Heute, am 10. Juli genau vor 100 Jahren, ritt Kong Christian X. aus, um eine mythische Geschichte zu schaffen. Sein Plan dabei war, die Existenz und den Fortbestand des Königshauses zu retten.

Schreie hallten zwischen den Palästen und rund um den Schlossplatz von Amalienborg. Es waren Rufe des Unmuts aus der Bevölkerung. „Nieder mit Christian! Republik, Republik!“ ertönte es aus der Menge auf dem Platz, während Kong Christian X. mit zunehmender Besorgnis diese Unmutsbekundungen hinter den Schlossmauern hörte.

Das Risiko, dass eine Revolution über Dänemark hereinbrechen würde, stand unmittelbar bevor, und der Monarch riskierte, im Exil zu landen oder noch schlimmeres.

Wenn jemand den Leuten auf dem Schlossgelände damals gesagt hätte, dass der König drei Monate später einen Kultstatus in der Bevölkerung erreichen würde, hätten sie es kaum geglaubt. Es war zu Ostern 1920, und draußen auf dem Schlossgelände waren die Leute wütend, dass König Christian X. die Regierung der Partei Det Radikale Venstre unter Statsminster Carl Theodor Zahle am 30. März 1920 entlassen hatte. Er war nicht der große Demokrat – zumindest nicht, wenn es darum ging, was die Grenzfrage und damit die Grenzziehung des Königreichs zum deutschen Reich anbelangte.

Und genau darum ging es im Streit mit der Regierung. Nach der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg hatte es in den Gebieten, die Dänemark während des Krieges von 1864 verloren hatte, ein in zwei Zonen am 10. Februar und am 14 März 1920 ein Referendum gegeben. Die Menschen konnten wählen, ob sie zu Dänemark oder Deutschland gehören wollten, und die Grenzziehung erfolgte daraufhin auf einer Linie nördlich von Flensburg und südlich von Tønder. Und dem König war das Ergebnis des Referendums egal.

Das Abstimmungsergebnis 1920. Die roten Bereiche hatten eine dänische Mehrheit, die blauen würden lieber zu Deutschland gehören. Die Grenze wurde durch die schwarze Linie gezeichnet. Foto: Rigsarkivet

Das Mädchen Johanne hatte eine Dannebrogsflagge in der einen Hand und in der anderen einen Korb mit zwei Rosen – eine rote und eine weiße. Ihr weißes Kleid war mit roten Bändern geschmückt, und als der König das Mädchen sah, wollte er sie auf sein Pferd nehmen und sie umarmen.

Er konnte nicht wissen, dass das Mädchen Johanne ein Adoptivkind mit schmutzigen Socken war, dass ihre Mutter sich früher am Tag schon über sie geärgert hatte. Der König griff nach der kleinen Hand mit den Rosen. „Darf ich sie auf das Pferd nehmen?“ fragte der König die Mutter des Mädchens. Diese war noch verärgert und antwortete nicht, aber dann fragte er erneut: „Darf ich?“ Die Mutter konnte Tränen auf der Wange des Königs sehen.

Das Gesicht von König Christian X. in dem Moment, als er die alte Grenze überquerte. Bald darauf nahm er Johanne Braren zu sich aufs Pferd hinauf. Foto: Det Kongelige Bibliotek

„Ja, danke“, sagte sie. Und dann hob der König das weiß gekleidete Mädchen mit den Blumen auf seinen Sattel hoch und küsste sie. „Willst du nach København?“ fragte der König. „Nein, ich möchte bei meiner Mutter bleiben“, antwortete das neunjährige Mädchen, aber der König war bereits auf dem weißen Pferd mit ihr weiter geritten.

Johanne Braren gefiel es nicht, dass der König sie aufs Pferd nahm. Foto: Det Kongelige Bibliotek

Die Details des neunjährigen Mädchens Johanne Braren sind bekannt, weil ihre Mutter Elisabeth Braren die Ereignisse anschließend in einem Heft niedergeschrieben hat. Teile des Inhalts können bei der Grænseforeningen (Grenzverein) gelesen werden.

