Tatsächlich ist die Genforening (Wiedervereinigung) Sønderjyllands mit Dänemark eines der wichtigsten Ereignisse in der dänischen Geschichte.

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit einigen Freunden und reden über etwas, was Sie nicht so ganz verstehen? Es ist verdammt „træls“ („ermüdend“, wie in Jylland gesagt wird).

Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie in eine solche Situation geraten, ist im Jahr 2020 recht hoch. In ganz Dänemark jährt sich der 100. Jahrestag der Genforening Sønderjyllands mit Dänemark – auch Reunion genannt.

Obwohl es tatsächlich eines der wichtigsten Ereignisse in der dänischen Geschichte ist, gibt es wahrscheinlich viele, die nicht genau wissen, was genau zu dieser Zeit passiert ist – und die nicht genau verstehen, warum um alles in der Welt es ein so wichtiges Ereignis noch 100 Jahre später sein sollte.

Aber keine Sorge! Wenn Sie diesen Artikel gelesen haben, werden Sie in der Lage sein, die grundlegenden Dinge zu verstehen – und Sie werden in der Lage sein, mitzusprechen, wenn das Thema angesprochen wird!

1. Worüber reden die Leute, wenn sie über die Genforening sprechen?

Am 10. Februar 1920 gingen die Sønderjyderne (Südjüten) in der Wahlzone 1 zu den Wahlurnen in Sønderjylland (Nordschleswig). Hier wählten sie „Hjem til Danmark“ (Heim nach Dänemark).

Wenn sie über die Genforening sprechen, dann reden sie über die Zeit 1920, als die Sønderjyderne (Südjüten) ihre Wiederangliederung an Dänemark wählten und Sønderjylland (Nordschleswig) nach 56 Jahren unter deutscher Herrschaft wieder dänisch wurde. – Dieses Jahr ist jetzt genau 100 Jahre her.

2. Aber warum um alles in der Welt war Sønderjylland überhaupt deutsch?

Auf den beiden Bildern ist der Grenzverlauf vor und nach 1864 zu sehen.

Es geht zurück bis ins Jahr 1864, als Dänemark sich im Krieg mit Preußen und Österreich befand. Sønderjylland wurde dann von Preußen annektiert und wurde als „Nordschleswig“ später im 19. Jahrhundert Teil des Deutschen Kaiserreichs.

Dänemark und Preußen führten Mitte des 19. Jahrhunderts häufig Kriege, auch weil sie sich nicht einig waren, welches Land das Recht auf die Herzogtümer Schleswig und Holstein hatte. Und wenn es irgendetwas gibt, das Länder im Laufe der Zeit veranlasst hat, Kriege zu führent – dann war es die Aussicht, ein paar Quadratkilometer mehr Land zu gewinnen!

1864 endete der Krieg, als die Preußen die Dänen in der Schlacht von Dybbøl entscheidend schlugen und Preußen das dänische Königreich zur Abtretung des Landes zwang.

Nach der Niederlage musste Dänemark die Herzogtümer Slesvig (Schleswig) und Holsten (Holstein), die bis dahin zum dänischen Königreich gehörten, aufgeben. Der nördliche Teil von Slesvig ist der schleswiger Landesteil, der in Dänemark Sønderjylland (Südjütland) genannt wird.

3. Wie war es, ein dänisch gesinnter Jüte in Deutschland zu sein?

Das gesamten dänische Liedgut wurde tatsächlich zensiert, weil sie für „zu provokativ“ gehalten wurden. Aus diesem Grund weisen die dänischen Schulliederbücher des aus dieser Zeit viele leere Seiten auf.

Die Dänen lebten nicht „auf Rosen“! In den Jahren unter preußischer und deutscher Herrschaft versuchten die deutschen Politiker eine Zeit lang, das Dänischsein zu brechen, indem sie unter anderem Treffen der dänisch Gesinnten bei Haftandrohung und Inhaftierungen verboten und den dänischen Eltern ihre elterlichen Rechte einschränkten.

Die ganze Absicht hinter der anti-dänischen Politik war, dass die Preußen, indem sie die Möglichkeiten des dänischen Volkes, die dänische Sprache und Gemeinschaft zu pflegen, entgegenwirkten, damit sie letztendlich zur deutschen Identität „konvertieren“ würden.

4. Okay, aber hat die deutsche antidänische Politik dann funktioniert?

Der sønderjyske (südjütländische) Kaffeetisch war vor 1920 ein wichtiger Bestandteil der dänischen Gemeinschaft. Dabei konnten die dänisch denkenden Menschen ihr Dänischsein pflegen.

Das kann man nicht genau sagen. Eigentlich hatte es den gegenteiligen Effekt – denn trotzdem haben die Dänen neue Wege gefunden, um die strengen anti-dänischen Gesetze zu umgehen. So haben sich die Dänen zum sønderjysken (südjütländischen) Kaffeetisch zudammengefunden! Es wurde eine sehr gebräuchliche Art, sich zu treffen, denn die Dänischstämmigen brauchten sich dazu zum Beispiel nicht im öffentlichen Raum treffen. Daher trafen sie sich zum „Kaffeetrinken“ in Privathäusern oder in neu gebauten Versammlungshäusern, die nach dänischen Vorbildern gebaut wurden.

Die Versammlungshäuser erhielten jedoch keine Schanklizenz für Alkohol, so dass Kaffee und viel Kuchen auf den Tisch kam. Tatsächlich konnte der voll gedeckte sønderjyske Kaffeetisch aus bis zu 21 verschiedenen Arten von Kuchen bestehen.

