(Samsø) – Der Klimawandel lässt sich nur noch aufhalten, wenn die Menschheit weltweit ihren Hunger auf Kohle, Öl und Gas verringert. So viel steht fest. Während Greta Thunberg und die „Fridays for Future“-Bewegung die Welt über das Dilemma aufzuwecken versucht und hochbezahlte Politiker darüber diskutieren und dabei mehr „Gewäsch“ als sinnvolle und praktikable Lösungen auf den Weg zu bringen , wie sich das machen lässt, lohnt ein Blick auf die kleine dänsche Kattegatinsel Samsø vor Aarhus. Schon vor über 20 Jahren begannen nämlich Samsøs Bewohner damit, ihre kleine Ostsee-Insel selber mit Energie zu versorgen.

Wer auf die dänische Insel Samsø zieht, entscheidet sich für ein Leben inmitten einer Postkarten-Idylle: kilometerlanger weißer Sandstrand, sanft geformte saftig-grüne Hügel und kleine Dörfchen mit reetgedeckten Häuschen.

Bereits in in den 1990er Jahren kam die dänische Regierung die Idee,von fossilen Brennstoffen wegzukommen und CO₂ einzusparen, um das Klima zu schonen und auf dem kleinen Insel Samsø etwas Großes auszuprobieren. Viele der 3.500 Insulaner halfen dabei, wie auch der Landwirt Jørgen Tranberg, der sich für den ersten Windpark der Insel hoch verschuldete: „Als ich damals 12 Millionen Kronen (1,6 Mio. Euro) in meine erste Windkraftanlage gesteckt habe, hatte ich große Bauchschmerzen. Ich musste dafür sogar die Bank wechseln, mich hoch verschulden, und das war überhaupt nicht lustig.“

BILD: Samsoe2-d – Landwirt Jørgen Tranberg

Tranbergs mutige Investition war damals der erste Schritt, vom Festlandstrom unabhängig zu werden. Danach legten die Insulaner zusammen, um kleine Blockheizkraftwerke zu bauen, die die Insel nicht mehr mit Gas und Öl sondern mit Stroh von der Insel beheizen. Aufgetürmt zu großen Ballen liegt es auf Jørgen Tranbergs Feldern. „150 Ballen Stroh entsprechen etwa 30 Tonnen Erdöl. Das Stroh wächst hier, und das Erdöl bleibt irgendwo anders in der Erde. Und das Beste ist, im Frühling wächst das Stroh ja wieder nach“, sagt er.

BILD: Samsoe2-b – Eine Solartankstelle mit Sonnenkollektoren auf dem Dach eines Parkplatzes: Dort lassen sich E-Mobile aufladen.

Immer weitere Ideen kamen seitens der Inselbewohner hinzu: Elektro-Autos für die Altenpflege, eine Solartankstelle hinter dem Rathaus, eine Auto-Fähre betrieben ohne Diesel. All diese Projekte werden koordiniert in der sogenannten Energieakademie der Insel. Es ist ein futuristischer heller Kubus inmitten eines großen Rapsfeldes, dessen Innenwände mit Gastgeschenken aus aller Welt dekoriert sind, denn immer mehr Delegationen aus aller Welt besuchen die Kattegatinsel und wollen von Samsø lernen.

BILD: Samsoe2-a – Samsøs Energieakademie ist der Ort, an dem die Nachhaltigkeits-Projekte der Insel koordiniert werden

Die Besuchergruppen nehmen eine klare Botschaft mit nach Hause. Der schrittweise Verzicht auf Kohle, Gas und Strom ist keine Utopie. Und das ist gut fürs Klima. „Unterm Strich ist es uns gelungen, dass wir unsere CO₂-Bilanz umgewandelt haben. Erst war sie neutral, inzwischen ist sie sogar negativ geworden, da wir heute mehr Energie produzieren als wir verbrauchen“, sagt Landwirt Tranberg.

BILD: Samsoe2-c – Mehr als 4.000 Politiker, Journalisten und Schüler besuchen Samsø jährlich, um einen Einblick in die Energieprojekte der Insel erhalten.

Die Inselbewohnern haben in den vergangenen zwei Jahren überlegt, wie sich noch mehr Energie einsparen ließe und wollen im Sommer ihr neuestes Projekt eingeweihen: Eine kleine Passagierfähre für Pendler in den rund 28 Kilometer entfernten Fährhafen Hou auf dem Festland, hergestellt aus besonders leichtem Aluminium, was besonders wenig Kraftstoffverbrauch verursacht. Gern hätten sie eine elektrisch betriebene Fähre, aber die Batterien sind derzeit noch zu groß und zu teuer. Der Kompromiss die einfallsreichen Insulaner lautet: „Wir tauschen den Motor aus, sobald es die passende Technik dafür gibt!“

So wird es auch auf Samsø noch ein bisschen Diesel geben, auch wenn der zu großen Teilen aus Plastikabfall und biologischen Materialien hergestellt werden soll. Wer die Welt retten und das Klima verbessern will, muss eben manchmal auch ein wenig pragmatisch sein.

von

Günter Schwarz – 29.02.2020