(Schwesing) – Das KZ-Außenlager im Schwesinger Ortsteil Engelsburg, etwa fünf Kilometer nordöstlich von Husum gelegen, das aus dem ehemaligen Reichsarbeitsdienstlager zum Bau des Flugplatzes Husum-Schwesing von 1938/1939 hervorgegangen ist, bestand nur gut drei Monate, vom 26. September 1944 bis zum 29. Dezember 1944. In dem Außenlager vom Konzentrationslager (KZ) Neuengamme in Hamburg, das als Lager des Reichsarbeitsdienstes mit neun Baracken für 260 Personen konzipiert worden war, wurden bis zu 2.600 KZ-Häftlinge untergebracht.

1987 wurde auf dem ehemaligen Lagergelände eine von dem Bildhauer Ulrich Lindow gestaltete Gedenkstätte für die Opfer nationalsozialistischer Greueltaten errichtet und eingeweiht. Seit 1995 steht das Lagergelände unter Denkmalschutz. Am 28. April 2017 wurde die Gedenkstätte in ihrer heutigen Form neu eröffnet.

Wie das Erstarken rechtsextremistischen Gedankenguts 75 Jahre nach dem Zusammenbruch „Großdeutscher Herrschsucht“ in Deutschland zeigt, könnte leicht in Vergessenheit geraten, was in den drei Monaten des Bestehens das Lagers im Kreis Nordfriesland passiert ist, denn Bilder oder Fotos von dem Transport der 2.600 Häftlinge – hauptsächlich „Politische“ – per Zug und von der Zwangsarbeit genau vor 76 Jahren gibt es keine.

Die Häftlinge sollten für Hitler am Deich nur mit Schaufel und Spaten den „Friesenwall“ – ein Panzergraben von etwa fünf Meter Breite ausheben sowie Gefechtsstellungen und Unterstände bauen – gegen eine mögliche alliierte Invasion in Nordfriesland. Teilweise standen sie den ganzen Tag in kaltem Wasser und Schlamm, wobei sie den Schlägen der Kapos ausgesetzt waren, die sie zur Arbeit antrieben.

Anfangs mussten die KZ-Häftlinge etwa 12 bis 15 km zu Fuß zu den Baustellen zurücklegen. Erst später wurden auch Züge für den Transport zu den Baustellen eingesetzt. Anschließend mussten die Häftlinge von der Bahnstrecke aus durch die Marsch zu den Arbeitsstellen laufen. Auf dem Weg zur Zwangsarbeit und zurück in das Lager durchquerten sie oft auch die Stadt Husum und andere Orte in der Umgebung. Wer in Husum und in anderen Orten der Umgebung lebte, sah die KZ-Häftlinge häufig auf ihren Märschen. Die Bevölkerung verhielt sich ihnen gegenüber sehr unterschiedlich, die Bandbreite reichte vom heimlichen Zustecken von Lebensmitteln bis hin zu Übergriffen auf die Häftlinge.

Um die Gefangenen schneller vom Lager zur rund zwölf Kilometer entfernten Baustelle und zurückzubringen, wurden schließlich Züge eingesetzt, und Aufseher haben die Strafarbeiter in Eisenbahnwaggons gepfercht, 50 Menschen auf 23 Quadratmetern! In der Mitte eines jeden Viehwaggons musste ein ein Meter breiter Gang für den Aufseher frei bleiben. Auch davon gibt es keine Fotos, und auch die Bahnstrecke direkt am Arbeitslager, die von der jetzt nicht mehr bestehenden Bahnstrecke nach Flensburg abging, existiert nicht mehr. Es gibt nur Erinnerungen von den wenigen noch lebenden Überlebenden.

Der Guide in der heutigen Gedenkstätte, Günter Carstens, hat ein Stück vom Gleis der Originaltrasse Neuengamme – Schwesing gefunden und somit eine Möglichkeit gefunden, die Erinnerung wachzuhalten. Das Gleis soll in die KZ-Gedenkstätte verlegt werden.

Günter Carstens ist ein ehemaliger Eisenbahner, dem das Projekt am Herzen liegt, nicht zuletzt weil er kurz nach dem Krieg in der ehemaligen SS-Aufsichtsbaracke im Lager das Licht der Welt erblickte. Seine Eltern, Flüchtlinge aus dem Osten, wurden dorthin umgesiedelt – an den Ort, wo kurz vor seiner Geburt noch viele Menschen durch Zwangsarbeit, minimalistische Verpflegung und unmenschlichen Verhältnisse gestorben sind, und der nach Kriegsende als Flüchtlingslager diente.

Während der Zeit als KZ waren die Häftlingsbaracken unbeheizt, zwei Insassen mussten sich eine Decke teilen und geschlafen wurde auf Strohsäcken, erzählt Carstens.

Bis zur Auflösung des Lagers am 29. Dezember 1944 starben in Husum‐Schwesing mindestens 297 Häftlinge. Viele der Häftlinge aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Jugoslawien, Niederlande, Polen, Sowjetunion, Spanien, Tschechoslowakei und Ungarn erlagen sogar noch nach ihrer Befreiung den Folgen von Hunger, Überarbeitung, Auszehrung, Krankheit und Misshandlung und sahen ihr zu Hause und ihre Familien nie wieder.

„Diese Zeit darf nicht vergessen werden, und es darf nicht vergessen werden, was damals dort passiert ist. Und wir haben dafür Sorge zu tragen, dass so etwas nie wieder geschieht“, sagt Günter Carstens, der hofft, dass das Stück Bahntrasse bereits im nächsten Jahr in der KZ-Gedänkstätte zu sehen sein wird.

von

Günter Schwarz – 26.09.2020

Fotos: Wikipedia