Deutschland droht, die Genehmigung für Nord Stream 2 zu überdenken. Die dänische Regierungschefin, Statsministerin Mette Frederiksen (Socialdemokraterne), will das Thema erneut diskutieren.

Die Energistyrelsen (Energiebehörde) hat bereits die Genehmigung für den Bau der Nord Stream 2-Gaspipeline in der dänischen Zone südlich von Bornholm erteilt. Aber derzeit wächst augrund der Vergiftung des russischen Oppositionspolitikers Alexei Anatoljewitsch Navalny die internationale Skepsis gegenüber der russischen Gaspipeline.

In Deutschland hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kürzlich erstmals Zweifel an der Zukunft der Gaspipeline auf deutschem Boden geäußert. Die dänische Statsministerin Mette Frederiksen kritisiert ebenfalls die 1.230 Kilometer lange Gasleitung. Sie begrüßt die Tatsache, dass auch Merkel den Bau jetzt kritischer sieht.

„Ich finde es positiv, da ich durchweg gegen Nord Stream 2 war. Ich denke nicht, dass wir von russischem Gas abhängig werden sollten, deshalb denke ich nur, dass es gut ist, wenn wir eine erneute Diskussion darüber führen können“, sagt Mette Frederiksen.

Von deutscher Seite hat Angela Merkel erklärt, dass Deutschland mögliche Sanktionen erörtern wird, wenn Russland keine eingehende Untersuchung des Falles des vergifteten Oppositionspolitikers Alexei Navalny durchführt. Sie könnten dazu führen, dass die Deutschen ihre Unterstützung für die Gaspipeline zurückziehen und den Bau stoppen.

Frage: Was kann die dänische Seite tun? „Wir haben unsere Position tatsächlich sehr deutlich gemacht. In der Situation, in der wir uns jetzt befinden, gibt es in meinen Augen keinen Grund, uns von russischem Gas abhängig zu machen. Ich finde es nur gut, wenn unser Nachbar im Süden nach dem, was passiert ist, eine erneute Diskussion über das Projekt führt“, sagt Mette Frederiksen.

Nord Stream 2 gehört dem russischen Energieunternehmen Gazprom, dem der deutsche Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) als Chef des Verwaltungsrats vorsteht. Der weitaus größte Teil des 9,5-Milliarden-Euro-Projekts wird mit fast 64 Milliarden Kronen(8,6 Mrd. Euro) von westeuropäischen Energieunternehmen finanziert, was nicht zuletzt von dem Putin-Lobbyisten Gerhard Schröder ermöglicht wurde.

Das Projekt besteht aus zwei parallelen, 1.230 Kilometer langen Erdgaspipelines, die aus Wyborg in Russland nach Lubmin in der Nähe von Greifswald führen und durch russische, finnische, schwedische, dänische und deutsche Gewässer verlaufen. Derzeit müssen für die Leitung Nord Stream 2 noch rund 120 Kilometer Pipelines über dem dänischen Festlandsockel verlegt werden.

In der russischen Hauptstadt Moskau haben sich Kreml-Sprecher sowie der russische Außenminister Sergei Lawrow scharf von den Vorwürfen distanziert, der russische Staat sei an einer angeblichen Vergiftung von Navalny beteiligt gewesen. „Versuche, Russland mit dem, was passiert ist, in Kontakt zu bringen, sind für uns inakzeptabel. Das ist absurd. Wir freuen uns auf Ermittlungsergebnisse und Daten aus Deutschland“, sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow.

Der russische Oppositionspolitiker Navalny wird momentan in der Berliner Charité behandelt, wo er unter dem Schutz der Polizei steht. Er kann wieder sprechen, nachdem deutsche Ärzte ihn kürzlich aus einem künstlichen Koma geweckt haben, berichten die Medien „Der Spiegel“ und „Bellingcat“.

