Deutschlands Vizekanzler spricht Dänisch und hat vier Söhne in Dänemark: „Das kann sehr wichtig sein“
Robert Habeck leitet Deutschlands Fokus auf dänische Klimalösungen zu. Sowohl Dänemark als auch die dänische Minderheit in Deutschland können frischen Wind atmen, nachdem der 52-jährige Robert Habeck von den Grünen auf einen der mächtigsten Posten der deutschen Politik gewählt wurde. In Deutschlands neuer Regierung ist Robert Habeck Klima- und Wirtschaftsminister und Vizekanzler – ein Amt, das der neu ernannte Bundeskanzler Olaf Scholz seit vier Jahren unter Angela Merkel innehatte.
Robert Habeck hat eine starke Bindung zu Dänemark und der dänischen Minderheit in Deutschland. Und er freut sich auf eine engere Zusammenarbeit mit den Dänen. „Es wird fantastisch sein. Ich hoffe, dass ich bald nach Kopenhagen komme und mit meinen dänischen Kollegen darüber sprechen kann, wie wir die dänisch-deutsche Zusammenarbeit stärken können“, sagt er zu Danmarks Radio Nyheder.
Und mit seinen Wurzeln in Dänemark kann der neue deutsche Spitzenminister eine große Stärke für Dänemark und die Dänen auf beiden Seiten der Grenze werden. Das ist die Einschätzung von Anke Spoorendonk. Sie gehört der dänischen Minderheitspartei Sydslesvigsk Vælgerforening (SSV / Südschleswigscher Wählerverband – SSW) an und iwar bisher die einzige Ministerin der Partei im Landtag in Kiel, wo Robert Habeck auch Minister für Energie und Landwirtschaft war.
Hier hat sie eng mit ihm zusammengearbeitet, und deshalb glaubt sie auch, dass er der Minderheit, der dänisch-deutschen Zusammenarbeit und den knapp drei Millionen Einwohnern Schleswig-Holsteins zugute kommt.
„Es kann für uns von großer Bedeutung sein. Aber er ist Minister in Berlin und nicht nur für Sydslesvig (Südschleswig) und die dänisch-deutsche Zusammenarbeit zuständig, daher denke ich, dass man ihn an seine Verantwortung, seinen Hintergrund und unsere Erwartungen an ihn erinnern sollte – aber dann denke ich auch, dass das Ergebnisse für uns bringen wird“, sagt sie.
Siegfried Matlok, politischer Kommentator und Deutschexperte sowie ehemaliger Chefredakteur der deutschen Minderheitenzeitung „Der Nordschleswiger“, glaubt, dass die Dänen von einem Freund Dänemarks an der Spitze der deutschen Politik profitieren können.
„Er hat sicherlich ein besonderes Interesse daran, mit seinem dänischen Ministerkollegen zu sprechen, wenn er an die Tür klopft. Nicht zuletzt, weil Dänemark im Klimabereich ein Vorbild für Deutschland sei – und das sei der Kernpunkt von Habecks Arbeit“, sagt er.
„Nicht nur die persönlichen Beziehungen zwischen Dänemark und Deutschland können durch Robert Habeck gestärkt werden. Es kann auch zu echter Politik führen“, sagt Siegfried Matlok.
Er verweist unter anderem auf die seit Jahren bestehenden Probleme mit deutschen Dosen in der Natur beiderseits der Grenze und die gescheiterten Versuche, eine Dosenpfandregelung zu finden, die das Problem lösen kann. „Habeck selbst weiß das, weil er selbst Umweltminister in Schleswig Holstein war. Es könnte also sein, dass sich dieser gordische Knoten nun lösen lässt. Habeck wird für Dänemark indirekt ein Gewinn sein“, schätzt Matlok.
Und wenn man Robert Habeck selbst fragt, hat er sich auch Dänemark bei der Lösung der deutschen Klima- und Umweltherausforderungen zugewandt. „Ich habe zuvor schon herzlich über Danfoss gesprochen. Und ich weiß, dass Dänemark in Sachen Klima- und Umweltschutz viele wirklich gute technologische Lösungen hat“, sagt er zu Danmarks Radio Nyheder.
Robert Habeck spricht ausgezeichnet Dänisch, nachdem er mehrmals in Dänemark gelebt hat – unter anderem als er Anfang der 1990er Jahre an der Universität Roskilde studierte. Seine vier Söhne haben in Sydslesvig einen dänischen Kindergarten und eine dänische Schule besucht und leben nun alle vier in Dänemark, wo sie auch dänische Freunde haben. Er sagt, dass die dänische Sprache und die dänischen Traditionen die Familie füllen. Und seine starke Verbundenheit zu Dänemark und die dänischen Werte haben seiner Meinung nach Spuren in seinem politischen Denken hinterlassen.
„Man sollte die Realität nicht aus einer vorgefassten Wahrheit heraus sehen. Aber man muss eine vernünftige Lösung finden, basierend auf dem Chaos in der Realität. Mit anderen Worten, eine Art pragmatischer Idealismus. Wenn ich meinen Mund sehr voll nehmen muss, habe mich die Universität Roskilde politisch beeinflusst“, sagte er im Frühjahr gegenüber Danmarks Radio Nyheder.
Und Anke Spoorendonk kann auch bestätigen, dass Robert Habeck einen anderen – und vielleicht mehr nordischen als deutschen – Zugang zur Politik hat. „Als Minister im Landtag hat er großen Wert auf den Dialog und das Gespräch mit seinen Gesprächspartnern gelegt – nicht nur mit den Mitarbeitern im Ministerium – sondern auch allen anderen, die von seinen Anliegen in seinem Ministerium betroffen waren“, sagt sie.
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit begeistert Habeck
Robert Habeck selbst lebt mit seiner Frau nahe der dänischen Grenze in Flensburg, wo er auch gewählt wurde. Wenn die Söhne zu Hause sind, spricht die Familie Dänisch, und an Geburtstagen kommt der Dannebrog an den Tisch.
Die beiden Sprachen und die beiden Kulturen, die im Grenzgebiet aufeinandertreffen, sind auch das, in dem Habeck sich zu Hause fühlt. Und die Zusammenarbeit, die im Grenzgebiet dänemark- und deutschlandweit besteht, ist für ihn eine große Inspiration, sagt er gegenüber Danmarks Radio Nyheder.
„Man sollte sich nicht von der Grenze aufhalten lassen, denn die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist ein gutes Bild von dem, was wir tun werden. Jetzt bin ich Bundesminister für ganz Deutschland, aber ich bin geprägt von der Atmosphäre hier in der Grenzregion, und das wird sich hoffentlich in meinem Handeln bemerkbar machen“, sagt er.
Als neuer Klima- und Wirtschaftsminister hat Robert Habeck die Aufgabe, das zentrale Wirtschaftsministerium mit der Verantwortung zu verbinden, dem ambitionierten Klimaplan der neuen Bundesregierung gerecht zu werden, der unter anderem den Kohleausstieg für 2030 vorsieht, wenn 80 Prozent Strom grün sein muss und 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen fahren.
Quelle: Danmarks Radio – übersetzt und veröffentlicht von
Günter Schwarz – 19.12.2021
Fotos: Danmarks Radio