Nun spielt auch Twitter das, was die Amerikaner „Whack-A-Mole“ nennen: Wie der Kopf eines Maulwurfs, der aus einem Loch lugt, tauchen Lügen oder Verschwörungstheorien zum Coronavirus auf Twitter auf – und wie auf dem Jahrmarkt versucht das Unternehmen, dieses zu verhindern, respektive die Tweets als Falschmeldung zu kennzeichnen.

Die allermeisten Social-Media-Plattformen, auch die von Google und Facebook, tun das mittlerweile – mit bescheidenem Erfolg. Aber die Corona-Falschmeldungen scheinen sich fast noch schneller zu verbreiten als das Virus selbst.

Besonders in Deutschland löst das bei Verschwörungstheoretikern meist diesen Reflex aus: „Die haben uns das eingebrockt, die sollen das auch lösen.“ Das ist legitim, auch wenn derartige Behauptungen uns wegen der Dummheit der Aussagen das Fürchten lehrt.

Dennoch dürfen wir nicht der Vorstellung verfallen, ein Internet schaffen zu können, auf dem ausschliesslich die Wahrheit gesagt wird. Das Internet mit seinen Social-Media-Plattformen hat fast alle Menschen befähigt, sich unvermittelt zu allen Themen zu äußern. Und viele nutzen diese neue Freiheit mit Gusto, pflegen Beziehungen, finden neue, haben Zugang zu Informationen in einem nie zuvor gekannten Ausmaß – und einige verbreiten unwissentlich oder böswillig Lügen.

Dieser Geist lässt sich nie mehr in die Flasche zurückstopfen. Sogar China, das mit aller Gewalt und immensem Aufwand versucht, Fake News zu unterdrücken, schafft es nicht. Die Idee, dass man nur genügend Faktenprüfer anstellen muss, ist absurd, denn es werden täglich Abermilliarden Inhalte gepostet, auf unzähligen Plattformen (nicht nur den großen). Und die komplexe Frage, ob etwas wahr oder falsch ist, kann nicht von Billigarbeitern z. B. auf den Philippinen in Sekunden entschieden werden.

Dass die großen Social-Media-Plattformen diesbezüglich dennoch eine Verantwortung haben, erkennen sie mittlerweile selber an, wenn auch zähneknirschend und etwas widerwillig. Doch es wäre staatspolitisch bedenklich, ihnen die Entscheidungsgewalt über die Wahrheit von Meldungen oder Nachrichten zu delegieren.

Stattdessen müssen sie das tun, was sie bereits jetzt tun und am besten können: die digitale Müllabfuhr spielen. Also beispielsweise verhindern, dass Roboter-Identitäten vollautomatisch posten, sharen und liken und so falsche Popularität vorgaukeln. Oder sie müssen mit technischen Massnahmen Verbreitungsgeschwindigkeit und Reichweite einschränken.

Außerdem muss ein Umdenken stattfinden bezüglich der Anreize, welche die Plattformen setzen. Solange Likes, Shares und Engagement die wichtigste Währung bleiben, werden sich übertriebene, überemotionale oder schlicht erlogene Inhalte auch weiterhin leicht verbreiten.

Zumindest vereinzelte Äußerungen diesbezüglich aus dem Silicon Valley lassen hoffen, dass sich die Zauberlehrlinge zumindest Gedanken machen, wie sie ihre Besen wieder in den Griff kriegen könnten.

Doch trotz all dem wird es im Internet auch in Zukunft jede Menge Falsches zu lesen geben. Statt naiv zu hoffen, diese Viren ein für alle Mal ausrotten zu können, müssen wir uns überlegen, wie wir unsere freien Demokratien impfen und stärken, um nicht gleich bei jeder Verschwörungstheorie umzufallen.

von

Günter Schwarz – 13.05.2020