Terroranschlag in Wien – Polizei im Großeinsatz
(Wien) – Bei einer mutmaßlichen Terrorattacke in der Wiener Innenstadt ist laut Polizei ein Täter erschossen worden. Im Bereich einer Synagoge in der Seitenstettengasse in der Nähe des Schwedenplatzes seien mehrere Täter mit Langwaffen unterwegs gewesen. Die Polizei spricht von sechs Tatorten. Es gab mindestens drei Todesopfer. Rettungskräfte sprechen außerdem von 15 Verletzten, davon sieben Schwerverletzte. Der Einsatz ist noch immer im Gang. Die Polizei rief die Bürger dazu auf, öffentliche Plätze zu meiden. Es gibt noch keine Entwarnung.
Nach einem Terroranschlag in der Wiener Innenstadt läuft eine Großfahndung nach weiteren Tätern. Bisher wurde bestätigt, dass an mehreren Tatorten drei Personen getötet wurden und zumindest 15 Menschen teils schwer verletzt wurden. Einer der mutmaßlichen Täter wurde von der Polizei erschossen. Ein Verdächtiger sei festgenommen worden, berichteten die „Kronen Zeitung“ und die Nachrichtenagentur APA übereinstimmend unter Berufung auf das Innenministerium.
Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) appellierte an die Bevölkerung, wenn irgendwie möglich auch am Dienstag zu Hause zu bleiben. Die Schulpflicht für Dienstag ist in Wien ausgesetzt.
Laut Wiener Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl wurde am Dienstag nach 20:00 Uhr per Notruf gemeldet, dass ein Mann mit einer Schrotflinte schießt. Daraufhin wurden die Einsatzkräfte Richtung Seitenstettengasse, nahe einer Synagoge, beordert. Dort kam es zu einem Schusswechsel, „bei dem ein Polizist schwer verletzt wurde“, berichtete Pürstl.
Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, rief die Mitglieder der Gemeinde auf, öffentliche Straßen nicht zu betreten und in geschlossenen Räumen zu bleiben. Ob der Angriff der Synagoge in der Seitenstettengasse gegolten habe, sei noch nicht geklärt, schrieb er auf Twitter.
Bei einem Schusswechsel mit der Polizei wurde ein mutmaßlicher Täter getötet. Er sei sei mit einem automatischen Sturmgewehr, aber auch mit einer Pistole und einer Machete bewaffnet gewesen. Dass der Mann einen Sprengstoffgürtel bzw. eine Attrappe getragen habe, wie mehrfach angegeben, ist bisher nicht bestätigt. Berichten zu Folge gab es mindestens einen weiteren Täter. Die Polizei überprüft derzeit die Identität des Getöteten und in weiterer Folge sein Umfeld.
Zum Zeitpunkt der Tat waren die Straßen sehr belebt – viele Menschen nutzten die lauen Temperaturen des letzten Abends vor dem Lockdown, um noch einmal Fortzugehen. Laut Polizei gab es sechs Tatorte im unmittelbarer Nähe zur Seitenstettengasse – darunter der Morzinplatz, das Salzgries, der Fleischmarkt, der Bauernmarkt und der Graben. Unmittelbar nach den Schüssen war auf Videos zu sehen, wie Passanten in Panik durch die Fußgängerzonen rannten. Nach Angaben von Reportern hoben manche die Arme, um den Polizisten zu zeigen, dass sie unbewaffnet waren.
Die Hintergründe des Anschlags sind noch unklar. Nehammer bestätigte, dass mindestens ein Täter flüchtig sei. Die Sicherheitsbehörden konnten bisher aber nicht ausschließen, dass es mehr als zwei Täter gab und somit noch mehrere Menschen auf der Flucht sind. Der dringende Aufruf, am Dienstag zu Hause zu bleiben gelte daher nicht nur für die Wiener Innenstadt. Schulkinder sollten nach Möglichkeit zu Hause bleiben, für Eltern, denen es nicht möglich ist, ihre Kinder zu betreuen, sind Schulen und Kindergärten aber geöffnet.
Die Wiener Innenstadt wurde laut Innenministerium zur „roten Zone“ erklärt, die nach internationalen Erfahrungen am anfälligsten für weitere Taten sei. Der Großeinsatz der Exekutive läuft weiter. 150 Cobra- sowie 100 WEGA-Beamte wurden in den Einsatz gerufen, dazu kamen mehrere 100 Streifenpolizisten sowie Kräfte in Zivil. Die Gefahrenabwehr werde mit aller Kraft sichergestellt, sagte der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf. Auch werden in Absprache mit den Partnerländern verstärkt Kontrollen an den österreichischen Grenzen vorgenommen.
