(Berlin) – Die öffentlichen Verwaltungen in Europa nutzen auf ihren Computern fast ausschließlich Software des US-Konzerns Microsoft. Diese Abhängigkeit birgt nach Ansicht internationaler Experten große Risiken, wie das Journalistenteam Investigate Europe und der Berliner „Tagesspiegel“ heute berichteten.

Nach Ansicht des früheren Abteilungsleiters für Informationstechnik und Cybersicherheit im deutschen Innenministerium, Martin Schallbruch, sind viele staatliche Verwaltungen so abhängig von Microsoft, „dass sie nicht mehr die Wahl haben, welche Software sie nutzen wollen“. Schallbruch zufolge laufen die Staaten Europas „Gefahr, die Kontrolle über ihre eigene IT-Infrastruktur zu verlieren“.

„Digitale Souveränität“ Europas in Gefahr

Michael Waidner, Direktor des Fraunhofer-Instituts für sichere Informationstechnik und einer der führenden europäischen Experten für Cybersicherheit, beklagte im Gespräch mit dem Rechercheteam den Verlust der „digitalen Souveränität“ Europas. Staaten und die Europäische Union müssten „in der Lage sein, zu testen, ob Hardware und Software ihrer Informationstechnik nur das tun, was sie sollen und nichts sonst“.

Darum sollten alle Staaten darauf bestehen, dass „ihre Experten alle nötigen Informationen haben, um die Software in sicherheitsempfindlichen Sektoren zu testen.“

„Zugang zu Quellcode unverzichtbar“

Das sei aber mit den Produkten von Microsoft bisher nicht möglich, heißt es weiter. Das US-Unternehmen hält grundsätzlich den Quellcode für seine Programme geheim. Doch nur damit können Fachleute nachvollziehen, wie Programme konstruiert sind, und gegebenenfalls Sicherheitslücken finden.

Das Europäische Parlament hatte bereits 2015 gefordert, dass die EU und ihre Mitgliedsländer bei Software für die staatliche Verwaltung die Offenlegung des Quellcodes von den Anbietern verlangen. Doch sowohl die EU-Kommission als auch die Regierungen verweigern die Umsetzung des Parlamentsbeschlusses. Microsoft verfügt in vielen EU-Staaten über hochrangige Kontakte in die Regierungsapparate, ergaben die Recherchen von Investigate Europe.

von

Günter Schwarz – 09.04.2017