Am Freitag sind in Dänemark alle Corona-Beschränkungen gefallen, die für Dänen seit mehr als eineinhalb Jahren zum Alltag gehörten und der Alltag gestaltet ich wieder wie vor der Corona-Epidemie. Auch wird das Coronavirus in Dänemark nicht mehr als gesellschaftskritische Krankheit bezeichnet.

83 Prozent der dänischen Bevölkerung sind geimpft und der Alltag wird langsam wieder so normal wie vor Corona. Aber was können wir in naher Zukunft von dem Virus erwarten? Können wir erleichtert aufatmen oder gibt es Grund zur Sorge? Hier sind die Einschätzungen von drei Experten für Herbst und Winter in einem Dänemark ohne coronare Einschränkungen.

Jens Lundgren Foto: Søren Bidstrup

„Wir haben alle möglichen Gründe, dem Virus gegenüber demütig zu sein“, sagr Jens Lundgren, Professor für Infektionskrankheiten am Rigshospitalet in København. Es sei vernünftig und angemessen, so Jens Lundgren, dass Corona nun nicht mehr als gesellschaftskritische Krankheit gilt. „Dieses ist vor allem auf den hohen Impfschutz der dänischen Bevölkerung zurückzuführen. Das heißt jedoch nicht, dass wir schon ganz auf der sicheren Seite sind“, meint er gegenüverTV 2.

„Ich denke nur, dass man sich die Länder um uns herum anschauen muss, um zu verstehen, dass die Welt immer noch mitten in einer Pandemie steckt. Dänemark ist wie eine einsame Insel, auf der es gelungen ist, eine hohe Impfbereitschaft in der Bevölkerung zu erreichen, und daher brauchen wir nicht mehr dieselben Einschränkungen wie unsere Nachbarn und andere Länder“, sagt Jens Lundgren. Allerdings ist es noch zu früh, um ein Comeback völlig abzuschreiben.

„Es gibt immer noch Viren und große Teile der Weltbevölkerung befinden sich aufgrund dieses Virus immer noch im Ausnahmezustand. Es besteht daher laut Jens Lundgren Grund, die Pandemie weiterhin ständig im Auge zu behalten, die sich, wie wir bisher gesehen haben, durch Mutationen in kürzester Zeit drastisch ändern kann – zum Beispiel, als die britischen bzw. indischen Virusvarianten auftauchten. Es gibt immer noch alle Gründe, dass wir mit dem Virus demütig und respektvoll umgehen“, sagt er.

Allan Randrup Thomsen Foto: Emil Helms

Allan Randrup Thomsen, Professor für Experimentelle Virologie an der Universität København schätzt es als „ein bisschen Glück“ hinter der dänischen Entwicklung. Fragt man Allan Randrup Thomsen, verhält sich die Infektion derzeit anders, als er es sich vorgestellt hatte. „Tatsächlich laufe es in Dänemark besser, als Experten auf Anhieb erklären können“, sagt er.

Die Dänen sind aus dem Urlaub zurück und die Kinder wieder in der Schule. Aber es ist nicht sofort an den Infektionsraten zu erkennen. „Obwohl wir unter anderem die Wiedereröffnung des Nachtlebens noch nicht in vollem Umfang gesehen haben, spricht vieles dafür, dass Herbst und Winter rau aussehen werden“, sagt Allan Randrup Thomsen.

„Wir sollten uns keinen drohenden Zusammenbruch vorstellen, aber es kann immer noch schwierig sein, im Herbst und Winter ins Krankenhaus eingeliefert zu werden“, sagt er. Der trotz Impfungen im Winter zu erwartende Anstieg der Infektionen, verbunden mit einer zunehmenden Infektion mit dem RS-Virus, erwartet nach Einschätzung des Professors einen erhöhten Druck auf das Gesundheitssystem.

Laut Allan Randrup Thomsen ist es die Kombination aus guter Impfunterstützung „und ein bisschen Glück“, die dazu führt, dass wir jetzt alle Beschränkungen in Dänemark fallen lassen konnten. „Aber auch wenn Regeln nicht mehr gelten, war gute Hygiene nie eine schlechte Idee“, betont er. Daher sollte man es sich zweimal überlegen, bevor man beispielsweise Strohhalme miteinander teilt, denn der Rat lautet: „Wir können uns jetzt entspannen, aber es gibt keinen Grund, sich dumm zu verhalten.“

Søren Riis Paludan Foto: Bo Amstrup

„Es gibt überhaupt nichts, was auf eine neue und gewaltige Welle hindeutet. Søren Riis Paludan, Professor für Virologie und Immunologie an der Universität Aarhus rechnet allerdings damit, dass im Herbst und Winter eine Zunahme der Coronavirus-Infektionen zu verzeichnen sein werden – teils im ungeimpften Teil der Bevölkerung, aber auch bei mehreren Geimpften, bei denen die Wirkung der Impfung nachlassen kann – allerdings mit dadurch weniger schwerwiegenden Krankheitsfolgen. Das sagt Søren Riis Paludan.

Er hält es jedoch nach wie vor für eine gute Idee, alle Beschränkungen abzuschaffen. „Einschränkungen seien nur in einer Bevölkerung sinnvoll, in der es keine Immunität gebe“, sagt er. Jetzt müssen die Impfstoffe die Arbeit leisten, die die Beschränkungen bisher geleistet haben – und Søren Riis Paludan macht sich in Sachen Corona keine Sorgen in Zukunft. „Es gibt überhaupt nichts, was darauf hindeutet, dass eine völlig neue und heftige Krankheitswelle beginnt“, sagt er.

Er räumt ein, dass die einzige Unsicherheit in der Gleichung neue Mutationen sind. Aber auch diese Unsicherheit gibt keinen Anlass zur Sorge. „Als Virologe würde ich sagen, dass es unwahrscheinlich ist, dass dieses Virus so viele Freiheitsgrade hat, dass es das Immunsystem komplett umgehen kann. Und falls es wider Erwarten passieren sollte, haben wir auch ein Mittel dagegen, nämlich Auffrischimpfungen gegen neue Virusvarianten.“

Quelle: TV2 FYN – übersetzt und veröffentlicht von

Günter Schwarz – 12.09.2021

Fotos: TV2 FYN