Deutsch-dänische Grenzziehung von 1920 ließ Sprachenvielfalt sterben
1920 hatte das Volk an zwei Tagen, dem 10. Februar und dem 14. März 1920, in einem Referendum abgestimmt und damit die bis heute gültige Grenze zwischen Dänemark und Deutschland festgelegt. In Dänemark entstand in der Folge die deutsche und in Schleswig-Holstein die dänische Minderheit.
Mit der „neuen Grenze“ begann auch ein grundlegender Wandel der Kulturen in der bis dahin vielsprachigen Region. Zum 100-jährigen Bestehen der Grenze zeichnet NDR Schleswig-Holstein die Ereignisse und Hintergründe nach.
Der expressionistsche Maler Emil Nolde, der am 07. August 1867 in Nolde im damaligen Kreis Tondern in Schleswig-Holstein geboren wurde und am 13. April 1956 in Seebüll im heutigen Kreis Nordfriesland verstarb, erinnerte sich an die Zeit vor der Grenzziehung vom 15. Juni 1920 und sagte dazu: „Zuhause auf dem Hof wurde Sønderjysk gesprochen, in der Schule Hochdeutsch, bei der Familie des Vaters Friesisch und auf dem Viehmarkt in Tønder wurde auf Niederdeutsch gehandelt.“ Bis 1920 war die Mehrsprachigkeit gelebte Normalität im Norden auf der jütischen oder kimbrischen Halbinsel zwischen der Elbe im Süden und Skagen im Norden, doch danach änderte sich mit dem Entstehen der nationalen Minderheiten beiderseits der „neuen Grenze“ einiges.
„Ein Beispiel sei die dänische Schule in Kupfermühle vor den Toren Flensburgs“, meint Elin Fredsted, dänische Professorin, die lange an der Europa-Universität in Flensburg gelehrt hat. Kaum sei die Schule im August 1926 eingerichtet gewesen, mussten die Eltern nachsitzen, um nun Hochdänisch (Reichsdänisch) lernen. Bis dahin sprachen sie Plattdänisch, also Sønderjysk. Mit dieser Sprache ist auch Fredsted aufgewachsen, deren Thema die Sprachen im Grenzland sind.
Mit Festlands- und Inselfriesisch, Plattdeutsch, Plattdänisch und den Hochsprachen Deutsch und Dänisch gilt Schleswig-Holstein heute als Sprachenland, dass eine außergewöhnliche Vielfalt aufweist, die historisch gewachsen ist. Sønderjysk war im Herzogtum Schleswig bis runter zu einer Linie von Husum bis Eckernförde die übliche Umgangssprache. Ausnahme war Nordfriesland, wo sich in zwei Wellen Festlands- und Inselfriesisch herausgebildet hatten.
Als im Mittelalter die Hanse als Vereinigung niederdeutscher Kaufleute erstarkte, breitete sich von Süden her Plattdeutsch aus – erst als Handels-, dann als Amts- und Kirchensprache. Erst im 17. Jahrhundert kam das Hochdeutsche in den Norden. Es verdrängte in Flensburg Plattdeutsch als Amtssprache. Die Handwerker und Händler sprachen untereinander Plattdeutsch und Dienstboten und Bauern aus dem Umland Sønderjysk.
von
Günter Schwarz – 23.02.2020