(Vordingborg) – Helene Thiesen aus Stensved wurde in Grønlands Hauptstadt Nuuk geboren. Im Rahmen eines Experiments wurde sie 1951 gewaltsam nach Dänemark verbracht. Gestern bekam sie eine Entschuldigung. Die in Nuuk geborene und heute in Stensved bei Vordingborg lebende Helene Thiesen wartet seit Jahren auf eine offizielle Entschuldigung aus Dänemark.

Zusammen mit 21 anderen grønlandske (grönländischen) Kindern wurde sie im Rahmen eines Integrationsexperiments gewaltsam von der kolonialen Herrschaft Grønlands nach Dänemark umgesiedelt.

„Ich bin eine der Hauptfiguren des Experiments, das mit 22 Kindern begann, die 1951 nach Dänemark gebracht wurden“, sagte Helene Thiesen. Gestern erhielt sie eine offizielle Entschuldigung von Statsministerin Mette Frederiksen (Socialdemokraterne).

„Ich wurde von Mette Frederiksens Sekretärin angerufen, dass heute um 14:30 Uhr einer ihrer Fahrer mit einem Brief in einem weißen Umschlag an mich kommt. Es ist eine schriftliche Entschuldigung, die zu mir kommt“, sagte Helene Thiesen und fuhr fort: „Jetzt kommt endlich die Entschuldigung, und das finde ich wirklich großartig.“

Die Statsministerin entschuldigt sich in einem persönlichen Brief

Statsministerin Mette Frederiksen entschuldigt sich in einem offenen Brief an die 22 grønlandske Kinder. Vor 70 Jahren wurden die Kinder gewaltsam von Grønland nach Dänemark umgesiedelt, da sie als „Brückenbauer“ fungieren sollten. Die Entschuldigung der Statsministerin kommt, während die Regierung und die grønlandske Regierung am Dienstag einen historischen Bericht über die 22 Kinder veröffentlichten.

Unter anderem hat es sich aufgrund der Corona verzögert, aber jetzt ist es fertig. Insbesondere hat sich die Statsministerin in einem persönlichen Brief vorbehaltlos bei den 22 noch lebenden Kindern entschuldigt. „Der Brief wurde an sechs Personen verschickt“, erklärte Mette Frederiksen während der Fragestunde der Statsministerin am Dienstag.

Die überwiegende Mehrheit war sich des Experiments und seiner Folgen bis 1998 nicht bewusst, als Trine Bryld das Buch „I den bedste mening“ (Im besten Sinne) schrieb. „Hier explodierte alles und die Wahrheit kam heraus, dass wir 22 Kinder an einem Experiment teilgenommen hatten“, sagte Helene Thiesen.

22 kleine Kinder zwischen fünf und acht Jahren wurden ausgewählt und nach Dänemark geschickt, wo sie fließend Dänisch sprechen und dann in ihr Heimatland zurückkehren sollten. Es war Teil der Entscheidung, die die Regierung und das Folketing 1950 getroffen hatten – mit Unterstützung des grønlandske Nationalrates in Zusammenarbeit mit den Organisationen Dänisches Rotes Kreuz und Red Barnet (Save the Children). Es ging darum, Grønland zu modernisieren und das Land zu einem integralen Bestandteil des dänischen Reiches zu machen. Die vielversprechenden Kinder sollten aus armen Familien geholt werden und entweder einen oder beide Elternteile verloren haben und aus ganz Grønland stammen. Dänemark wollte diesen Kindern eine Kindheit unter besseren sozialen Bedingungen ermöglichen als in Grønland.

Nach ihrem Aufenthalt in Dänemark sollten sie als bessere Vorbilder für andere Kinder nach Grønland zurückkehren. Aber der Versuch schlug fehl. „Sie haben uns nach Dänemark geschickt, ohne unseren Eltern sagen zu können, wo wir waren. Nur 16 von uns kamen zurück nach Hause. Sechs wurden ohne jedes Recht hier behalten“, sagt Helene Thiesen.

Die Kinder wurden nicht zurück zu ihren Familien nach Hause geschickt. Stattdessen wurden sie in ein Waisenhaus gebracht, und einige der Kinder sahen ihre Familien nie wieder. Das Experiment, das die Lücke für die Integration schließen sollte, schuf Lücken und wurde zu einem gescheiterten Experiment, bei dem Kinder den Preis bezahlten.

Einer der Väter hatte bei Red Barnet angerufen, um zu fragen, wie es seinem Sohn gehe. Darauf antwortete Red Barnet in einem Telegramm, dass es seinem Sohn gut gehe und man wisse, dass man ihn gerade adoptiert hätte. „Es war so hart“, sagte Helene Thiesen. Red Barnet hat zuvor seine Fehler anerkannt, für die sie sich entschuldigt haben. Helene Thiesen steht hinter dem Buch „For flid og god opførsel“ (Für Fleiß und gutes Benehmen), das eine biografische Darstellung des sozialen Experiments ist.

von

Günter Schwarz – 09.12.2020

Fotos: Helene Thiesen