Oben auf dem Pferd legte das Mädchen den Arm um den Hals des Königs, während ihre Mutter versuchte, ihr durch die Menschenmenge zu folgen. Die neunjährige Johanne wollte anfangen zu weinen, aber der König bemerkte es nicht.

„Als das kleine Wesen seinen Arm um meinen Hals legte, hatte ich das Gefühl, Sønderjylland (Südjütland) in meine Arme genommen zu haben“, schrieb er anschließend in sein Tagebuch.

Welche Gedanken der König sich machte, als er das kleine Mädchen in der Menge sah, weiß niemand mehr, aber das Bild von ihr passt hervorragend zu einem berühmten Gedicht über Sønderjylland: „Det klinger som et eventyr, et sagn fra gamle dage; en røvet datter, dybt begrædt, er kommet frelst tilbage!“ (Es klingt wie ein Abenteuer, eine Legende aus alten Zeiten; Eine ausgeraubte Tochter, tief betrauert, ist zurückgekommen!)

Das Gedicht wurde von Henrik Pontoppidan nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg 1918 geschrieben, bevor irgendjemand mit Sicherheit wusste, dass Sønderjylland für die Rückkehr nach Dänemark stimmen würde.

Pontoppidans Gedicht wurde auf Plakaten verwendet, um die Menschen in Sønderjylland davon zu überzeugen, Dänisch zu wählen. Das Plakat hier ist vom 08. März 1920 gedruckt. Foto: Det Kongelige Bibliotek

Pontopidans Vorhersage war nicht die einzige Prophezeiung, die der König an diesem Tag erfüllte. Die zweite Prophezeiung war viel älter und etwas mysteriöser, und sie hat einen langen Weg zurückgelegt, um sich zu erfüllen.

Laut dem Historiker René Rasmussen vom Museum auf Slot Sønderborg passte die Prophezeiung perfekt, um den Monarchen in ein ganz neues Licht zu rücken. „Durch die Inszenierung einer Prophezeiung hat der König ein historisches Ereignis fast auf mythologische Höhen gebracht“, erzählt er.

BILD: Wiederveinigung1-h – Johanne Braren mit dem König auf dem Pferd. Foto: Det Kongelige Bibliotek

Um diese Prophezeiung zu verstehen, müssen wir über 200 Jahre in der Zeit zurückgehen – zurück in das Jahr um 1805, als ein weiteres kleines Mädchen in Aabenraa eine Rolle spielte. Ihr Name war Franziska Caroline Elise Enge, und es gab (und gibt) Gerüchte in der Stadt, dass sie einer edlen Linie angehörte, vielleicht sogar ein Kind des Kronprinzen, später Kong Christian VIII., war. Tatsächlich war sie jedoch wahrscheinlich die uneheliche Tochter einer Magd aus Mecklenburg in Deutschland und eines Försters aus derselben Gegend.

Das Mädchen erhielt eine Arbeit als Näherin, und als sie begann, ihre Traumvision von der Zukunft zu bekommen, wurde sie umso geheimnisvoller und rätselhafter. Die weissagende Frau wurde von den Bürgern in Aabenraa Jomfru Fanny (Jungfrau Fanny) genannt, und sie sagte voraus, ob Kinder hell oder dunkelhaarig werden würden, wenn neue Häuser in der Stadt gebaut wurden.

Es gibt keine Bilder von Fanny Enge, aber ein Teil ihrer Handarbeit ist in Aabenraa erhalten und ausgestellt.

1849 wurde sie berühmt, weil „Fyens Avis“ einen Artikel veröffentlichte, der besagte, dass sie bereits 1837 mit dem Ausbruch des Dreijährigen Kriege gerechnet hatte. Sie sagte auch voraus, dass alles mit einem dänischen Sieg enden würde. Dies geschah im Mai 1849 – also vor den entscheidenden Schlachten bei Fredericia und Isted, wo die Dänen siegten.

