
Nazi-Archiv hat geöffnet – Familie von Peter Nielsen wird gesucht
Tausende Gegenstände von Häftlingen des KZ Neuengamme wurden in den letzten Jahren an Angehörige zurückgegeben. Aber Nachkommen von Peter Nielsen sind noch nicht gefunden.
Seit Dezember 2019 leistet der Suchdienst des Roten Kreuzes große Detektivarbeit, um Angehörige von internierten dänischen Häftlingen im KZ Neuengamme bei Hamburg zu finden, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr in ihre Heimat zurückkehrten. Den Familien können Gegenstände wie Uhren, Trauringe und Schmuck übergeben werden, die die Verstorbenen hinterlassen haben und die seit Kriegsende in einem Archiv in Deutschland gelagert sind.
Jetzt sucht die Familie von Peter Nielsen ihren Verwandten. Er wurde 1907 im Kirchspiel Rise geboren. Diesen Fall muss der Suchdienst des Roten Kreuzes jedoch noch klären. Es stellte sich heraus, dass es sich tatsächlich um einen dänisch-deutschen Fall handelt, und daher war es schwieriger, weitere Untersuchungen durchzuführen.
Der fragliche KZ-Häftling Peter Nielsen, Jahrgang 1907, stammt aus der Kirchengemeinde Rise bei Aabenraa, die bis 1920 zu Deutschland gehörte. Daher ist er in einigen Archiven als Deutscher und in anderen als Däne registriert.
„Über Peter Nielsen gibt es wenig Informationen, und da der Name weit verbreitet ist, ist es schwierig, mögliche Verwandte ausfindig zu machen, sagt Christel Winther, Referentin im Suchdienst des Roten Kreuzes und Teilnehmerin des Programms.

Nach Unterlagen des Hamburger Staatsarchivs hatte Peter Nielsen viele Geschwister. Darüber hinaus wird angegeben, dass sein Vater aus der Kommune Haderslev stammt. „Es ist natürlich frustrierend, den letzten dänischen Fall nicht gelöst zu haben. Daher hoffen wir, dass die gefundenen Informationen bei jemandem ein Klingeln auslösen, damit wir mit Verwandten von Peter Nielsen in Kontakt treten können“, heißt es von Christel.

Das NS-Archiv war jahrzehntelang für die Öffentlichkeit geschlossen Aber warum dauerte es so viele Jahre, bis die beschlagnahmten Gegenstände der Häftlinge in den Konzentrationslagern und Gefängnissen des nationalsozialistischen Deutschlands an ihre Besitzer zurückgegeben wurden? Die Erklärung liegt unter anderem darin, dass die vielen tausend archivierten Objekte ein turbulentes Leben hinter sich haben und im Laufe der Zeit zwischen verschiedenen Orten bewegt wurden.
Unmittelbar nach Kriegsende wurden viele der eingelagerten Gegenstände entweder zerstört, gestohlen oder versteckt, um die Spuren der Schrecken der Konzentrationslager zu verwischen. Vieles davon ist seitdem wieder aufgetaucht und in Zentralarchiven gesammelt worden.
Eines der größten Archive, zu dem auch die Neuengamme-Effekte gehören, ist das Arolsen-Archiv bei Dortmund. Es ist ein internationales Archiv, in dem jeder Zugriff auf die Suche hat. Doch Anfang der 1980er Jahre wurde es aus datenschutzrechtlichen Gründen für die Öffentlichkeit wieder geschlossen. Und es blieb über 20 Jahre geschlossen

Peter Nielsen geboren 1907 in der Pfarrei Rise bei Aabenraa
- Gegenstände: Ehering und eine Armbanduhr ohne Armband
- Empfänger: Nicht gefunden, der Fall ist ungelöst.
- Suchvorgang: In diesem Fall wurden Geburtsdatum und -jahr angegeben, jedoch kein Geburtsort. Eine Recherche im cpr-Register und in diversen Online-Suchportalen führte zu keinem Ergebnis.
- Der Suchdienst des Roten Kreuzes kontaktierte daraufhin das Archiv Neuengamme, das mitteilte, dass Peter Nielsen als Deutscher bei ihnen registriert sei. Dieses lag daran, dass er in Aabenraa geboren wurde, das bis 1920 zu Deutschland gehörte. Aus den Kirchenbüchern in Aabenraa geht hervor, dass Peter Nielsen in der Pfarrei Rise geboren und getauft wurde und wie die Eltern hießen.
- Nach Unterlagen des Hamburger Staatsarchivs hatte Peter Nielsen viele Geschwister, sein Vater stammte ursprünglich aus der Kpmmune Haderslev.
Quelle: TV2
„Erst Mitte der 2000er Jahre habe eine massive Kritik aus den Medien dazu geführt, dass die Türen des Archivs wieder geöffnet wurden“, sagt Kommunikationsleiterin im Arolsen-Archiv Anke Münster gegenüber TV 2.
In den letzten Jahren hat das Arolsen-Archiv mit der Aktion #StolenMemory versucht, auf die tausenden Effekte aufmerksam zu machen, die es noch im Archiv gibt. Alle Objekte wurden digital fotografiert und eingestellt, so dass sie unter anderem über den Namen und die Nationalität des Besitzers recherchiert werden können.
Die Aktion hat dazu geführt, dass viele der letzten Besitztümer insbesondere europäischer Häftlinge an ihre Familien zurückgegeben wurden, während sich beispielsweise die russischen Nachlässe in den Archivschubladen noch füllen.
Um den Effekten zusätzliche Impulse zu verleihen, hat das Arolsen-Archiv die nationalen Hilfsorganisationen in den einzelnen Ländern um Unterstützung gebeten. Und hier kommt das Rote Kreuz in Dänemark ins Spiel. „Diese Anfrage erhielten wir zu Weihnachten 2019, als wir gebeten wurden, bei der Suche nach Angehörigen dänischer Häftlinge in Neuengamme mitzuhelfen. Es sei eine ganz andere Aufgabe gewesen, als wir es normalerweise tun“, sagt Christel Winther, Referentin im Suchdienst des Roten Kreuzes, die den Großteil der Ortungsarbeit zu verantworten hat.
Die Hauptaufgabe des Suchdienstes besteht darin, Menschen – typischerweise Flüchtlinge und Migranten – zu helfen, die durch Kriege und Katastrophen den Kontakt zu Familienangehörigen verloren haben. Daher war es eine etwas ungewöhnliche, aber auch bereichernde Aufgabe, die Nachfahren von KZ-Häftlingen aus dem Zweiten Weltkrieg aufspüren zu müssen.
„Es war eine wirklich schöne Erfahrung, die Angehörigen zu treffen und die große Dankbarkeit zu spüren, die jeder Einzelne für den Erhalt der persönlichen Gegenstände gezeigt hat, heißt es von Christel Winther.
Aufgrund der Corona-Beschränkungen war die Suche nach den Angehörigen der verstorbenen KZ-Häftlinge besonders aufwendig, da mehrere Zentralregister und Archive periodisch geschlossen wurden. Dennoch ist es dem Suchdienst gelungen, alle dänischen Fälle mit Ausnahme desjenigen über Peter Nielsen aus Sønderjylland abzuschließen.
In der Doku-Reihe „The Unknown Heritage“, die am Mittwoch auf TV 2 und TV 2 Play Premiere feiert, wird die ganze Geschichte hinter drei von insgesamt 12 Fällen entfaltet, die das Rote Kreuz bearbeitet hat.
Quelle: TV SYD – übersetzt und bearbeitet von
Günter Schwarz – 05.01.2022
Foto: TV2