Die Polizei äußerte die dringende Bitte, Bilder und Video nicht in den Sozialen Netzwerken zu verbreiten, sondern sie der Exekutive zur Verfügung zu stellen. Menschen, die noch in ihren Zufluchtsstätten im ersten Bezirk ausharren, sind laut Harald Sörös, Sprecher des Innenministeriums dazu aufgerufen, sich beim Polizeinotruf zu melden. Die Polizei prüfe dann, ob ein Verlassen der Lokalitäten sicher sei. Es werde weiterhin jedem Ermittlungshinweis nachgegangen, so Sörös. Die Polizei rief auf Twitter dazu auf, Fotos oder Videos des Einsatzes nicht in sozialen Medien zu teilen, sondern sie direkt auf der Polizeiplattform hochzuladen.
Ob die nahe gelegene Synagoge Ziel des Angriffs war, lasse sich noch nicht bestätigen, so eine Sprecherin des Innenministeriums. Ein antisemitischer Anschlag könne nicht ausgeschlossen werden, so Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) rief die Bevölkerung dazu auf, sich Dienstagfrüh über die aktuelle Sicherheitslage zu informieren. Ob die Menschen morgen wieder normal auf die Straße gehen könnten, hänge von der Nacht ab. Die Gefahr sei noch nicht vollständig gebannt. Es handle sich „definitiv“ um einen Terroranschlag. Dieser sei „sehr professionell“ vorbereitet worden. Auch der Wiener Bildungsdirektor Heinrich Himmer appellierte an Schüler und Eltern, sich vor Schulbeginn über die aktuelle Sicherheitslage zu informieren.
Nach dem Anschlag in Wien wurde auch das Bundesheer aktiviert. Das Militär übernimmt den Objektschutz in der österreichischen Bundeshauptstadt. Teile des Jagdkommandos stehen zur Unterstützung der Terrorismusbekämpfung zur Verfügung, hieß es Montagabend aus dem Bundeskanzleramt,
Am Abend kursierten mehrere Videos, die eine Blutlache vor einem Lokal zeigten. Ein anderes Video zeigte einen maskierten Schützen, der auf offener Straße zumindest zwei Schüsse abfeuerte „Es hat sich nach Krachern angehört“, schilderte ein Augenzeuge, der anonym bleiben wollte. „Dann hat man gemerkt, das sind Schüsse. Dann sah man eine Person die Seitenstetten herunterlaufen, der hat mit einer automatischen Waffe wild geschossen. Der ist dann abgebogen, hinunter, beim (Lokal) ‚Roter Engel‘ von dort in Richtung Schwedenplatz. Er hat dort wild weiter geschossen. Dann kam die Polizei und hat geschossen.“
Auf Sozialen Netzwerken folgten schnell Spekulationen über einen dschihadistischen Hintergrund. Das wurde zunächst nicht bestätigt. Das auf die Überwachung islamistischer Websites spezialisierte US-Unternehmen SITE zitierte auf seiner Website einen Dschihadisten zu dem mutmaßlichen Anschlag in Wien: „Dschihadist sagt, der Angriff in Wien ist ‚Teil der Rechnung‘ für die österreichische Beteiligung an der US-geführten Koalition“, heißt es dort in einem Satz. Beigestellt ist ein Bild aus der Wiener Innenstadt.
Zu den Hintergründen gebe es noch „keine gesicherten Erkenntnisse“, sagte der 59-jährige Wiener Bürgermeister, Michael Ludwig, am Montagabend im ORF. Ludwig erklärte, dass bei dem Angriff „wahllos auf Personen in den Lokalen“ geschossen worden sei – vor allem auf jene, die draußen saßen.
Der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat den mutmasslichen Terroranschlag in Wien scharf verurteilt und den Opfern seinen Beistand zugesichert. „Wir alle sind tief betroffen“, teilte das Staatsoberhaupt am Montagabend über Twitter mit. Gedanken und Mitgefühl seien bei den Opfern, Verletzten und deren Angehörigen, twitterte er. Der Bundespräsident betonte: „Wir werden unsere Freiheit und Demokratie gemeinsam und entschlossen mit allen gebotenen Mitteln verteidigen.“
Die deutsche „Bild“-Zeitung berichtete – mit einem verpixelten Foto –, dass der wahrscheinliche Haupttäter ein IS-Anhänger sei. Er habe die Tat am Montag auf Instagram angekündigt. Das könne man vorerst nicht bestätigen, so Innenministeriums-Sprecher Sörös.
Unklar ist nach wie vor auch, inwieweit der Stadttempel und die Räumlichkeiten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) ein Anschlagsziel waren. Die Synagoge wie die Bürogebäude seien nicht mehr in Betrieb gewesen, so IKG-Präsident Oskar Deutsch auf Twitter. Es könne jedenfalls nicht gesagt werden, ob der Stadttempel eines der Ziele gewesen sei.
von
Günter Schwarz – 03.11.2020
Foto: Archivbild