Der Vandalismus auf dem jüdischen Friedhof in Aalborg im vergangenen Jahr war nur eine der Episoden, die die Regierung zukünftig verhindern will – mit ihrem neuen Aktionsplan von 15 Initiativen zur Eindämmung des Judenhasses.

Mira C. Skadegård, Forscherin für Diskriminierung, Rassismus und Geschlechtergleichstellung und Assistenzprofessorin am Institut für Kultur und Lernen an der Universität Aalborg, begrüßt die Initiative. Sie glaubt, dass ein qualifizierter und wissensbasierter Einsatz dazu beitragen kann, die Zahl der Angriffe auf Juden zu begrenzen, dass wir sie in Zukunft jedoch nie vollständig vermeiden können.

„Es wird immer Extremisten geben, denn selbst wenn diese Initiativen kommen, können sie niemals Gesetze Personen daran hindern, solche Angriffe durchzuführen. Denn es wird immer Menschen mit extremen Einstellungen geben – oder jemanden, der andere umbringt. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie so weit kommen, wird durch Maßnahmen wie diese natürlich verringert.

WAS IST ANTISEMITISMUS?

  • Antisemitismus ist Vorurteil und Hass auf Juden als Gruppe.
  • Der Holocaust, in dem die Nazis versuchten, alle Juden Europas auszurotten, ist der extremste Ausdruck des Antisemitismus.
  • Antisemitismus ist jedoch auch heute noch vorhanden – zuletzt mit einer Reihe von antisemitischen Vorfällen, wie dem Vandalismus an den jüdischen Friedhöfen in Aalborg und Randers, Überfällen, Belästigungen und Terroranschlägen.
  • Mehrere Politiker und Organisationen haben sich seit langem von den Anschlägen distanziert und wollten das Wissen über Antisemitismus priorisieren, um es für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen.

Quelle: faktalink.dk

Die 15 Initiativen wollen ein breites Zeichen gegen Antisemitismus setzen. Unter anderem werden Gelder für die obligatorische Unterrichtung des Holocaust in Grund- und Sekundarschulen, eine verstärkte Ausbildung von Polizeibeamten zur Verhinderung von Radikalisierung und einen verstärkten Fokus auf Umgebungen bereitgestellt, in denen Antisemitismus besonders verbreitet ist.

„Antisemitismus ist in Dänemark in den letzten Jahren leider zu einem großen Problem geworden. Wir wissen aus europäischen Studien, dass einige dänische Juden es vermeiden, Gegenstände mit sich zu führen, die sie als Juden identifizieren können, und dass einige in der Schule und am Arbeitsplatz belästigt werden, nur weil sie Juden sind. Das können und wollen wir nicht hinnehmen“, sagt Justizminister Nick Hækkerup (Socialdemokraterne) zu den Initiativen.

So sahen die Flugblätter aus, die der Täter während des Vandalismus zurückließ. Foto: Archivbild

„Eine der wichtigsten Waffen gegen Antisemitismus ist der Dialog und das Wissen über Diskriminierung im weiteren Sinne“, sagt Mira C. Skadegård. „Meiner Meinung nach gibt es einen wahnsinnig großen Mangel an Dialog über Tabuthemen. Zu viel Reflexion geschieht durch Dialog und das Reden über die schwierigen Themen. Es besteht also ein großer Bedarf dafür. Und das müsse man als Lehrer ernst nehmen“, rät sie.

Und genau hier sei die Idee, Kinder und Jugendliche in der Grund- und Sekundarschule zu unterrichten, wie es die Regierung will. Ein Schritt ist auf dem Weg, glaubt die Forscherin. „Wenn man früh genug breit mit Antirassismus und Antidiskriminierung arbeitet und gute Gespräche und Reflexionen erreicht – und die Inhalte der Lehre gut sind – dann kann man es weit bringen. Antisemitismus sollte nicht allein stehen, sondern im breiteren Kontext von Antidiskriminierung gesehen werden. Andernfalls riskiert man, Diskriminierung zu reproduzieren, indem man nur eine religiöse Gruppe schützt, aber die Diskriminierung anderer religiöser Gruppen ignoriert.“

E“ntscheidend sei aber, dass die Qualität der Lehre hoch genug sei“, betont sie. „Die Lehrer müssen angemessen vorbereitet sein, damit sie das Fach tatsächlich unterrichten können. Es sei wichtig, eine Wissensbasis zu haben und seine Kompetenzen aufzubauen, damit man tatsächlich etwas darüber weiß, wie man rausgehen und was den jungen Leuten sagen muss§, sagt sie und warnt die Regierung: „Wenn die Politik diesen Plan nur aussendet, ohne ihn mit ernsthaftem Kompetenzaufbau bei den Lehrern zu untermauern, dann wirkt das wie reine Symbolpolitik: Wir meinen, was wir meinen – ohne Wirkung“, sagt Mira C. Skadegård.

