(Tivildeleje) – Mehr Parteien fordern besser geschultes Personal und eine stärkere Überwachung der Kinder- und Jugendheime nach einem neuen Dokumentarfilm. Poul-Erik Rasmussen ist enttäuscht von den Bedingungen für untergebrachte Kinder und Jugendliche, die in der TV 2-Dokumentation „Nødråb fra børnehjemmet“ (Notruf aus dem Waisenhaus) gezeigt wurden.

Er ist eines der ehemaligen Waisenhauskinder in Tivildeleje, ca. 60 Kilometer nördlich von København, bei denen sich die Statsministerin Mette Frederiksen (Socialdemokraterne) im Jahr 2019 für den Missbrauch und die Misshandlungen im Jugendheim Godhavn entschuldigt hat. Denn obwohl Poul-Erik Rasmussen sagt, dass ihm nichts mehr wundert, hatte er gehofft, dass es 50 Jahre nach seiner eigenen Unterbringung dort besser werden würde.

„Es ist die alte Geschichte. Wenn Erwachsene auf Kinder aufpassen müssen, ohne ein Gespür dafür zu haben, dann laufen die Dinge schief“, sagt. Poul-Erik Rasmussen. Er wurde von 1962 bis 1965 in Godhavn untergebracht und war während der drei Jahre Opfer von Schlägen und Demütigungen durch die Erwachsenen.

In „Nødråb fra børnehjemmet“ behaupten mehrere aktuelle und ehemalige Insassen in Godhavn, dass sie mehrere Jahre lang Gewalt und unnötiger Anwendung von Schlägen durch das Personal ausgesetzt waren, aber dass ihnen niemand glaubt. Sie haben deshalb sogar Videos mit ihren Handys aufgenommen, um die Bedrohungen und harte Behandlungen zeigen.

„Ich hoffte, dass es besser gewordenist. Aber es ist nur insofern besser geworden, dass man die Kinder jetzt nicht mehr ,grün und blau‘ schlägt“, sagt Poul-Erik Rasmussen.

Poul Erik Rasmussen (links) und andere untergebrachte Kinder erhielten 2019 eine offizielle Entschuldigung von Satsministerin Mette Frederiksen. Foto: Mads Claus Rasmussen

Nach dem Gesetz muss die Anwendung körperlicher Gewalt gegen untergebrachte Kinder und Jugendliche auf das absolut Notwendige beschränkt werden und darf nur angewendet werden, wenn sie beispielsweise eine Gefahr für sich selbst darstellen. In der Dokumentation sprechen jedoch mehrere Kinder über unnötigen Einsatz von Gewalt oder regelrechte Misshandlungen seitens der Mitarbeiter.

„Es ist schockierendes Filmmaterial und völlig unverzeihlich, wenn wir als Gesellschaft so massiv versagen, wie wir es in diesem Dokumentarfilm sehen. Besonders gegenüber einigen Kindern, die bereits zu Hause enttäuscht wurden“, sagt Johanne Schmidt-Nielsen, Generalsekretärin von „Save the Children“.

Generalsekretärin Johanne Schmidt-Nielsen von „Save the Children“ ist besorgt über die Bedingungen, die in der TV 2-Dokumentation „Nødråb fra børnehjemmet“ (Notruf aus dem Waisenhaus) gezeigt wurden.

Sie sieht es als großes Problem an, dass zu viele Mitarbeiter in den Wohnheimen nicht über die Ausbildung und Qualifikation verfügen, um mit den schutzbedürftigen Kindern zu arbeiten. Allzu oft kann es zu einem harten Ansatz und unnötigem Einsatz von Gewalt kommen, wenn Kinder extrovertiert sind. Darüber hinaus ist es notwendig, eine bessere Überwachung der Einrichtungen zu gewährleisten als heute, wie es von „Save the Children“ heißt.

„Das Schockierendste ist fast, dass es keine neue Situation ist, in der wir schon einmal waren, und dennoch tauchen immer wieder Fälle wie diese auf“, sagt Johanne Schmidt-Nielsen.