Der Artikel über ihre Vorhersagen wurde auch in København veröffentlicht. Die Veröffentlichungen waren in den wöchentlichen Magazinen jener Zeit, und daher verbreitete sich die Geschichte weit und breit. Die Soldaten sprachen also bereits schon vor der Schlacht von Fredericia von der Weissagung. Zum Beispiel schrieb der Soldat Ole Andreassen, der acht Tage später in Fredericia tödlich verwundet wurde, so an seinen Schwager: „Ich weiß nicht, ob Du von der seltsamen Wahrsagerei gehört hast, die das Mädchen Fanny in Aabenraa vorausgesagt hat, die passieren muss und teilweise passiert ist. Es geht um den Krieg und den Ausgang des Krieges, der sehr gut sein muss.“

Und als Dänemark 1850 den Ersten Schleswig-Holsteinischen Krieg gewonnen hatte, hatte sich Jomfru Fanny wirklich einen Namen gemacht.

Der Dreijährige Krieg dauerte von 1848 bis 1850. Auf diesem Druck sehen Sie den tapferen dänischen Soldaten, der einen deutsch gesinnten Rebellen tötet. Foto: Det Kongelige Bibliotek

Sie sagte voraus, dass es einen weiteren Krieg geben würde, den Dänemark verlieren würde, und nach der großen dänischen Niederlage bei Dybbøl im Jahr 1864 kam Jomfru Fanny mit beruhigenden Worten zum Apotheker in Aabenraa.

Die Prophetin sagte voraus, dass es 1870 einen Krieg geben würde, wie er noch nie zuvor gesehen worden war, und nach einer großen Schlacht außerhalb von Aabenraa würde Dänemark das verlorene Land zurückerobern. „Der König von Dänemark wird auf einem weißen Pferd reiten, das auf den Straßen voller Blut watet“, heißt es in dem Bericht des Apothekers über die Prophezeiung.

Zwar gab es 1870 einen großen Krieg zwischen Frankreich und Preußen, aber der Rest passte nicht. Jomfru Fanny vergaß jedoch nicht die Traumvision und kam kurz vor ihrem Tod im Jahr 1881 mit einer weiteren Weissagung.

Kong Christian X. triff in Sønderjylland ein. Foto: Det Kongelige Bibliotek

„Es wird nicht Christian IX. sein, der als dänischer König hierher kommt. Der König, der hierher kommt, ist ein Mann in seinem besten Alter, weder alt noch jung. Er reitet auf einem weißen Pferd. Die Bauern werden ihre Pferde mit Bauernrosen schmücken, und es wird eine Vielzahl von Menschen geben, die ihn willkommen heißen“, sagte ihre Weissagung.

Auch die Sønderjyderne (Südjüten) haben die Prophezeiung nicht vergessen, und es war wahrscheinlich der sønderjyske (südjütländische) Folketingabgeordnete H.P. Hanssen aus Aabenraa, der dafür sorgte, dass sie wahr gemacht wurde. Das erzählt eine Geschichte von Professor Hans Schultz Hansen, der ein Buch über H.P. Hanssen schrieb.

Die Menschen, die sich der Prophezeiung von Jomfru Fanny angeschlossen haben, wurden in den einfachen Teilen der Bevölkerung oft geglaubt. H. P. Hanssen glaubte selbst kaum an die Vorhersage, aber er sah darin wahrscheinlich eine Gelegenheit, die Bürger zu erreichen, die nicht eine höhere Schulbildung hatten.

Hans Schultz Hansen sagt, es sei wahrscheinlich H.P. Hanssen gewesen, der dem Hof einen Hinweis gab, dass der König ein weißes Pferd benutzen sollte. Der Abgeordnete hat nichts schriftlich über die Weissagung hinterlassen, aber laut Hans Schultz Hansen gibt es viele Anzeichen dafür, dass er seine Finger im Spiel hatte.