Nawalny wurde letzten Monat während eines Fluges von Tomsk in Sibirien nach Moskau schwer krank und rief lauthals um Hilfe. Zuvor hatte er vor seinem Abflug aus Tomsk eine Tasse Tee getrunken, die wahrscheinlich vergiftet war. Nach der durch den Piloten sofort eingeleiteten ungeplanten Zwischenlandung in Omsk wurde Navalny mit Vergiftungserscheinungen zunächst in ein örtliches Krankenhaus gebracht, wo ihm, bevor russische „Sicherheitsbehörden“ eingreifen konnten, ein Gegengift gegen den von den lokalen behandelnden Ärzten vermuteten militärischen Kampfstoff Novitjok verabreicht wurde, was ihm sehr wahrscheinlich das Leben gerettet hat.

Auf vehementes Ersuchen der Familie Navalnys hin wurde die in Omsk eingeleitete Behandlung des Patienten unter ständiger Aufsicht russischer „Sicherheitsdienste“ abgebroch, und er wurde 2 Tage später auch gegen den zunächst vorgenommenen Versuch russischer Behörden, dieses zu verhindern, nach Berlin in die Charité verlegt.

Ein deutsches, speziell für den Krankentransport ausgerüstetes Flugzeug brachte ihn in die Klinik der deutschen Hauptstadt. Hier fanden Ärzte mit Unterstützung eines Bundeswehrlabors letzte Woche heraus, dass Navalny mit dem Kampfstoff Novitjok vergiftet wurde. Es ist ein Nervengift, das vom russischen Geheimdienst während des Kalten Krieges entwickelt wurde und in der Vergangenheit bereits mehrfach gegen Regimekritiker des autokratisch regierenden „Patriarchen“ Vladimir Putin zu Einsatz kam.

Einige Opfer des russischen Präsidenten Vladimir Putin seit seinem Antritt am 09. August 1999:

