(Edinburgh) – Das schottische Parlament in Edinburgh hat am gestrigen Mittwochabend für eine erneute Volksabstimmung über die Unabhängigkeit von Großbritannien gestimmt. Mit einer Mehrheit von 69 zu 59 Stimmen erteilten die Abgeordneten der schottischen Regierungschefin Sturgeon das Mandat für Verhandlungen mit der Regierung in London.

Im Ringen um die schottische Unabhängigkeit und den Verbleib Schottlands in der EU hat das Parlament in Edinburgh über die Forderung nach einem erneuten Unabhängigkeitsreferendums abgestimmt. Die erste Ministerin Schottlands, Nicola Sturgeon möchte damit die Grundlage schaffen, um bei ihrem britischen Äquivalent eine Volksabstimmung über eine Trennung von Großbritannien zu beantragen.

Hintergrund des geplanten Unabhängigkeitsreferendums ist der aktuelle Streit zwischen Edinburgh und London über den Brexit-Kurs der britischen Regierung. Premierministerin Theresa May will infolge des so genannten Brexit auch aus dem Europäischen Binnenmarkt und der Zollunion ausscheiden. Die Schotten, die im Jahr 2016 mehrheitlich gegen den Ausstieg aus der EU gestimmt hatten, lehnen dies ab. Das Angebot Londons, der Regierung in Edinburgh nach den EU-Austritt mehr Kompetenzen einzuräumen, geht den Schotten nicht weit genug. Sie wollen zumindest einen Sonderstatus für Schottland erreichen.

Die entsprechenden Gespräche im Vorfeld der heutigen Abstimmung verliefen laut Sturgeon erfolglos: „Es gab keinerlei Versuch vonseiten der britischen Regierung, einen gemeinsamen Nenner zu finden.

In Folge des Terroranschlags in London in dere vergangenen Woche ruhte die sich seit Längerem abzeichnende Konfrontation zwischen beiden Regierungen. Die Abstimmung selbst wurde auf den heutigen Abend verschoben. Somit geht das Ringen um eine mögliche schottische Unabhängigkeit in eine neue Runde.

Nach ihrer Reaktion auf ein mögliches neues schottisches Referendum gefragt, reagierte Theresa May wortkarg: „Jetzt ist nicht die Zeit.“

Erst im Jahr 2014 waren die Schotten dazu aufgerufen gewesen, über eine Unabhängigkeit der „Bravehearts“ abzustimmen – und entschieden sich mit einer Mehrheit von 55 Prozent dagegen. Ohnehin ist ein rechtlich bindendes Referendum nur mit der Zustimmung Londons möglich. Warum es die schottische Regierung trotzdem darauf ankommen lässt, lässt sich mit den veränderten Rahmenbedingungen erklären.

Etwa 62 Prozent der Schotten hatten beim Brexit-Referendum im Juni des Jahres 2016 für den Verbleib des Vereinigten Königreichs, bestehend aus England, Schottland, Wales und Nordirland, in der Europäischen Union votiert. Ob die Rechnung Sturgeons aufgeht, ist jedoch alles andere als gewiss. Zumindest, wenn man jüngsten Umfragen vertraut. Demnach ist es sehr ungewiss, ob sich die Schotten bei einem erneuten Referendum zu Gunsten eines unabhängigen Verbleibs in der EU und für eine Loslösung vom Vereinigten Königreich entscheiden würden.

Wohl deshalb möchte Sturgeon ihr Wahlvolk aber kurz vor dem offiziellen Brexit, spätestens im Frühjahr – wahrscheinlich im März – des Jahres 2019, erneut in einem Unabhängigkeits-Referendum nach dessen Willen befragen. May lehnt dagegen eine Volksabstimmung in Schottland vor dem Austritt aus der EU ab. Sollte sich London in der Tat gegen eine baldige Abstimmung aussprechen, könnte dies der schottischen Regierung in die Hände spielen und das Referendum am Ende doch zur erhofften Mehrheit für eine Unabhängigkeit Schottlands führen.

von

Günter Schwarz – 29.03.2017