Und als Kong Christian X. über die alte Grenze ritt, gab es tatsächlich eine Vielzahl von Menschen an der alten Grenze, die eine Prophezeiung als erfüllt ansahen.

Der Korrespondent von der Zeitung „Berlingske Tidende“, Robert Ludvigsen, stand selbst in der Menge und wartete auf den König. „Bereits um vier oder fünf Uhr morgens strömten Menschen aus dem Norden und dem Süden zur alten Grenze bei Frederikshøj, um auf den historischen Moment zu warten, in dem die alte Legende vom König auf dem weißen Pferd wahr werden sollte“, schrieb er.

Aber für Elisabeth Braren, die versuchte, ihrer Tochter auf dem Pferd des Königs zu folgen, war die große Menschenmenge ein Problem. Sie konnte sehen, dass Johanne auf dem Pferd unglücklich war und versuchte, sich durch die Menge zu kämpfen. Es gelang ihr dennoch, einen Weg zu finden, auf dem sie dem Pferd des Königs nachlaufen konnte.

Aber plötzlich wurde sie von drei Polizisten angerufen und festgehalten. Jetzt musste sich die besorgte Mutter der Macht der Obrigkeit erklären, während der König mit ihrer Tochter auf der Straße davonritt. Aber tatsächlich war es überhaupt nicht das Pferd des Königs, dem sie nachgelaufen war.

Das weiße Pferd des Königs „Malgré Tout“. Foto: Det Kongelige Bibliotek

1920 gab es in den königlichen Ställen keine weißen Pferde, und wenn sich Jomfru Fannys Prophezeiung erfüllen sollte, musste das Pferd weiß sein. Bereits im Herbst 1919 hatte sich der Hofstaat an Gutsbesitzer gewandt, um ein völlig weißes Pferd zu finden. Diese Arten von Pferden sind selten, aber Graf Knud Danneskiold-Samsøe aus Visborggård bei Hadsund hatte kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 in Paris einen Schimmel gekauft.

Das Pferd hieß „Malgré Tout“ – oder auf dänisch „Trods Alt“ (Trotz Allem) – und wurde mehrere Monate lang trainiert, damit es nicht in großen Menschenmengen in Panik geriet.

Der „Politikens“ Journalist befand sich auf der dänischen Seite der alten Grenze, als der König sich auf das Pferd setzte.

„Das Reitpferd hielt es stand, aber es hatte seit Neujahr keine ruhige Stunde mehr, als es mit der Vorbereitung auf die Genforening (Wiedervereinigung) vertraut gemacht wurde. Er musste sich an Musik gewöhnen, an Fahnen und Jubel und an die unkalkulierbaren Launen der Menge“, hieß es später in der Zeitung.

Und laut der Zeitung hat das Tier den Test mit Bravour bestanden. „So leicht wie ein Reh, geschmeidig schritt es ruhig voran, und die Muskeln wirkten wie die eines Tänzers“, las man tags darauf in der Zeitung.

Die Farbe des Pferdes war zunächst kein Thema, diskutiert zu werden, aber es dauerte nicht lange, bis überraschende Gerüchte aufkamen. Der jüngste Sohn von Kong Christian X., Prinz Knud, hatte etwas Weißes an der Hose, als er sich dem Pferd näherte, und daraufhin begann das Gerücht, dass das Tier weiß getüncht worden war, damit Jonfru Fannys Vorhersage eintreten und in Erfüllung gehen konnte.

Wie sein Bruder Kronprinz Frederik ritt auch Prinz Knud in der Prozession – die beiden Prinzen sind hinter dem König unten zu sehen.

Die Frage nach der wahren Farbe des Pferdes wird seit 1920 diskutiert, und laut Jens Lei Wendel-Hansen, der die Geschichte und die Gerüchte über die Farbe des Pferdes untersucht hat, hat Prinz Knud möglicherweise weißen Staub auf seiner Hose gehabt. Er sagt, dass das Pferd wahrscheinlich mit Limette grwaschen wurde, um gelbe Verfärbungen aus dem Urin auch am Bauch zu entfernen, aber dass das Tier weiß und damit ein Schimmel war. „Es war sehr, sehr, sehr wichtig, ein weißes Pferd zu finden. Es musste auch eines sein, das völlig weiß auftrat und daher auch gründlich gereinigt werden musste“, sagt Jens Lei Wendel-Hansen.

