(Straßburg) – Könnte Großbritannien doch noch eine Kehrtwende in Sachen Brexit hinlegen und sich für eine Zukunft in der Europäischen Union entscheiden? So ganz scheinen EU-Politiker diese Hoffnung noch nicht begraben zu haben und machen einen Schritt auf London zu. Am 29. März 2017 beantragte die britische Regierung offiziell den Austritt nach Artikel 50 des EU-Vertrags, der nun bis 29. März 2019 erfolgen soll.

EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker haben Grossbritannien den Verbleib in der EU angeboten. Falls die Briten ihre Meinung änderten, seien „unsere Herzen weiter offen für sie“, sagte Tusk am Dienstag im EU-Parlament in Straßburg.

Falls die britische Regierung nicht noch ihre Meinung ändere, werde der Brexit im kommenden Jahr allerdings Realität – mit all seinen negativen Folgen. „Falls es keinen Sinneswandel bei unseren britischen Freunden gibt“, ergänzte Tusk. Großbritannien will die Staatengemeinschaft am 29. März 2019 verlassen.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fügte kurz darauf hinzu, er hoffe, die Botschaft Tusks komme in der britischen Regierung an. „Ich hätte nicht gerne, wenn dies in London überhört wird.“

Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans bekräftigte das Angebot. Die Europäische Union lasse „selbstverständlich die Tür auf“, sagte er vor den Europaabgeordneten.

Die beiden EU-Spitzenpolitiker reagierten mit ihren Aussagen offenbar auf die in der Vorwoche von Brexit-Wortführer und der ehemalige Vorsitzende der EU-feindlichen Ukip-Partei, Nigel Farage .in Gang gebrachte Diskussion über ein zweites EU-Austrittsreferendum. Dieses sollte nämlich der anhaltenden Debatte über den Ausstieg „abtöten“, erwartet Farage eine noch deutlichere Zustimmung zum Brexit bei einem neuerlichen Referendum. Bei einem zweiten Referendum würden seinen Worten nach viel mehr Menschen für einen EU-Austritt Großbritanniens stimmen als im Juni 2016. Damals hatte nur eine knappe Mehrheit von 52 Prozent für den Brexit votiert.

Auch über eine mögliche Übergangslösung für Großbritannien nach dem Brexit wurde in Straßburg diskutiert. Der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, warnte, seine Fraktion werde diesem Vorhaben nur zustimmen, wenn die Konditionen dafür gut genug seien.

Im Dezember hatte die EU London eine Frist bis Ende 2020 in Aussicht gestellt. Während dieser Zeit könnte Großbritannien trotz Brexits weiter vom EU-Binnenmarkt und der Zollunion profitieren, hätte aber keine Mitsprache mehr in den europäischen Institutionen.

von

Günter Schwarz – 16.01.2018