(Struer) – „Ich trage das immer, wenn ich male. Es ist ein schrecklicher alter Mantel. Die 99-jährige Signe Bjerre Knudsen bereitet sich darauf vor, ihr Atelier zu betreten. Es ist in einem Zimmer der Wohnung in Struer eingerichtet, wo sie seit fünf Jahren lebt. Bevor das Haus verkauft wurde, hatte sie noch eine ganz großes Atelier.

Doch weniger Quadratmeter sind für sie kein Hindernis, wenn das Maler-Gen sein Recht einfordert und Gedanken und Eindrücke mit Pinsel und Spachtel auf die Leinwand kommen. „Ich kann mir eigentlich nicht helfen. Auch jetzt, wo es Winter ist, lasse ich mich inspirieren. Ich habe beim Spazierengehen hoch in den bleigrauen Himmel geschaut, und dann denke ich, ich sollte es einfach versuchen, ihn zu malen“.

Jetzt blicken die gräulichen Landschaftstöne und die kahlen Bäume von derLeinwand und werden um mehrere Schichten Leben ergänzt. „Ich gehöre nicht zu dem Jahrgang, der gelernt hat, alles in Worte zu fassen. Darin bin ich nicht gut“, sagt Signe Bjerre Knudsen. Stattdessen erzählt sie in ihren Bildern Geschichten über ihre Kindheit, die große Liebe, über die Trauer um Verluste, über den Glauben und über den Alltag

Das Gemälde eines Sonnenuntergangs in Oddesund ist eine besonders liebevolle Erinnerung, die jetzt erhalten bleibt. „Mein Mann und ich sind viel gesegelt. Das Motiv verwandelte sich in einen Abend, an dem wir im Boot unser Essen aßen und eine Flasche Rotwein teilten. Es war so ein schöner Abend, an dem wir saßen und zusahen, wie die Sonne am Horizont unterging. Ich dachte, ich müsste es malen. Also nahm ich meinen Aquarellblock und später malte ich es dann auf Leinwand.“

Signe Bjerre Knudsen hat gerade eine Gemäldeausstellung im Menighedshuset bei der Struer Kirke mit 20 Gemälden. „Als sie kamen und fragten, ob ich ausstellen würde, sagte ich, ich würde gerne. Aber dann mussten sie die Bilder selbst aus meinem Depot im Keller, in dem ich wohne, abholen und selbst aufhängen. Ich finde tatsächlich, es ist eine schöne Ausstellung geworden, auf die ich mich freue.“

Signe wurde 1922 geboren und wuchs auf dem Bauernhof Brunsgaard in Nr. Lem bei Lemvig auf. Foto: Privates Foto

Schon als Kind zeichnete sie gerne, aber Papier war Mangelware. Ein Jahr vor Weihnachten bekam sie einen Block mit 10 Blättern geschenkt, die schnell aufgebraucht waren. Es war auch ihre Schulzeit. Wie die meisten in ihrem Jahrgang brach Signe Bjerre Knudsen die Schule ab, als sie konfirmiert wurde, und erhielt nie eine Ausbildung.

„Ich gatte imme den Gedanken, dass ich so dumm war, weil ich nichts gelernt hatte. Aber sie hat etwas dagegen unternommen. Mit 62 Jahren begann sie an der Volkshochschule Struer, wo sie die HF-Prüfung in Dänisch, Psychologie, Deutsch und Englisch ablegte.

„Es stellte sich heraus, dass es mir leicht fiel, Sprachen zu lernen, und ich habe es sehr genossen, auf Reisen zu sein und als ich eine Schwiegertochter aus Russland bekam. Wir konnten uns nur auf Englisch verständigen“m beruchtet sie stolz.

Signe Bjerre Knudsen lebt noch allein und macht sich immer noch warmes Essen. Sie ist Mutter von drei Kindern, die heute 63, 73 und 75 Jahre alt sind. „Ich finde es seltsam, dass sie so alt gewerden sind. Ich möchte nicht, dass es ihnen schlecht geht, also möchte ich hier bei ihnen sein.“

Der Maler Ole Daniels hat dieses Porträt von Signe Bjerre Knudsen gemalt. Foto: Hans Vittarp, TV MIDWEST

Signe Bjerre Knudsen kocht sich jeden Tag warmes Essen. Sie lebt gesund und ernährt sich bei allen Mahlzeiten mt Gemüse. „Ich bin dankbar, dass ich gesund bin und schwere Krankheiten in meinem langen Leben vermieden habe, aber ich bin auch an dem Punkt angelangt, dass ich einen Tag nach dem anderen nehme, wie er kommt. In meinem Alter weiß man ganz genau, dass so etwas schnell passieren kann und es sich nicht lohnt, darpber nachzugrübeln und sich Gedanken zu machen. Ich muss es nehmen wie es kommt“,sagt sie.

Signe Bjerre Knudsen ist eine von sieben Bürgerinnen der Kommune Struer, die dieses Jahr ihren 100. Geburtstag feiern kann.

QUelle. TV MIDTVEST – überarbeitet und veröffentlicht von

Günter Schwarz – 23.01.2022

Fotos: TV MIDTVEST