Nicht viel wurde dem Zufall überlassen, denn dieses war ein sehr emotionaler Tag für alle Dänen. Der Tag war derartig emotional, dass er Menschenleben kostete. Der erste Tod ereignete sich ungefähr zur gleichen Zeit, als dieses Foto aufgenommen wurde.

Während Johanne Braren mit dem König aufsaß, machte ein älterer Herr seinen letzten Atemzug etwas weiter die Straße hinunter. Sein siebenjähriger Enkel sah zu, wie es passierte. Der Mann, Hans Jørgen Bylling, war umgefallen, als die Leute „Der König kommt“ gerufen hatten, und der Enkel, auch Hans Jørgen Bylling genannt, sah noch den Gehstock seines Großvaters in die Luft fliegen, als der alte Mann rückwärts umfiel. Der sterbende Großvater wurde in die Høkkelbjerg-Schule gebracht, wo er auf einem Tisch sein Leben aushauchte, erzählt Hans Jørgen Byllings, der Urenkel von Hans Erik Bylling. Der kleine Junge erinnerte sich für den Rest seines Lebens, wie sein Großvater vor „Freude starb“.

Während sich die tragische Situation im Schulzimmer abspielte, kam Johanne Brarens Mutter von der Polizei wieder frei und erreichte den Ort, wo sich das Pferd des Königs und seine Majestät sich aufhalten musste. „Darf ich sie behalten?“ fragte der König.

Der Moment, in dem Johanne mit ihrer Mutter wiedervereinigt wird. Foto: Det Kongelige Bibliotek

Elisabeth Braren antwortete nicht. Sie schrieb später, dass sie es nicht wagen wollte, ihre Tochter mehr auszusetzen. „Als ich zu ihrem Gesicht aufblickte, machte es mir einen Schrecken darüber, was meine Antwort bewirken würde“, schrieb Elisabeth Braren in ihrem Heft später über die Episode.

Sie hob ihre Tochter vom Pferd herunter und verzog sich mit dem Mädchen in einen Graben in Sicherheit. „Dort bekam sie einen kleinen Nervenzusammenbruch, der sich in klagenden Tönen äußerte. Ich beruhigte sie, setzte ihr ihren Hut auf und leise gingen wir dem ganzen Schwarm von Menschen nach“, schrieb Elisabeth Braren.

Kurz darauf verlor ein anderer Mann sein Leben. Sein Tod ereilte ihn nach dem Händedruck des Königs.

Nach seinem Ritt durch Christiansfeld stieg der König vor der Tyrstrup-Kirche vom Pferd, wo er an einem kurzen Essen teilnehmen sollte.

König Christian X. auf dem Weg in die Tyrstrup-Kirche, während sønderjyske Mädchen Blumen streuten. Foto: Det Kongelige Bibliotek

Als der König aus der Kirche kam, begrüßte er die Kriegsveteranen, die während des Krieges 1864 im Feld gestanden hatten.

Einer der Veteranen war der 82-jährige Tischlermeister Peter Wandt aus Bjerndrup, und für ihn war der Moment so bewegt, dass er umfiel und an der Kirchenmauer starb, schrieb der Korrespondent von „Berlingske Tidende“.

Nach der Zeremonie in der Tyrstrup-Kirche fuhr seine Majestät mit dem Auto weiter in Richtung Haderslev. Etwas außerhalb der Stadt musste der König wieder reiten, und hier wechselte er das Pferd. Der Schimmel hatte die Prophezeiung erfüllt, also wechselte der König wieder zu einem seiner eigenen Pferde.