Der Aktionsplan der Regierung fordert auch eine bessere Ausbildung der Lehrer in diesem Bereich. Er wurde in Zusammenarbeit zwischen Forschern und der Jüdischen Gesellschaft in Dänemark erstellt. Im Zusammenhang mit der Vorstellung der 15 Initiativen betont Kinder- und Bildungsministerin Pernille Rosenkrantz Theil (Socialdemokraterne), man wolle Fälle wie den Vandalismus auf dem jüdischen Friedhof in Aalborg in Zukunft vermeiden.

„Antisemitismus ist völlig inakzeptabel und gehört nirgendwo hin. In jüngster Zeit haben wir zum Beispiel auch erlebt, dass es zu Vandalismus gegen jüdische Friedhöfe gekommen ist. Es ist wichtig, dass alle Generationen aus der Geschichte lernen, damit sie sich nicht wiederholt. Die Schule ist offensichtlich der offensichtliche Ort, um anzufangen“, sagt sie.

„Um dem Antisemitismus in Dänemark auf den Grund zu gehen, müssen wir das Thema ernster nehmen als heute, denn Judenhass existiert unter uns“, betont die Forscherin. „Zuallererst müssen wir erkennen, dass er auch in unserer Nähe existiert. Hier in Skandinavien haben wir die Vorstellung, dass wir gute Menschen sind und dass Diskriminierung und Antisemitismus nur zu den abgefahrenen Typen gehören, weil wir andere Werte haben. Aber das ist nicht richtig. Wir sind arm an Wissen, und dann ist es schwierig, etwas effizient und richtig zu tun – und die notwendigen Initiativen umzusetzen. Wir müssen ein echtes Interesse daran haben, unserem Wunsch gerecht zu werden, bessere Menschen zu werden“, sagt sie.

Insofern ist der Aktionsplan jedoch ein positiver Schritt auf dem Weg, weil er anerkennt, dass Dänemark mit dem Antisemitismus konfrontiert isz. „Dänemark ist ein wunderbares Land, und wir haben das Geld und die Fähigkeiten, um in der Region etwas zu bewirken. Wir müssen zeigen, dass die Diskriminierung anderer schwerwiegende Folgen hat – wir müssen Zähne zeigen. Und wenn wir das tun, können wir ein Pionierland für andere werden“, schließt Mira C. Skadegård.

AKTIONSPLAN 15 INITIATIVEN:

  • Mehr Forschung zum Thema Antisemitismus:
  • Verstärkte Überwachung antisemitischer Vorfälle in Dänemark, u. a. im Internet
  • Kartierung von Wissen über und Erforschung von Antisemitismus. Kinder und Jugendliche müssen über Holocaust und Antisemitismus Bescheid wissen:
  • Obligatorischer Unterricht über den Holocaust in der Grund- und Sekundarstufe.
  • Bildung und Erinnerung an den Holocaust und andere Völkermorde müssen gefördert werden.
  • Die Lehrer müssen vorbereitet sein, um einen Ausschluss von der Schule zu vermeiden.
  • Der Dialog von Jung zu Jung zwischen den Religionen muss verbreitet werden
  • Weitere Informationen über jüdisches Leben und jüdische Kultur in Dänemark.
  • Antisemitismusprävention in besonderen Umfeldern: Fachberatungskurse zu Antisemitismus und Prävention. Verstärkte Polizeiausbildung in der Prävention von Radikalisierung und Antisemitismus.
  • Schutz dänischer Juden und jüdischer Institutionen: Aufrechterhaltung der notwendigen Sicherheitsbemühungen zum Schutz von Juden und jüdischen Einrichtungen.
  • Verstärkter Fokus auf bessere Beratung im Zusammenhang mit antisemitischen Vorfällen an Schulen und Arbeitsplätzen: Ernennung eines nationalen Koordinators zur Bekämpfung des Antisemitismus.
  • Bewaffnung von Vorgesetzten in der dänischen Arbeitsumweltbehörde gegen Antisemitismus und missbräuchliche Handlungen gegenüber anderen religiösen Minderheiten am Arbeitsplatz.
  • Außenpolitischer Fokus auf Antisemitismusbekämpfung: Verstärkter Fokus auf Antisemitismus durch Dialog mit anderen Ländern.
  • Verstärktes dänisches Engagement in der IHRA-Zusammenarbeit. Internationale Feier zum 80. Jahrestag der Rettung der dänischen Juden.

Quelle: Justitsministeriet

Quelle TV NORD – übersetzt und veröffentlicht von

Günter Schwarz – 26.01.2022

Fotos: Archivbilder