Im Wrack eines mehr als 500 Jahre alten königlichen dänischen Schiffswracks in der Ostsee wurde ein zwei Meter langes, gut erhaltenes Exemplar einer heute vom Aussterben bedrohten Fischart, des Westatlantikstörs, gefunden.

Bei archäologischen Ausgrabungen im Jahr 2019 fand man im Wrack des Schiffes ein Fass aus Holz. Es enthüllte die fast intakten und gut erhaltenen Überreste eines Störs, schreiben Archäologen der Universität Lund in Schweden in einem Artikel über den Fund, der jetzt in der Fachzeitschrift „Journal of Archaeological Science“ veröffentlicht wurde.

Der Grund, warum der Stör so gut erhalten war, sind die Bedingungen in der Ostsee. „Das Wrack ist aufgrund der besonderen Bedingungen in der Ostsee in einem guten Zustand. Der niedrige Salzgehalt macht die Bedingungen für Schiffswürmer, auch als Polwürmer bezeichnet, die in den Weltmeeren Holz fressen, ungeeignet. Der Meeresboden an der Fundstelle ist feiner Ton, ideal für die Konservierung von organischem Material, und der niedrige Sauerstoffgehalt trägt weiter zur Konservierung des organischen Materials bei“, sagt Brendan Foley von der Universität Lund laut der britischen Zeitung „The Guardian“.

Brendan Foley, Meeresarchäologe am Institut für Archäologie und Klassische Geschichte der schwedischen Universität, war für die Ausgrabungen des Wracks verantwortlich.

Bei dem königlichen dänischen Schiffswrack handelt es sich um die „Gribshunden“, welches das Flaggschiff des dänischen Kongs Hans, der König von Dänemark (1481–1513), Norwegen (1483–1513) und Schweden (1497–1501 als König Johann II.) sowie Herzog von Schleswig und Holstein war.

Die „Gribshunden“ war 1495 auf dem Weg nach Kalmar in Schweden, um Schweden zur Rückkehr in die Kalmar Union mit Norwegen und Dänemark zu bewegen, die Schweden 1464 verlassen hatte.

In dem natürlichen Hafen vor Ronneby, etwa 100 Kilometer südlich von Kalmar, brach auf dem Schiff ein Feuer aus, woraufhin es sank. Kong Hans war nicht an Bord, aber 150 Besatzungsmitglieder kamen beim Untergang ums Leben.

Das Wrack wurde in den 1970er Jahren gefunden, aber erst 2013 wurde klar, dass die „Gribshunden“ gefunden worden war, und erst 2015 wurde es geborgen. „Es ist ein ganz außergewöhnlicher Fund. Nirgendwo sonst wurde etwas Ähnliches gefunden“, sagte Jakob Seerup, Museumsinspektor im Marinemuseum.

Seit 2015 haben Forscher aus Lund das geborgene Wrack untersucht, und der gut erhaltene, mumifizierte Westatlantikstör wurde letztes Jahr in einem Fass in der Speisekammer von Kong Hans auf dem Schiff gefunden. DNA-Tests haben gezeigt, dass es sich anscheinend um einen Westatlantikstör handelt.

Rune Kristiansen, Kurator am Kattegat Center in Grenaa, hält den Fund für wissenschaftlich sehr interessant. „Dies bestätigen die Studien der letzten drei Jahrzehnte, die gezeigt haben, dass der Westatlantikstör und nicht der europäische Stör in der Ostsee dominierte. Er steht auf der roten Liste der gefährdeten Fische auf der internationalen UICN-Liste“, sagt Rune Kristiansen.

Das Kattegat Center hat nicht einmal ein Exemplar – er ist so selten. Das letzte Mal, dass der Westatlantikstör in Dänemark gefangen wurde, war vor fast 70 Jahren. Das letzte dänische Exemplar wurde in den 1950er Jahren in Skjern Å gefangen. In Frankreich, Polen und Deutschland werden Projekte zur Zucht und Freilassung durchgeführt, um die Fischart zu retten. „Wir müssen versuchen, einen Fisch aus den Ländern zu bekommen, die züchten. Aber auch wenn jemand in Dänemark ein Exemplar fangen sollte, würden wir gerne von ihm hören“, sagt Rune Kristiansen.

Der Fund hat auch unter Historikern eine Kontroverse darüber ausgelöst, warum Kong Hans einen westatlantischen Stör in seiner Speisekammer hatte. Um diesen Streit zu verstehen, muss man wissen, warum der Westatlantikstör jetzt gefährdet ist. „Er wurde überfischt. Es ist ein prestigeträchtiger Fisch. Eine der mit dem Westatlantikstör verwandten Art ist der Beluga-Stör“, sagt Rune Kristiansen. Der Beluga-Stör ist besonders wegen seines Rogens gefragt, der für den berühmten Kaviar verwendet wird.

Die Tatsache, dass der Westatlantikstör in Dänemark ein angesehener Fisch ist, lässt die Forscher der Universität Lund zu dem Schluss kommen, dass Kong Hans und sein Gefolge ihn möglicherweise nach Kalmar gebracht haben, um das schwedische Gegenstück, den schwedischen Gouverneur Sten Sture der Ältere, zu beeindrucken , mit dem man über die Rückkehr Schwedens in die Kalmar Union verhandeln wollte.

„Wir interpretieren den Fisch nicht als Geschenk, sondern als Prestigezeichen für das schwedische Staatsoberhaupt. Es ist eine mögliche Interpretation und die, zu der wir uns mit Blick auf das politische Ziel der Reise am meisten neigen, ist, dass es Teil der Bemühungen von Kong Hans war, die schwedischen Adligen zu beeinflussen, der Nordischen Union wieder beizutreten“, sagt Brendan Foley.

Vivian Etting, leitende Forscherin am Nationalmuseum in København, stimmt dieser Interpretation jedoch nicht zu. Sie hat bisher viele Funde aus der „Gribshunden“ eingehend untersucht. „Wir haben keine Ahnung, warum dieser Fisch an Bord war. Vielleicht wollte der König ihn selbst essen. Es wäre absurd zu glauben, ihn als Teil der Verhandlungen zur Wiederherstellung der Union zu interpretieren“, meint Vivian Etting gegenüber „Videnskab.dk“.

Sie glaubt nicht, dass König Hans das schwedische Staatsoberhaupt in den Verhandlungen mit einem Westatlantikstör beeindrucken musste. „Kong Hans glaubte, einen legitimen Anspruch auf die Union zu haben. Es ist unwahrscheinlich, dass er es für notwendig hielt, das schwedische Staatsoberhaupt mit prestigeträchtigen Objekten zu ködern“, sagt Vivian Etting.

Die „Gribshunden“ erreichte Kalmar nie und nur zwei Jahre nach dem Untergang des königlichen Schiffes gelang es Kong Hans 1497, die Schweden wieder in die Kalmar Union zu bringen. 1523 verließ Schweden schließlich die Union endgültig, als Gustav Vasa zum König von Schweden ernannt wurde.

von

Günter Schwarz – 07.09.2020

Foto: Universität Lund