Das Pferd scheute ein wenig, als er aufsteigen wollte, aber König Christian X., ein erfahrener Reiter, ließ das Pferd nicht entscheiden, also schwang er sich trotzdem auf. Aber dann sprang das Tier trotzdem zur Seite und warf einen der umstehenden Helfer um. Der Säbel des Königs wurde zwischen Beinen und Pferd eingeklemmt, und dann fiel auch die Majestät zu Boden.

Auf diese Weise erfüllte Kong Christian X. möglicherweise eine andere Prophezeiung – zumindest wenn man Robert Ludvigsen von der „Berlingske Tidende“ glauben soll. Der Korrespondent schrieb, dass ein älterer Herr den Sturz des Königs vom Pferd beobachtet hatte und sagte: „Es gibt eine alte Legende, die besagt, dass ein dänischer König eines Tages das Land Sønderjylland küssen wird.“ Und mit Tränen in den Augen fuhr er fort: „Dann wurde auch diese alte Legende wahr. Es war so wunderbar.“

Der König ritt dann auf einem anderen Pferd nach Haderslev, aber schon bald konnte er nicht mehr. Auf dem Rest der Reise durch Sønderjylland war er durch den Sturz so von Schmerzen geplagt, dass die Weiterreise mit dem Auto stattfinden musste.

Aber der Mythos war geboren, und die Osterkrise wurde praktisch vergessen, und die Bilder des Königs auf dem weißen Pferd wurden zu einer nationalen Ikone.

Und der König vergaß das Mädchen Johanne Braren auch nicht. Er schickte ihr ein gerahmtes Bild von dem Ritt auf dem Pferd, lud sie zu Veranstaltungen ein, als er Sønderjylland besuchte, und überreichte ihr Geschenke, als später heiratete.

Aber das kleine Mädchen auf dem Pferd des Königs bekam kein Leben, das dem ikonischen Bild des Malers Hans Nikolaj Hansen auf Schloss Frederiksborg entsprechen könnte.

„Es war eine großartige Erfahrung für meine Mutter, aber das Leben hat für sie als Erwachsene nicht viel gebracht und ihr Leben nicht groß verändert“, sagt ihre Tochter Eli Fredskilde. Ein Großteil von Johanne Brarens Leben war mit harter Arbeit verbunden. Erst war sie selbständige Bäckerin in Vejle, aber der Laden lief nicht. 1945 ließ sie sich nach zehnjähriger Ehe scheiden, und als sie 1947 wieder eine Liebe fand, dauerte es nur sechs Jahre, bis sie Witwe wurde. Sie hieß dann Johanne Herlak und blieb allein mit zwei kleinen Mädchen zurück, die sie durch ihre Arbeit als Köchin großziehen musste. Sie starb 1999 in Aarhus und wurde 87 Jahre alt.

Johanne Herlak als 84-jährige 1995


Das weiße Pferd „Malgré Tout“ lebte nicht mehr lange, nachdem es den König über die alte Grenze getragen hatte. Es wurde krank und musste 1921 getötet werden. Der Huf des Pferdes, der sich angeblich zuerst über die alte Grenze schritt, wurde versilbert und beschriftet: „Ich trug den König über die Grenze – als Sønderjylland wieder dänisch wurde.“


Kong Christian X. blieb nach seiner Reise nach Sønderjylland überwiegend an seinem Schreibtisch auf Schloss Amalienborg. Demonstranten forderten seitdem nie wieder seine Abdankung. „Die Wiedervereinigung war für den König eine wahnsinnig wirksame Propaganda, und in der Zeit hat die Monarchie eine völlig neue Rolle bekommen“, sagt der Historiker René Rasmussen.

Der Monarch wurde nun zu einer Figur, die die gesamte Bevölkerung hinter sich versammeln konnte, und der König mischte sich nie wieder in die Politik ein.

Am Ende kann man sagen, er fiel nur vom Pferd – und nicht vom Thron.

von

Günter Schwarz – 10.07.2020

Fotos: Det Kongelige Bibliotek und Rigsarkivet