Havarie: Frachter fuhr ohne Lotsen in die Schleuse
(Kiel) – Die Havarie am Samstagmorgen in Kiel-Holtenau, bei der der Frachter „Else“ in Kiel das Schleusentor der Nordkammer bei einem Unfall beschädigt hatte, wirft bisher noch viele Fragen auf. Das Frachtschiff, das eigentlich auf dem Weg nach Frankreich war, fuhr gegen fünf Uhr von See aus in das geschlossene Schleusentor zum Nord-Ostsee-Kanal (NOK).
Normalerweise liegen Schiffe in einem Bereich rund 800 Meter vor der Schleusenkammer auf Reede. Erst nachdem ein Lotse an Bord kommt, geht die Fahrt weiter. Das ist dieses Mal nach den Worten des Ältermannes der Kieler Lotsenvereinigung jedoch nicht passiert, obwohl ein Lotse bestellt war. Statt zu warten und den Mann aufzunehmen, sei das rund 3.800 Tonnen schwere Schiff weitergefahren, so der Ältermann. Fast ungebremst bohrte sich der rund 88 Meter lange Frachter in die Stahlkonstruktion. Erst nach sechs Stunden und mit Hilfe von zwei Schleppern konnte das leck geschlagene Schiff befreit und zu einer nahegelegenen Werft gebracht werden.
Das Schleusentor ist nach Angaben von Detlef Wittmüß, Leiter des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes (WSA) Kiel-Holtenau, nicht mehr zu gebrauchen. Unklar ist, wie schwer der Schaden am Ende ist. „Es werden Taucher eingesetzt, die den Schaden unterhalb der Wasserlinie erst einmal begutachten werden“, sagte Wittmüß. Er wolle so schnell wie möglich wieder den Betrieb herstellen. Denn bis auf weiteres ist die Nordkammer der Schleuse Kiel-Holtenau für den Schiffverkehr gesperrt. Es gibt also nur eine Schleuse, durch die Schiffe in die Ostsee oder von dieser aus in den Kanal gelangen.
Das Problem ist, dass es in Kiel seit einer anderen Havarie vor rund zweieinhalb Jahren kein Ersatztor mehr gibt. Damals fuhr der Frachter „Akacia“ in das Schleusentor. Der Schaden war so schwer, dass die Konstruktion auf einer Kieler Werft für rund 25 Millionen Euro wieder repariert werden muss. Bis es wiedereingesetzt werden kann, möchte die WSA auf das Ersatztor zurückgreifen. Nun will die Behörde prüfen, ob ein weiteres Schleusentor, das sich derzeit ebenfalls noch in Reparatur befindet, schon früher wieder genutzt werden kann.
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NDR / Günter Schwarz – 29.08.2020
Fotos: NDR