Anstatt diplomatisch ausgleichend auf die US-Bürger einzuwirken, um die Proteste gegen den zweifellos stark vorhandenen Rassismus in der weißen Bevölkerung vorzugehen und zu vermitteln, schürt der US-Präsident Donald Trump noch die Unruhen in den USA und kündigte jetzt an, Demonstrationen notfalls mit militärischer Gewalt stoppen zu wollen.

Begleitet von Protesten und chaotischen Szenen vor dem Weißen Haus kündigte Trump dafür am Montagabend (Ortszeit) die Mobilisierung aller verfügbaren zivilen und militärischen Kräfte seiner Regierung an. Aus New York meldete der US-Nachrichtensender CNN in der Nacht zum Dienstag erneut Plünderungen – trotz einer Ausgangssperre.

Trump sagte bei seiner Ansprache im Rosengarten des Weißen Hauses: „Wir beenden die Unruhen und die Gesetzlosigkeit, die sich in unserem Land ausgebreitet haben.“ Und er fügte hinzu, wozu er laut der amerikanischen Verfassung gar nicht befugt ist: „Wenn eine Stadt oder ein Bundesstaat sich weigern, Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, um das Leben und den Besitz ihrer Bürger zu schützen, dann werde ich das Militär der Vereinigten Staaten einsetzen und das Problem schnell für sie lösen.“ Gemäß der Verfassung kann und darf der Präsident das Militär nur in den Bundesstaaten einsetzen, wenn er von den Gouverneuren darum gebeten wird – von sich aus über den Militäreinsatz zu entscheiden, ist illegal – was, wie zu befürchten ist, den „geistig völlig verwirrten“ US-Präsidenten allerdings kaum abzuhalten vermag, auf sein Volk schießen zu lassen.

In Philadelphia haben Polizisten Schlagstöcke dabei.

Seit Tagen kommt es in Washington, New York und in anderen US-Metropolen zu Demonstrationen gegen Polizeigewalt, Rassismus und soziale Ungerechtigkeit. Auslöser der Proteste ist der Tod des Afroamerikaners George Floyd nach einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota. In vielen US-Metropolen sind die zumeist friedlichen Demonstrationen in Ausschreitungen und Plünderungen ausgeartet, die von politisch links- oder rechtsradikal stehenden Bürgern sowie ganz „normalen Kriminellen“ genutzt werden, um Plünderungen und Brandstiftungen zu begehen. Mehr als 40 Städte im Land haben nächtliche Ausgangssperren verhängt.

Während Trumps Auftritt im Rosengarten drängten Sicherheitskräfte der Polizei, der Militärpolizei und der Nationalgarde friedliche Demonstranten vor dem Weißen Haus unter anderem mit Gummigeschossen und Tränengas gewaltsam zurück, wie ein dpa-Reporter berichtete. Auch die Militärpolizei wurde gegen Demonstranten eingesetzt. Geschäfte, Restaurants und Hotels in der Umgebung hatten ihre Schaufenster verbarrikadiert.

Nicht nur in Washington, auch in anderen Metropolen wie New York, Los Angeles, Atlanta, Philadelphia, Dallas, Oakland und Louisville dauerten die Proteste am Montagabend an. Trump hat demokratische Gouverneure und Bürgermeister mehrfach aufgefordert, härter gegen Randalierer durchzugreifen, und ihnen Schwäche vorgeworfen.

Am Montagabend forderte der Republikaner die Gouverneure erneut dazu auf, ausreichend Kräfte der Nationalgarde einzusetzen, um die Straßen wieder unter Kontrolle zu bringen. Trump drohte Unruhestiftern mit harten Konsequenzen. Er warnte „die Organisatoren des Terrors“, ihnen drohten „lange Gefängnisstrafen“.

Demokratische Gouverneure wiesen Trumps Vorstoß empört zurück. Der Gouverneur des Bundesstaats New York, Andrew Cuomo, nannte es „beschämend“, dass Trump das Militär gegen US-Amerikaner einsetzen wolle. Der Gouverneur des Bundesstaats Illinois, J. B. Pritzker, sagte dem Sender CNN, der Präsident habe keine rechtliche Grundlage, um das US-Militär in Bundesstaaten zu entsenden. Seine Kollegin Gretchen Whitmer, Gouverneurin des Bundesstaats Michigan, sagte, Trump könne das Militär nicht ohne ihre Zustimmung einsetzen. Whitmer nannte Trumps Aussagen „gefährlich und erschütternd“.

Die Anführer der Demokraten im Repräsentantenhaus und im Senat, Nancy Pelosi und Chuck Schumer, kritisierten, der Republikaner Trump heize Zwietracht und Gewalt im Land weiter an. In einer gemeinsamen Erklärung Pelosis und Schumers hieß es: „In einer Zeit, in der unser Land nach Einigung ruft, zerreißt es dieser Präsident in Stücke.“

Der Fall George Floyd

  • Anwälte der Familie von George Floyd legten am Montag einen Autopsiebericht vor, der vorläufigen Erkenntnissen der Behörden widerspricht und der die Polizei schwer belastet. Unabhängige Gerichtsmediziner seien zu der Erkenntnis gekommen, dass Floyd bei dem brutalen Polizeieinsatz am Montag vergangener Woche in Minneapolis erstickt sei, teilte Anwalt Ben Crump mit.
  • Der von den Anwälten mit Floyds Autopsie betraute Mediziner Michael Baden sagte: „Die Autopsie hat gezeigt, dass es keine Vorerkrankung gab, die zu seinem Tod geführt oder dazu beigetragen hat.“ Der offizielle Gerichtsmediziner hatte zuvor auf Grundlage vorläufiger Erkenntnisse Vorerkrankungen für Floyds Tod mitverantwortlich gemacht. Er ging davon aus, dass der 46-Jährige nicht erstickte.
  • Bei dem Polizeieinsatz hatte einer von vier beteiligten Beamten Floyd fast neun Minuten lang sein Knie in den Nacken gedrückt. Alle Bitten des Afroamerikaners, ihn atmen zu lassen, ignorierte er.
  • Die vier Polizisten wurden entlassen. Der weiße Ex-Polizist, der Floyd sein Knie in den Nacken drückte, wird wegen Mordes angeklagt und ist in Untersuchungshaft. In der Mitteilung der Anwälte hieß es, auch zwei weitere an dem Einsatz beteiligte Polizisten hätten zu Floyds Tod beigetragen, indem sie Druck auf dessen Rücken ausgeübt hätten. Der vierte Beteiligte sei ebenfalls haftbar, weil er nicht eingeschritten sei.

von

Günter Schwarz – 02.06.2020