsen von der Syddansk Universitet.

Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Wikinger- oder Handelsschiffe zu Beginn des Mittelalters eine Rolle bei der Ausbreitung der Krankheit gespielt haben. Die Schiffsbesatzungen könnten die Bakterienstämme sowohl von Europa nach Nordamerika als auch von Nordamerika nach Europa befördert haben.

„Es ist sicherlich eine Option – aber es ist Spekulation. Es kann auch eine Krankheit sein, die schon immer unter Menschen war und sich mit den ersten amerikanischen Ureinwohnern in Amerika ausgebreitet hat. Bis wir alles richtig untersucht haben, ist es nur eine Vermutung“, sagt Jesper Lier Boldsen.

von

Günter Schwarz – 23.01.2020