Die Enthüllungen über die Bedingungen für die untergebrachten Kinder und Jugendlichen ziehen auch in Christiansborg die Aufmerksamkeit auf sich. Die Sprecherin der Konservativen für soziale Angelegenheiten, Brigitte Klintskov Jerkel, sagt, dass sie selbst zuvor in einer Wohneinrichtung beschäftigt war, wo sie aufgrund von Umständen, in denen sie sich nicht als Teil des Teams sehen konnte, aufhören musste. Deshalb ärgert sie sich auch über die Bilder in der Dokumentation, die sie als „sehr gewalttätig“ bezeichnet.

„Es ist notwendig, das berufliche Niveau zu betrachten, damit wir sicherstellen können, dass es unter den Mitarbeitern, die sich mit den jungen Menschen befassen, ein bestimmtes Niveau gibt. Wir müssen sicherstellen, dass die Kinder angemessen betreut werden“, sagt sie.

Eine Aufnahme von Godhavn zeigt einen Angestellten, der einen Jungen drängt, ihn zu schubsen. Danach packt er den Jungen und wirft ihn auf den Boden. Foto: Private Aufnahme

Sie steht somit sowohl im Einklang mit „Save the Children“ als auch mit Poul-Erik Rasmussen, die fordern, dass die untergebrachten Kinder von Fachleuten mit dem richtigen professionellen Hintergrund betreut werden.

Der soziale Sprecher der Radikale Venstre (Linksliberal Partei), Henrik Vinther, der die TV 2-Dokumentation als „herzzerreißend“ bezeichnet, hat den gleichen Wunsch. Er ist der Ansicht, dass eine Reform des gesamten institutionellen Bereichs erforderlich ist. „Es muss eine Garantie geben, dass sie sich auskennen“, sagt er.

Der Dokumentarfilm zeigt auch, dass den Behörden bei weitem nicht jede Gewaltanwendung gemeldet wird, obwohl es gesetzlich vorgeschrieben ist. Es gibt also eine Dunkeziffer für das wirkliche Ausmaß. Dieses gibt Anlass zur Besorgnis bei der Sozialberichterstatterin von der Nye Borgerlige (Neue Bürgerlche), Mette Thiesen, die die Sozialministerin Astrid Krag (Socialdemokraterne) in Bezug zu diesem Thema angreift.

Gleichzeitig legt der Berichterstatter Wert darauf, dass die sozialdemokratische Regierung mit einem neuen Vorschlag dafür sorgt, dass mehr Kinder nicht gewaltsam untergebracht werden. „Dann ist es unbedingt erforderlich, dass diese sehr schutzbedürftigen Kinder und Jugendlichen an einen Ort gelangen, an dem sie ordnungsgemäß versorgt werden“, sagt Mette Thiesen.

Der ehemalige Godhavn-Junge Poul-Erik Rasmussen sagt, dass er heute seine eigenen Erfahrungen in den vielen Jahren verarbeitet hat und dass die neuen Geschichten ihn fast mehr verletzt haben, sie wieder zu hören. „Ich habe gehofft, dass die Sicht auf untergebrachte Kinder besser wird, aber es geht verdammt langsam“, klagt er.

Poul-Erik Rasmussen hat den Kampf gegen sich selbst nach vielen Jahren der Verarbeitung aufgegeben, Foto: Linda Kastrup

Es fällt ihm schwer, sich darüber zu äußern, ob die Jungen in der TV 2-Dokumentation auch eine offizielle Entschuldigung erhalten sollten, die er und viele andere selbst im Jahr 2019 erhalten haben. Aber die Mitarbeiter, die sie hart behandelt haben, sollten sich bei ihnen entschuldigen, meint er.

Nach Jahrzehnten des Kampfes um die Verbesserung der Bedingungen als Vorsitzender der Landsforeningen Godhavnsdrengene (Landesverband der Godhavnskinder) ist er besorgt, dass die Bedingungen in einigen Unterkünften bis heute noch so problematisch sind. „Wir müssen Generationen durchlaufen, bevor es besser wird. Es ist nicht etwas, was man einfach macht, und überhaupt nicht, wenn man es falsch macht“, sagt Poul-Erik Rasmussen.

Quelle: TV2 – übersetzt und bearbeitet von

Günter Schwarz – 05.03.2021

Fotos: TV2