5. Warum zogen die dänisch gesinnten Südjüten nicht einfach nach Dänemark, wenn sie dänisch bleiben wollten?

Einige von ihnen sind auch nach Dänemark gezogen, aber die überwiegende Mehrheit fühlte sich mit ihrem Heimatland, Sydjylland (Südjütland) eng verbunden, und sie wurden ermutigt, sich lokalen dänisch gesinnten Politikern anzuschließen.

Sie wollten auch, dass Sydjylland wieder dänisch wird, und sie hielten es nach dem Motto „wer seine Pflicht erfüllt, kann auch sein Recht einfordern“.

Die Idee hinter diesem Motto war, dass es irgendwann einfacher sein würde, das Recht auf die Genforening von Sydjylland und Sønderjylland mit Dänemark zu beanspruchen, wenn Sie in der Region bleiben und die dänische Verbindung aufrecht erhalten würden.

6. Wie haben die dänisch gesinnten Sønderjyder das Recht erhalten, Sønderjylland dänisch zu machen?

In Zone 1 stimmten 75% für eine Genforening mit Dänemark, während in Zone 2 eine 80%ige Mehrheit dafür stimmte, um Teil Deutschlands zu bleiben.

Das Deutsche Kaiserreich hatte den 1. Weltkrieg verloren, und im darauffolgenden Friedensabkommen von Versailles wurde von den Alliierten vereinbart, dass in Slesvig/Schleswig ein Referendum abgehalten werden sollte, bei dem die Bewohner des Landes daüber entscheiden sollte, ob sie zu Dänemark oder zu Deutschland gehören wollten.

Das Herzogtum Slesvig/Schleswig war in zwei Zonen unterteilt: die nördliche Zone 1 und die südliche Zone 2. In Zone 1 stimmten die Bewohner eindeutig für Dänemark, während in Zone 2 die Zugehörigkeit zu Deutschland eine große Mehrheit erreichte.

7. Was sagten die Deutschen über den Verlust Sønderjyllands/Nordschleswigs?

Nicht mit der unbedingten Zusimmung der Deutschen musste das Deutsche Reich den nördlichen Teil Slesvigs aufgeben.

So wie die Menschen in Dänemark hart dafür gerungen hatten, um Sønderjylland wieder mit Dänemark zu vereinen, so hatten die Deutschen alles getan, um Nordschleswig im Deutschen Reich zu halten.

Während die Dänen heute von der Genforening Dänemarks sprechen, sprechen die Deutschen von der Aufgabe des Landes.

8. Was bedeutete die Genforening für das übrige Dänemark?

Hier verläuft heute die deutsch-dänische Grenze – mitten durch Slesvig. Nördlich der Grenze liegen die Städte Tønder und Sønderborg. Südlich der Grenze liegt die Stadt Flensburg.

Es bedeutet sehr viel, denn wenn zum Beispiel einige der greifbaren Dinge betrachtet werden, wurde viel erreicht, das heute alltäglich ist.

Es wirkte sich auch auf die Bevölkerung aus, als Sønderjylland dänisch wurde, wurden auch die Menschen, die in Sønderjylland lebten, dänisch – und so wuchs die dänische Bevölkerung von einem Tag auf den anderen erheblich an.

Obwohl es heute recht schwierig ist, die genaue Anzahl der damaligen Einwohner des Gebiets zu bestimmen, waren es ungefähr 160.000 Menschen.

9. Wurde die Genforening mit Dänemark wie ein Fest gefeiert, und war es eine schöne Zeit?

Tausende verärgerte Arbeiter demonstrierten gegen Kong Christian X. auf dem Schlossplatz von dem königlichen Schloss Amalienborg, nachdem er sich in die Grenzfrage eingemischt und die Regierung entlassen hatte. Sie riefen „Christian weg! Republik!“

Tausende zorniger Arbeiter demonstrierten gegen Kong Christian X. auf dem Schlossplatz von Schloss Amalienborg, nachdem er sich in die Grenzfrage eingemischt und die Regierung entlassen hatte. Sie riefen „Christian weg! Republik!“

Die Genforening wurde sicher nicht wie eim Fest gefeiert! Tatsächlich gab es in der Zeit um die Genforening eine Menge Unzufriedenheit, nicht zuletzt, weil sich die Politiker und die Bevölkerung uneinig waren, wo die neue Grenze zwischen Dänemark und Deutschland zu verlaufen hat.

In København gab es eine große Demonstration, und auch Kong Christian X. mischte sich ein! Er tat dieses, indem er die Regierung entließ, weil er mit der Führung der Grenzverhandlungen nicht einverstanden war. Das war jedoch nicht sein klügster Schachzug, da die kritischen Sozialisten auf der Straße die Absetzung des Königs forderten. So weit ist es jedoch nicht gekommen.

10. Bedeutete die Genforening, dass alle Dänen im Grenzland wieder dänisch wurden?

Nein, das war nicht der Fall. Obwohl die Grenze 1920 aufgrund eines Referendums gezogen wurde, gab es immer noch dänisch gesinnte Südjüten, die auf der „falschen“ Seite der Grenze und damit in Deutschland gelandet waren.

Die dänische Minderheit existiert noch heute im nördlichen Schleswig-Holstein, und sie kann ungehindert dänische Kindergärten, Schulen Gymnasien und Altenheime südlich der Grenze betreiben. Die dänische Minderheit zählt heute rund 50.000 dänisch gesinnte Südjüten.

Ebenso gab es auch deutschstämmige Menschen, die nördlich der Grenze, in Dänemark, gelandet sind. In Sønderjylland gibt es daher heute eine deutsche Minderheit von etwa 15.000 deutsch gesinnten Südjüten.

Quellen: Danmarkshistorien.dk, Grænseforeningen, Den store danske og Museum Sønderjylland

von

Günter Schwarz – 10.02.2020