An der türkisch-syrischen Grenze spielt sich trotz der momentan 120-stündigen „Feuerpause“ ein humanitäres Drama aufgrund der verbrecherischen Politik Recep Tayyip Erdoğans mit großen geopolitischen Folgen ab.

Deshalb will die Bundesregierung unter den jetzigen Bedingungen, wie sie zumindest verbal vorgibt, auch keine Waffen an die Türkei liefern. Es waren unmissverständliche Worte an die Adresse der Türkei, die die Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag äußerte. Die Türkei destabilisiere mit ihrem Vormarsch Syrien, so Merkel. Sie rief den NATO-Partner erneut dazu auf, den Vormarsch in Nordsyrien zu stoppen.

Es ist eine bemerkenswerte Aussage vor dem Hintergrund der neuesten Zahlen zu den Deutschen Kriegswaffenexporten. Laut der Deutschen Presse-Agentur hat Deutschland der Türkei in den ersten acht Monaten 2019 Kriegswaffen für 250,4 Millionen Euro geliefert. Das ist bereits jetzt der höchste Jahreswert seit 2005, obwohl noch vier Monate bis zum Jahresende fehlen.

„Die türkische Offensive in Nordostsyrien wurde mit deutschen Panzern gestartet“, sagt Heribert Prantl, Inlandchef der „Süddeutschen Zeitung“. Der deutsche Leopard-Panzer sei das Rückgrat der türkischen Armee, sie verfüge über 370 deutsche Kampfpanzer Leopard 2A4 und mehrere hundert ältere Leopard-Panzer. Die Vielzahl an Panzern führe demnach zu einem Kuriosum: „In der Türkei fahren wesentlich mehr deutsche Panzer herum als in Deutschland selber.“

Merkels Ankündigung kommt für Prantl zu spät und hält nicht ein, was sie verspricht. Die Waffenlieferungen an die Türkei hätten ein ungeheures Ausmaß angenommen. Das ist eine Politik, die seit 1990 betrieben wird, damals noch von der sozialdemokratisch/grünen Regierung Schröder/Fischer, und die christlich-demokratisch/sozialdemokratischen Regierungen unter der Pastorentochter, der Bundeskanzelerin Merkel, habe sie bis heute fortgesetzt.

Da die Türkei Partner in der Migrationspolitik sei und Deutschland Angst davor habe, dass die Türkei die Grenzen öffnet und weitere Massen von Flüchtlingen wieder nach Deutschland kommen.

Für die Ankündigungen des Deutschen Außenministers Heiko Maas hat Erdoğan nur Hohn und Spott übrig: „Wenn du etwas von Politik verstehen würdest, würdest du nicht so sprechen.“

Bundesaußenminister Heiko Maas hatte am Wochenende bekannt gegeben, dass wegen der türkischen Militäroffensive in Nordsyrien gegen die Kurdenmiliz YPG keine Lieferungen von Rüstungsgütern mehr an den NATO-Partner genehmigt werden, die in dem Konflikt genutzt werden könnten. Andere Waffenexporte seien aber weiterhin erlaubt. Auch bereits genehmigte Geschäfte sind von dem Lieferstopp nicht betroffen.

Deutschland schaue das türkische Vorgehen gegen die Kurden mit einer Mischung aus Ohnmacht und Wut an, so Prantl. Die Ankündigung von Maas würden jedoch nur einen halbherzigen Eindruck vermitteln und Erdoğan nehme sie nicht ernst. „Wenn du etwas von Politik verstehen würdest, würdest du nicht so sprechen“, sagte Erdoğan an Maas gewandt, und bezeichnete ihn als „politischen Dilettanten“.

„Da kommt der deutsche Außenminister – ein Mann, der seine Grenzen nicht kennt – und sagt: ,Wir werden der Türkei keine Waffen verkaufen. Wir sind am Ende’“, spottete Erdoğan. Nicht er, sondern Maas und damit Deutschland, werde verlieren.

Die türkische Armee verfügt über viele Panzer aus Deutschland.

Was die Türkei zur Zeit in Syrien macht, sei eine brutale menschenrechtswidrige Politik, die mit deutschen Waffen ausgeführt wird, so Prantl. Die Aktionen gegen die Kurden in Syrien hätten schon im Jahr 2018 begonnen – und von den Aktionen gegen die Kurden im eigenen Land ganz zu schweigen.

Die Reaktion Deutschlands sei auch deswegen so sonderbar, weil man bei den Waffenlieferungen grundlegende Fehler gemacht habe. „Man hat keinerlei Einsatzbeschränkungen für die Panzerlieferungen gemacht. Nach den wirtschaftspolitischen Interessen Deutschlands betrachtet war man froh, die Panzer loszuwerden“.

Was müsste Deutschland aus Sicht des Journalisten anders machen? „Man müsste ein echtes Waffenembargo und Wirtschaftssanktionen durchsetzen. All das traut man sich aber nicht, weil die Rolle der Türkei im Migrationsgetriebe zu heikel ist“, sagt Prantl.

von

Günter Schwarz – 20.10.2019