Alexander Van der Bellen wird der neue österreichische Bundespräsident. In der Stichwahl setzte er sich mit knappem Vorsprung gegen FPÖ-Kandidat Norbert Hofer durch. Seinen Sieg verdankt der 72-Jährige allerdings nicht nur seiner Sachlichkeit, sondern auch der Krise von SPÖ und ÖVP.

Diese Stichwahl hatte es in sich. Kaum noch zu überbietende Spannung, bis der große Sieger schließlich feststand: Alexander Van der Bellen konnte sich in einem Kopf-an-Kopf-Rennen gegen den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer durchsetzen. Van der Bellen konnte 50,3 Prozent der Stimmen für sich gewinnen. Exakt 31.026 Stimmen haben den Unterschied gemacht.

Am 24. April konnte Norbert Hofer noch 35,1 Prozent der Stimmen holen. Van der Bellen hatte mit 21,3 Prozent einen satten Rückstand wettzumachen.

Ein Wahlkampf geprägt von Fernseh-Duellen

Dieser Präsidentschaftswahlkampf war von zahlreichen Fernseh-Duellen geprägt. Alexander Van der Bellen, vor allem aber Norbert Hofer, machten dabei vor dem ersten Wahlgang über weite Strecken eine bessere Figur als Griss, Khol, Hundstorfer und Lugner.

Wie die Wiener Stadtzeitung „Falter“ berichtete, machte Norbert Hofer aus seiner Vergangenheit ein kleines Geheimnis: „Von 1995 bis 1999 besuchte er Seminare wie Rhetorik, Kommunikation, Crash-Rhetorik, Team-Design, Medienarbeit, Projektmanagement und NLP – eine Kommunikationstechnik, die nicht nur in Therapien eingesetzt wird, sondern auch missbraucht werden kann, um andere Menschen zu manipulieren. Über viele Jahre arbeitete Hofer selbst als ausgebildeter Kommunikations- und Verhaltenstrainer.“

Was Van der Bellen betrifft, war dieser schon in seiner langjährigen Phase als Grünen-Chef für seine Sachlichkeit bekannt. Eigenschaften, die offensichtlich sehr viele Wähler als positiv einschätzen.

Während der intensiven Wahlkampfwochen vor der Stichwahl konnte sich in den TV-Duellen keiner der beiden mehr deutlich absetzen. Einmal wurde beiden Kandidaten vorgeworfen, sie seien verbal zu hart miteinander umgegangen, ein anderes Mal hieß es, beide seien langweilig rübergekommen. Unterm Strich gab es also keinen Kandidaten, der die Auftritte wirklich zu nutzen wusste und als klarer Sieger daraus hätte hervorgehen können.

Kandidaten profitierten von der Krise von SPÖ und ÖVP

Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen profitierten in diesem Präsidentschaftswahlkampf natürlich zusätzlich von der Krise, in welcher sich sowohl die SPÖ als auch die ÖVP befinden. Abgesehen davon, dass beide ehemaligen Großparteien bei den letzten Landtagswahlen Verluste hinnehmen mussten, machten sie vor allem auch in Hinblick auf die Wahl zur Hofburg eklatante Fehler.

Mit Rudolf Hundstorfer und Andreas Khol wurden zwei Politiker als Kandidaten ins Rennen geschickt, die nicht wirklich gut dafür geeignet waren. Rudolf Hundstorfer gilt zwar als Pragmatiker, seine Medientauglichkeit hinkte jedoch stets jener von Hofer und Van der Bellen hinterher. Er konnte nur wenig Charisma via TV in Österreichs Wohnzimmern versprühen.

Und von Seiten der ÖVP wurde stets auf die Kandidatur des Paradepolitikers Erwin Pröll spekuliert. Weil dieser nicht antreten wollte, musste Andreas Khol als „Notnagel“ einspringen. Khol hat zwar sehr viel politische Erfahrung mitgebracht. Aber auch er hatte es schwer, besonders beim jungen Publikum in Sachen Ausstrahlung zu punkten.

So kam es zu dem historischen Wahlkampf eines blauen sowie eines „ehemaligen“ grünen Politikers um den Sitz in der Hofburg.

Trotz Niederlage sehr gefasst wirkte FPÖ-Wahlkampfleiter Herbert Kickl: „Die Wahl war ein Riesenerfolg für Norbert Hofer. 50 Prozent Vertrauen für ihn sind eine starke Leistung.“ Kickl betonte, dass die FPÖ über ein viel besseres Personal verfüge, als dies medial kundgetan wird. „Es gibt in der FPÖ viele Norbert Hofers“, so Kickl.

Auf eine mögliche Wahlanfechtung angesprochen meinte er gegenüber dem ORF: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Wir werden beraten und abklären ob es Missstände gegeben hat. Wir halten uns diese Option offen. Eine Wahlanfechtung um der Wahlanfechtung willen streben wir nicht an.“

von

Günter Schwart – 23.05.2016