Neueste Umfragen haben ergeben, dass Europas Bevölkerung den Umgang der EU mit der Asylkrise überwiegend ablehnt und dadurch Europas Politiker arg ins Wanken geraten.

Nach einer breit angelegten neuen Umfrage des angesehenen US Pew Research Centers fällen die Wähler der EU-Länder ein vernichtendes Urteil über die Bemühungen der EU in Bezug auf die Asylkrise. Die Umfrage umfasste zehn EU-Länder, in denen Dänemark nicht enthalten ist. Der Trend in den untersuchten Ländern ist jedoch so eindeutig, dass man mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass er auch für Dänemark Gültigkeit hat.

Die kritische Einstellung zur EU-Asylpolitik scheint sich auch auf die allgemeine Einschätzung der EU zu übertragen. In dem Durchschnitt der zehn untersuchten Länder ist eine negative Haltung der Bevölkerung gegenüber der EU fast so weit verbreitet wie die positive. Die Umfrage weist außerdem sehr deutlich auf das große Begehren hin, dass die EU einen Teil ihrer Befugnisse wieder an die nationalen Regierungen zurückgibt.

Die Meinungsumfrage wurde im April und Mai durchgeführt. Man befragte etwas mehr als 10.000 Menschen in den folgenden Ländern: Deutschland, Schweden, Großbritannien, den Niederlanden, Polen, Ungarn, Frankreich, Griechenland, Spanien und Italien.

Asylpolitik

Die Wähler in diesen Ländern wurden gefragt, ob sie den Umgang mit der Flüchtlingskrise gut heißen und die Willkommenskultur der EU begrüßen oder ob sie diese ablehnen. In allen Ländern gab es eine massive Ablehnung. Die Zustimmung zu der derzeitigen Asylpolitik der EU beträgt überall weniger als ein Drittel der Befragten.

Deutschland befindet sich am positiven Ende zwischen den einzelnen Ländern, und es gibt trotzdem eine überwältigende Mehrheit, welche die EU-Asylpolitik negativ bewertet: 67 Prozent gegenüber den dürftigen 26 Prozent, die die Asylpolitik positiv sehen. Dieses Ergebnis ist besonders interessant, weil die deutsche Kanzlerin Angela Merkel die dominierende Kraft hinter den gemeinsamen EU-Initiativen in Bezug auf die Asylströme gewesen ist. Aber ihr Land ist ihr nicht so absolut dankbar dafür.

Die Studie zeigt auch, dass die Menschen auch von der für die Wirtschaft ausgehenden Bemühungen gegenüber der EU kritischer geworden sind.

Viele stehen der EU negativ gegenüber

Insgesamt litt der Ruf der Union bei den Menschen durch den „sehr schweren Schlag“ aufgrund der Asylkrise. Heute gibt es in den untersuchten Ländern fast genauso viele negative wie positive Stimmen über die EU. Im Durchschnitt haben 51 Prozent eine positive Einstellung gegenüber der EU, während 47 Prozent sie negativ beurteilen. Das stellt eine dramatische Verschlechterung der Unterstützung der Bevölkerung für die EU dar.

Im „Landesinneren“ der EU, in Deutschland, betrugen die Unterstützer der EU im Jahr 2012 noch 70 Prozent der Wähler. Jetzt sind es nur noch 50 Prozent, während fast ebenso viele mit 48 Prozent negativ eingestellt sind!

Weniger Macht für die EU

Bezeichnend ist, ein großer Teil der Bevölkerung will, dass ein Teil der Zuständigkeiten der EU wieder in die einzelnen Länder zurückgeführt wird. Dieser Wunsch ist jetzt sehr viel weiter verbreitet als der Wunsch, der EU mehr Befugnisse zu erteilen. Im Durchschnitt wollen 42 Prozent der Wähler in den Ländern, dass mehr Macht wieder an die Staaten abgegeben wird. Nur 19 Prozent möchten mehr Befugnisse an die EU übergeben. Rund ein Viertel von 27 Prozent will die derzeitige Aufteilung der Macht so er halten, wie sie derzeitig ist.

Auch in dem traditionell „extremen pro-EU“ Deutschland wollen 43 Prozent der Befragten heute die Macht zurück auf die nationale Ebene gebracht sehen, während nur noch 26 Prozent der EU mehr Befugnisse übertragen würden.

Ernste und selbstverschuldete Krise

Die EU befindet sich in einer ernsten internationalen Krise. Das hängt stark mit dem massiven Zuzug von Wirtschaftsmigranten und Asylbewerber nach Europa zusammen. Aber das ist absolut keine Entschuldigung für die politischen Führer, denn die Krise ist wesentlich von ihnen selbstverschuldet.

Die Wähler stützen sich auf eine solide Basis, denn die Asylkrise hat mit dem Umgang der EU damit zu tun, die sich besonders durch Ratlosigkeit und mangelnde Bereitschaft auszeichnet, das zu tun, was zu tun notwendig wäre. Der Asylantendruck hat die EU-Politiker auf die Probe gestellt, und sie sind mit einem kräftigen Knall aufgeschreckt worden.

Effektives Management der Asylströme kam in erster Linie aus einer Reihe von Nationalstaaten, die die Sache selbst in die Hand nahmen. Vor allem die Schließung der Balkanroute. Aber diese Eingriffe wurden von der EU-Spitze und Angela Merkel vehement kritisiert und bekämpft.

Derzeit steht die EU vor einer neuen großen Herausforderung, weil der Zustrom von Wirtschaftsflüchtlingen aus Afrika eine echte Dynamik in sich birgt. Dennoch hat die EU keine realistischen und wirksamen Antworten auf diese Herausforderung. Man präsentiert nach außen nur seine eigene Hilflosigkeit und Ohnmacht.

Jeder wartet auf die Briten

Während momentan alle mit angehaltenem Atem auf das britische Referendum am 23. Juni warten, und wenn es mit dem Brexit endet, der in der Folge ein britischer Rückzug bedeutete, würde die EU einen neuen großen Schlag bekommen, der nur schwer zu verdauen ist.

Europa befindet sich in einer sehr ernsten Lage, und ob die politischen Führer ihrer historischen Aufgabe gewachsen sind, muss abgewartet werden, wobei Zweifel erlaubt sind.

von

Günter Schwarz – 12.06.2016