Für Journalisten sind die Philippinen sind eines der gefährlichsten Länder der Welt. Nach der Amtsübernahme des Präsidenten Duterte am 30. Juni ist die Situation für Journalisten noch heikler geworden.

Rodrigo Duterte erhielt von der internationalen Presse einen Spitznamen, der ihm einen gewissen Wiedererkennungswert garantiert, denn die Pressevertreter bezeichnen den Präsidenten der Philippinen gerne als den asiatischen Donald Trump. Beide gefallen sich in der Macho-Pose und machen Wahlkampf (Trump noch, Duterte hatte Erfolg damit) mit populistischen Thesen. Beide lieben die scharfen Töne, und Duterte setzt diese bereits weinge Tage nach seiner Amtseinführung um.

Damit enden jedoch die Parallelen der beiden „Volkstribunen“. Duterte soll Menschenrechtlern zufolge als langjähriger Bürgermeister der Stadt Davao für die Tötung von Hunderten Menschen durch rechte Todesschwadronen mitverantwortlich sein. Im Wahlkampf kündigte er an, Zehntausende Kriminelle töten zu lassen, und setzte Kopfgelder für Drogenbosse aus. Das erste Geld hat er schon ausgezahlt.

Mit großer Mehrheit wurde Duterte im Mai zum Präsidenten seines Landes gewählt. Vor allem das Versprechen der Bekänpfung der Kriminalität im Land und der „Ausmerzung“ von Verbrechen bescherte ihm viele Fürsprecher. Am 30. Juni trat er sein Amt an.

Eine Berufsgruppe hat Duterte jedoch besonders aufgeschreckt. Es sind die Journalisten in seinem Land. Vor Reportern sagte er, dass Medienvertreter nicht vor Gewalt geschützt wird, wenn sie „Lügen“, „Unwahrheiten“ und „Falsches“ berichten. Seine Ausage dazu laute: „Nur weil du ein Journalist bist, bist du nicht von Mordanschlägen ausgenommen, wenn du ein Hurensohn bist!“

Die Vereinten Nationen verurteilten den Kommentar scharf. Er könne als Signal an potenzielle Mörder interpretiert werden, dass sie unter bestimmten Bedingungen straffrei ausgehen, wenn sie Journalisten töten. Das erklärte der UNO-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, David Kaye. Dutertes Sprecher reagierte beschwichtigend und wiegelte ab indem er sagte, der Präsident toleriere keineswegs die Ermordung von Journalisten und rechtfertige diese auch nicht. Dutertes Anhänger reagierten sofort undbehaupten, das Zitat sei aus dem Kontext gerissen worden.

Das Misstrauen bei vielen Medienvertretern bleibt.

Etwa bei der philippinischen Journalismus-Studentin Angelica de Leon. Das Publikum sei in den vergangenen Jahren zunehmend skeptisch gegenüber den Medienvertretern geworden, schreibt sie auf der philippinischen Nachrichtenseite rappler.com. „Im besten Fall verlieren die Journalisten das Ansehen bei ihren Lesern und Zuschauern. Und im schlimmsten Fall werden sie vergewaltigt und umgebracht, wenn sie eine kritische Geschichte bringen., die der Regierung mißfallen“ So wie Duterte nun die Journalisten angehe, werde diese Skepsis noch weiter geschürt. „Seine Worte lassen neutrale Berichterstatter wie eine Bande voreingenommener Gauner aussehen.“

In den kommenden sechs Jahren von Dutertes‘ Amtszeit würden Journalisten nach und nach aus ihren Positionen verschwinden, wenn sie über den Präsidenten kritisch berichten, befürchtet Leon. Ihre Zukunftsvisionen sind düster: „Die Zensur lauert in jeder Nachrichtenredaktion.“

Mehr Journalisten-Morde als Mexiko

Schon jetzt sind die Philippinen eines der gefährlichsten Länder für Medienvertreter weltweit. Seit 1986 wurden dort mehr als 175 Journalisten ermordet, nur im Irak waren es mehr. Auf dem Pressefreiheits-Ranking von „Reporter ohne Grenzen“ landet das Land auf Rang 138 von 180. Die Organisation listet konkrete Fälle auf:

  • Der Radiojournalist Joash Dignos ist eines der prominentesten Opfer der vergangenen Jahre. Er wurde im November 2013 auf der philippinischen Insel Mindanao von Unbekannten mit 28 Schüssen umgebracht, die Täter entkamen. Dignos hatte sich im Programm des Senders DXGT Radio Abante immer wieder kritische geäußert, vor dem Attentat bekam er Morddrohungen.
  • Nur wenige Monate zuvor war der Radiojournalist Jesus Tabanao ebenfalls erschossen worden. Er arbeitete für DYRC Radyo Calungsoa und prangerte Drogenkartelle an.
  • Die beiden Zeitungsjournalisten Bonifacio Loreto und Richard Kho wurden ebenfalls Opfer eines Attentats. Sie schrieben für die „Aksyon Ngayon Newspaper“ und hatten gerade über Korruption innerhalb der Polit-Elite berichtet. Khos Tochter sagte, die Recherche der Journalisten sei vermutlich der Grund für die tödliche Attacke.

„Bei uns werden mehr Journalisten umgebracht als in Mexiko“, sagt Ryan Rosauro vom philippinischen Journalistenverband. „Dabei haben wir keine vergleichbaren politischen Probleme. Wir leben in einer der ältesten Demokratien Asiens.“ Die vielen Morde an Journalisten erklärt er sich mit dem schwachen Justizsystem des Landes. „Es dauert fünf oder sechs Jahre, bis Ermittlungen zu einem Mord abgeschlossen sind und dieser überhaupt verhandelt werden kann.“ Außerdem seien die Politiker sehr auf den Erhalt ihrer Macht bedacht. „Wenn du ihnen im Weg stehst, bringen sie dich um.“

In mindestens einem Fall taucht auch Dutertes Name wieder auf: Im Jahr 2009 ließ ein Clan in der südlichen Provinz Maguindanao 58 Menschen ermorden, darunter waren 32 Journalisten. Dutertes Sprecher gehörte zu den Anwälten der wegen der Morde angeklagten Familie.

Drohungen habe jeder Journalist an dem einen oder anderen Punkt seiner Karriere schon erlebt, erzählt Rosauro. Das führe oft zu einer Selbstzensur, die in Angst vor den Folgen der Berichte begründet ist und als Selbstschutz dient.

Journalismus-Studentin Leon will das nicht akzeptieren. Sie appelliert an andere junge Medienschaffende in ihrem Land: „Bleibt dabei, wenn es das ist, was ihr machen möchtet. Ignoriert die Warnungen eurer Familie und Freunde nicht, aber glaubt weiter daran, dass das, was ihr tut, eine Bedeutung hat. Riskiert nicht euer Leben für eine Geschichte – aber lasst auch nicht die Möglichkeit aus, sie zu erzählen.“

von

Günter Schwarz  – 25.07.2016