  • Eduard Markevich, Herausgeber und Verleger von „Novy Reft“, der Lokalzeitung in der Stadt Reftinsky in der Region Swerdlowsk, wurde am 18. September 2001 tot aufgefunden. Er war in den Rücken geschossen worden. Die „Novy Reft“ kritisierte häufig lokale Beamte, und Markevichs Kollegen teilten dem Itar-Tass-Nachrichtendienst mit, dass er vor dem Angriff drohende Telefonanrufe erhalten habe. Es war nicht der erste Angriff auf Markevich, berichtete die Nachrichtenagentur Region-Inform. 1998 brachen zwei unbekannte Angreifer, die nie ermittelt wurden, in seine Wohnung ein und schlugen ihn vor seiner schwangeren Frau schwer.
  • Yuri Shchekochikhin, der damalige stellvertretende Herausgeber der unabhängigen Moskauer „Novaya Gazeta“ starb am 03, Juli 2003 zwölf Tage nach dem Krankenhausaufenthalt in einer Moskauer Klinik. Laut „CPJ“-Interviews und mehreren Presseberichten handelte es sich laut Ärzten um eine akute allergische Reaktion. Die Verwandten und Kollegen von Shchekochikhin glauben, der Journalist sei vergiftet worden, um ihn daran zu hindern, die Wahrheit über einen Korruptionsfall auf hoher Ebene, an dem Beamte des russischen Geheimdienstes (FSB) und der Generalstaatsanwaltschaft beteiligt waren, weiter aufzudecken.
  • Paul Klebnikov, Herausgeber von „Forbes Russia“ und investigativer Reporter, wurde am 09. Juli 2004 niedergeschossen, als er gegen 22:00 Uhr sein Moskauer Büro verließ. Behörden in Moskau beschrieben den Fall als Auftragsmord und sagten, dass er möglicherweise wegen seiner Arbeit getötet worden. Klebnikov, 41, ein US-amerikanischer Journalist russischer Abstammung, wurde mindestens neunmal aus einem vorbeifahrenden Auto erschossen. Klebnikov war der 11. Journalist in Russland, der durch Mord in den vier Jahren nach der Machtübernahme von Präsident Wladimir Puting getötet wurde.
  • Die kremlkritische Journalistin Anna Politkowskaja Politkowskaja war am 7. Oktober 2006 im Treppenhaus ihres Moskauer Wohnhauses erschossen worden. Mörder und Auftraggeber sind bis heute auf freiem Fuß. Politkowskaja hatte die Tschetschenien-Politik des damaligen Präsidenten Vladimir Putin kritisiert und Menschenrechtsverletzungen beim Feldzug russischer Truppen in Tschetschenien angeprangert.
  • Alexander Litvinenko war Agent beim russischen KGB und Kreml-Kritiker. Er trifft sich erst mit drei Russen zum Tee in einem Londoner Hotel. Später kommt Litvinenko mit dem italienischen Kontaktmann Mario Scaramella in einer Sushi-Bar zusammen. Kurz darauf erkrankte Litvinenko an einer Vergiftung und starb im November 2006.
  • Die Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa starb am 15. Juli 2009 nachdem sie vor ihrer Haustür in Grosnyj entführt worden war. Wenige Stunden danach fand man ihre Leiche mit Kugeln in Kopf und Brust. Estemirowa kämpfte für die Menschenrechte, prangerte Entführungen und schwere Verbrechen in der Kaukasusrepublik Tschetschenien an. Dabei hatte sie stets die Kreml-treuen tschetschenischen Machthaber im Nacken.
  • Der Anwalt Sergej Magnitski starb im November 2009 unter nicht geklärten Umständen im russischen Gefängnis. Sergej Magnitski, Jurist des Finanzunternehmens „Hermitage Capital Management“ deckte einen Steuerbetrug in Russland auf, Staatsdiener sollen daran beteiligt gewesen sein. Als er die Tatverdächtigen anzeigt, wird er selbst festgenommen. Ihm und seinem Chef wird ebenfalls Steuerhinterziehung vorgeworfen. Magnitski selbst sitzt fast ein Jahr in Haft, bis er schließlich stirbt.
  • Boris Abramowitsch Beresowski wurde im März 2013 tot in seinem Badezimmer in England aufgefunden. Laut Rechtsmedizinern war die Todesursache nicht eindeutig festzustellen. Beresowski war einst ein Kreml-Insider, wurde aber zu einem erbitterten Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er lebte in Großbritannien im selbst auferlegten Exil.
  • Boris Nemzow war ein scharfer Kritiker Wladimir Putins – und er starb in der Nacht zum 27. Februar 2015 durch vier Schüsse in den Rücken.
  • Der Mord am den in Deutschland asylsuchenden Georgier Selimchan Changoschwili ereignete sich am 23. August 2019 im Kleinen Tiergarten des Berliner Stadtteils Moabit. Dabei wurde Changoschwili mutmaßlich im Auftrag eines russischen Geheimdienstes erschossen, da er kämpfte im Zweiten Tschetschenienkrieg als Kommandeur tschetschenischer Milizen gegen Russland kämpfte und deshalb ab 2002 als Terrorist von russischen Behörden gesucht wurde. Bereit 2009 wurde gegen Changoschwili ein Giftanschlag verübt. Ein russischer Staatsangehöriger, der als Verdächtiger der Todesschüsse gilt, konnte noch in Tatortnähe gestellt und festgenommen werden. Gegen ihn soll der Prozess vor einem Berliner Gericht am 07. Oktober dieses Jahres beginnen.

Diese Liste der während Vladimir Putins Amtszeit (plötzlich und unerwartet) „verstorbenen“ Journalisten und Systemkritiker ist bei Weitem nicht komplett. Eines haben die Verbrechensopfer jedoch alle gemeinsam, denn keines der an ihnen begangenen Verbrechen wurde je von der russischen Miliz (Polizei) oder den ansonsten so „allwissenden“ Geheimdiensten wie beispielsweise dem FSB (Nachfolger des KGB), dessen Direktor VladimirPutin vom 25. Juli 1998 bis 09. August 1999 höchstselbst war, aufgeklärt , und niemand wurde wegen der Schüsse oder Vergiftungen je zur Rechenschaft gezogen. – Joseph Stalin, Adolf Hitler und weitere Diktatoren lassen grüßen!

von

Günter Schwarz – 12.09.2020

Foto: Bornholm Kommune