Reinigungspersonal unterrichtet Russisch: „Wir brauchen die Fähigkeiten der Menschen“
(Odder) – Die 29-jährige Oksana Starushchak ist vor fünf Jahren aus der Ukraine nach Odder gezogen. Sie arbeitet als Reinigungskraft, aber jetzt hat sie endlich die Möglichkeit, ihre Ausbildung zu nutzen. Es war nicht Teil des Plans der 29-jährigen Oksana Starushchak, dass sie in ihrem Lebenslauf die Berufsbezeichnung „Reinigungskraft“ tragen würde.
Sie hingegen hatte erwartet, Kindern Naturwissenschaften beizubringen, aber als sie vor fünf Jahren der Liebe folgte und aus der Ukraine nach Odder zog, waren Reinigungsjobs das einzige, was sie bekommen konnte. „Es gibt nicht so viele Möglichkeiten, wenn man nicht Dänisch kann, daher fand ich es völlig fair, dass ich zuerst die Sprache lerne und dass ich im Grunde nur Reinigungsjobs bekommen konnte“, sagt Oksana Starushchak zu TV2 ØSTJYLLAND.

Sie hat aus der Ukraine ansonsten einen fünfjährigen Master-Abschluss als Schullehrerin, ist aber in Dänemark noch nicht zugelassen. „Am Anfang war es wirklich schwierig, dass ich in Dänemark nicht unterrichten konnte, weil es mein Traum war, Lehrerin zu werden“, sagt Oksana Starushchak.
Vor einem Jahr hat sich die junge Ukrainerin mit der Gründung ihrer eigenen Reinigungsfirma entschlossen ganz aufs Putzen zu gehen, überlegt nun aber, diese komplett zu schließen. Im Januar wurde sie als Reinigungskraft bei der Randlevskolen in Odder angestellt und konnte so ihre Ausbildung nutzen. Vor den Sommerferien hat die Schule beschlossen, den Schülern die Möglichkeit zu geben, Russisch als Wahlfach zu wählen. Ein Fach, das die Schüler selbst geäußert hatten, und ein Fach, das Oksana Starushchak unterrichten kann.
„Es geschah zufällig, weil wir beide eine Angestellte eingestellt haben, die Russisch kann, und als ich in ihrem Lebenslauf sah, dass sie eine ausgebildete Lehrerin ist, hat es sich von selbst gegeben. Wir wollen unbedingt die Kompetenzen der Menschen nutzen – sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen“, sagt Gunnar Friedrichsen, Schulleiter der Randlevskolen, gegenüber TV2 ØSTJYLLAND.

Bewährt hat sich inzwischen das russische Wahlfach, das Oksana Starushchak mittlerweile zweimal wöchentlich unterrichtet. 15 von 19 Schülerinnen und Schülern der 6. und 7. Klasse haben sich für das Fach entschieden.
„Ich habe es gewählt, weil es mega spannend klang und es einfach cool ist, eine neue Sprache zu lernen“, sagt Noah Aagaard Blicher, die in der 6. Klasse ist. Sicherlich ist nicht nur bei ihren Schülern Freude zu spüren. Auch Oksana Starushchak freut sich, zweimal pro Woche wieder in ihrem Element zu sein. Allerdings hat sie die Reinigung noch nicht komplett aufgegeben. Jeden Tag von 06:00 bis 12:00 Uhr reimigt sie die Schule mit Besen und Eimer.
„Obwohl ich einen harten Tag habe, weil ich an vielen verschiedenen Orten bin und viel zu tun habe, bin ich voller Energie, wenn ich zum Unterricht komme. Es bedeutet mir so viel, dass ich wieder unterrichten kann und ich hoffe, dass ich eines Tages ganztägig als Lehrerin oder Erzieherin arbeiten kann“, sagt sie.

Der Traum, an dem sie und Randlevskolen arbeiten, muss erlebt werden. Die Schulleiterin hilft ihr derzeit dabei, ihre Ausbildung in Dänemark anerkennen zu lassen. „Ich riskiere, eine hammermäßig gute Reinigungskraft zu verlieren, und dafür eine Mitarbeiterin zu haben, der ihre Fähigkeiten einsetzen kann“, sagt Gunnar Friedrichsen. Im Moment hofft er, dass er Oksana Starushchak noch ein wenig halten kann.
Bei anhaltendem Erfolg des Russisch-Wahlfachs ist in zwei Jahren eine Studienreise in ein Land geplant, in dem Russisch gesprochen wird.
Quelle: TV2 ØSTJYLLAND – übersetzt und bearbeitet von
Günter Schwarz – 03.09.2021
Foto: TV2 ØSTJYLLAND