Botschafter Dänemarks und neun anderer Länder in der Türkei unerwünscht: „Eine dramatische und sehr unmissverständliche Ankündigung“
Es ist der Fall eines inhaftierten Aktivisten, der den türkischen Präsidenten zu einem drastischen diplomatischen Schritten veranlasst hat. Der autokratisch regierende türkische Präsident Recep Tayiip Erdoğan hat nun den ersten diplomatischen Schritt vor einer echten Ausweisung Dänemarks und der Botschafter aus neun weiteren Ländern getan.
Es passierte, weil die zehn Länder in einer Erklärung, die am Montag an die Türkei übergeben wurde, die Freilassung des türkischen Aktivisten Osman Kavala gefordert haben. „Ich habe meinem Außenminister die notwendigen Anweisungen gegeben. Sie müssen die zehn Botschafter sofort zur Persona non grata erklären“, sagte Erdoğan gestern in einer Rede.
Neben Dänemark haben Norwegen, Schweden, Finnland, Deutschland, Frankreich, die Niederlande, die USA, Kanada und Neuseeland die Erklärung unterzeichnet. Darin heißt es unter anderem, dass die anhaltenden Verzögerungen im Verfahren gegen Kavala „einen Schatten auf die Achtung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Transparenz in der türkischen Justiz werfen“.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Luxemburg hatte die Türkei bereits zuvor aufgefordert, Kavala freizulassen. Er wurde vor vier Jahren wegen seiner angeblichen Rolle bei Protesten gegen die Regierung im Gezi-Park in Istanbul im Jahr 2013 inhaftiert. Seitdem wurde er zunächst aufgrund eines Gerichtsurteils freigelassen und dann unter einem neuen Vorwand abermals inhaftiert.
Der dänische Außenminister Jeppe Kofod (Socialdemokraterne) hat sich gestern Abend dazu geäußert. Dabei erklärte er, dass das Außenministerium keine offizielle Aufforderung erhalten habe, den Botschafter Danny Annan zur Persona non grata zu machen. „Ich kann jedoch feststellen, dass wir in dieser Angelegenheit in engem Kontakt mit unseren Freunden und Verbündeten stehen, und wir werden weiterhin wachsam auf unsere gemeinsamen Werte und Prinzipien achten, wie sie auch in der gemeinsamen Erklärung zum Ausdruck kommen“, hieß es von Außenminister Jeppe Kofod.
Das Außenministerium gibt dazu derzeit keine weiteren Kommentare ab. In der Erklärung verweisen Dänemark und die Botschaften der anderen neun Länder auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2019.

Das Gericht stellte fest, dass es keine Beweise dafür gebe, dass Osman Kavala die ihm vorgeworfenen schweren Straftaten begangen habe. Im Februar 2020 sprach ein türkisches Gericht Kavala und acht weitere im Zusammenhang mit den regierungsfeindlichen Protesten 2013 frei – doch die Freiheit währte nicht lange. Kurz nach seiner Freilassung wurde er erneut von der Polizei aufgegriffen, als die Staatsanwaltschaft einen neuen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt hatte. Diesmal unter dem Vorwurf der Einmischung in einen Putschversuch in der Türkei im Jahr 2016.
Osman Kavala selbst bestreitet die Schuld. In Dänemark bezeichnet Mogens Pelt, außerordentlicher Professor am Saxo-Institut der Universität København und Experte für türkische Angelegenheiten, Erdoğans Ankündigung als dramatisch. „Es ist eine dramatische und sehr unmissverständliche Ankündigung, dass die Botschafter damit rechnen können, nicht mehr lange in der Türkei zu sein. Jedenfalls sind sie nicht willkommen, und das ist der Schritt kurz vor dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen“, sagt Mogens Pelt, der in diesem Jahr ein Buch über die Türkei und Erdoğans Politik veröffentlicht hat.

Mogens Pelt erklärt, dass die Situation das Potenzial hat, tiefe Kratzer in den Beziehungen der zehn Länder zur Türkei zu hinterlassen. Erdoğan mag es einfach nicht, dass andere Länder der Türkei auf Menschenrechte hinweisen. „Großmächte oder andere Staaten haben sich nicht in ihre internen Beziehungen der Türkei einzumischen“, heißt es von Erdoğan.
Der Fall unterstreicht laut Mogens Pelt einmal mehr, dass sich die Türkei immer weiter davon entfernt, eines Tages Mitglied der EU werden zu können. „In Bezug auf den normbasierten Teil des Prozesses hat sich die Türkei von dem, was durch die EU-Brille gesehen wird, weit entfernt, was ein gemeinsames Projekt ist“, sagt er.
Quelle: Danmarks Radio – übersetzt und veröffentlicht von
Günter Schwarz – 24.10.2021
Fotos: Danmarks Radio