(København) – Die Pfleger*innen können sich nicht weiter anstrengen, klingt es vom dänischen Pflegerat DSR. Politiker nennen Frederiksens Appell „geradezu provokativ“. „Wir bitten um Geduld. Und wir bitten Sie, sich zusätzlich zu bemühen“, war der Appell, den Statsministerin Mette Frederiksen (Socialdemokraterne) an die Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens richtete, als sie am Montagabend zur besten Sendezeit eine Pressekonferenz abhielt.

Aber „die Schwestern haben keine Geduld mehr“. Das ist die Antwort von Dorthe Boe Danbjørg, stellvertretende Vorsitzende des dänischen Pflegerats (DSR). „Wir werden immer wieder um zusätzliche Anstrengungen gebeten. Die Krankenschwestern machen seit 20 Monaten Überstunden, und davor hatten wir auch ein ziemlich unter Druck geratenes Gesundheitssystem, in dem die Krankenschwestern jeden Tag große Anstrengungen unternommen haben“, sagt sie.

Statsministerin Mette Frederiksen appelliert an die Krankenschwestern.

Mette Frederiksen hatte am gesatrigen Montagabend um 20:00 Uhr eine Pressekonferenz einberufen, um mitzuteilen, dass die Regierung am Dienstagmorgen dem Epidemieausschuss des Folketings empfehlen wird, das Coronavirus wieder als gesellschaftskritische Krankheit einzustufen und den Corona-Pass wieder einzuführen. Grund ist, dass die Infektion wieder ansteigt und mehr Menschen in die Krankenhäuser aufgenommen werden.

Am Montag befanden sich 303 Corona-Patienten in den Krankenhäusern. 36 auf der Intensivstation. Über den Winter wird ein großer Druck auf die Krankenhäuser erwartet. Und deshalb sagte Mette Frederiksen am Montagabend zu den Pflegekräften: „Ich bitte Sie, sich nicht nur anzustrengen, weil Sie es bereits voll und ganz tun, sondern auch eine zusätzliche Anstrengung vorzunehmen.“

Dieser Appell kommt zu einer Zeit, in der Krankenschwestern – was auch die Statsministerin anerkennt – über ihre Bezahlung und Arbeitsbedingungen zutiefst frustriert sind. Bedingungen, die sie in einen zehnwöchigen Streik stürzten, den die Regierung mit einem gesetzgeberischen Eingriff beendete – ohne die Verbesserungen, für die die Krankenschwestern streikten.

Seitdem haben unzufriedene Pflegekräfte aus Protest mehrere wilde Streiks vor den Krankenhäusern des Landes durchgeführt. In diesem Licht hörten die Krankenschwestern am Montagabend die Worte der Statsministerin im landesweiten Fernsehen.

„Wir haben einen langwierigen Konflikt durchgemacht, in dem die Regierung lautstark geschwiegen hat. Und jetzt meldet sie sich bei uns, weil sie Hilfe braucht. Aber sie muss anerkennen, dass es ein grundlegendes Problem gibt, für dessen Lösung sie verantwortlich ist“, sagt Dorthe Boe Danbjørg. Laut der stellvertretenden Vorsitzenden warnt der dänische Pflegerat seit Jahren vor einem Mangel an Pflegekräften und politischem Handlungsbedarf.

Deshalb glaubt sie auch, dass die Handlungsverpflichtung nun bei den Politikern liegt. „Die Pflegekräfte können sich nicht einfach weiter anstrengen. Sie müssen sehen, dass etwas an dem Grundproblem verbessert wird, dass die Gehälter der Krankenpflegekräfte zu niedrig sind“, sagt sie.

Nicht nur Pflegekräfte reagierten nach der Pressekonferenz scharf auf die Worte von Mette Frederiksen. Mehrere Christiansborg-Politiker der die Regierungs unterstützenden Partei Enhedslisten (Einheitsliste) sind empört über den Appell der Statsministerin. Sowohl die politische Sprecherin Mai Villadsen als auch die Gleichstellungssprecherin Pernille Skipper kritisierten schnell in den sozialen Medien die Regierungschefin.

Ebenso empört ist der Corona-Sprecher der Partei und Mitglied des Epidemiekomitees, Peder Hvelplund, der in einem Tweet mit vielen Ausrufezeichen Wörter wie „wild provokant“ und „hässlich“ verwendet. „Die Staatsministerin appelliert an Krankenschwestern und anderes Gesundheits- und Pflegepersonal, ihr eine zusätzliche Hilfe zu geben! Wie wäre es, wenn sie ihre Bemühungen mit einem anständigen Gehalt honoriert!! Sie selbst hat die Chance durch ihren obszönen Appell zerschlagen!, schreibt er.

Quelle TV NORD – übersetzt und veröffentlicht von

Günter Schwarz – 09.11.2921

Fotos: TV NORD