Ein Paukenschlag im Stuttgarter Landtag: Jörg Meuthen und zwölf Abgeordnete verlassen die Fraktion. Bis zuletzt gab es Streit über antisemitische Äußerungen von Wolfgang Gedeon. Frauke Petrys Rolle ist unklar.

Die von Grabenkämpfen erschütterte AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag bricht auseinander. AfD-Chef Jörg Meuthen sowie zwölf weitere Abgeordnete verlassen die Fraktion. „Wir bedauern ausdrücklich, die Trennung vollziehen zu müssen“, sagte Meuthen, der die Fraktion im Landtag in Baden-Württemberg führt. Zuvor hatten die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und die „Südwest Presse“ von einem Rückzug Meuthens berichtet.

Grund des Rücktritts sei der Streit über den mit Antisemitismus-Vorwürfen konfrontierten AfD-Politiker Wolfgang Gedeon. Es kam zu der Eskalation, als Anfang der Woche den AfD-Landtagsabgeordneten zwei Gutachten zu den Antisemitismus-Vorwürfen vorgelegt wurden.

Beide kamen zu dem Ergebnis, dass die Schriften Gedeons eindeutig als antisemitisch zu bewerten seien. Daraufhin forderte Meuthen die Fraktion auf, Gedeon auszuschließen. Hierzu aber waren nur 13 der insgesamt 23 Abgeordneten bereit. Somit wurde die für den Ausschluss erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit klar verfehlt. Meuthen zog daraus nun die Konsequenz, die Fraktion zusammen mit seinen Unterstützern zu verlassen. Antisemitismus „kann und darf keinen Platz in der AfD haben“, sagte er am Dienstagnachmittag.
Petrys Einmischung ist unerwünscht

Rückendeckung erhält Meuthen vom AfD-Bundesvorstand. Der beschloss am Dienstag eine Erklärung, wonach man es „aufs Schärfste missbilligt“, dass Mitglieder der AfD-Fraktion „den Ausschluss von Wolfgang Gedeon aus der Fraktion verhindert haben“. Diese Mitglieder würden den Verbleib eines Abgeordneten „akzeptieren, dessen Schriften eindeutig antisemitische Aussagen enthalten“.

Daher begrüßt der Bundesvorstand Meuthens Entscheidung und „distanziert sich“ von denen, die nicht mit Meuthen gehen. Der AfD-Bundesvorstand will ab jetzt nur noch Meuthen und dessen Unterstützer „als Vertreter der AfD im Landtag von Baden-Württemberg anerkennen“. Ob das allerdings parlamentsrechtlich geht – ob also austretende Abgeordnete gewissermaßen ihre Partei in eine neue Parlamentsgruppe mitnehmen können –, ist unklar.

Unklar ist auch die Rolle der zweiten Bundesvorsitzenden Frauke Petry. Die nämlich hatte Meuthen wegen seines Ausschluss-Ultimatums mehrfach angegriffen. Sie war nicht anwesend, als der Bundesvorstand den Unterstützungsbeschluss für Meuthen fasste.

Offenbar aber plante Petry nach Informationen der „Welt“ ihre Anwesenheit bei der Pressekonferenz, auf der Meuthen am Dienstag seinen Austritt bekannt gab. Petry wollte, so ist aus Parteikreisen zu erfahren, nach Stuttgart kommen und die Sache gemeinsam mit Meuthen darlegen. Meuthen aber soll dies im Vorfeld abgelehnt haben, auch weil er sich in den vergangenen Wochen heftig über Petrys angebliche Einmischung in die Stuttgarter Geschehnisse aufgeregt hatte.

Berufen konnte sich Meuthen bei seiner Ablehnung der Petry-Teilnahme darauf, dass der Bundesvorstand erst vor wenigen Tagen auf einer Klausur in Braunlage beschlossen hatte, es solle künftig keine Einmischung von außen mehr in die internen Angelegenheiten der Landesverbände und Landtagsfraktionen geben.

Meuthen forderte Rauswurf Gedeons

Gedeon hatte vor zwei Wochen erklärt, seine Mitgliedschaft in der Fraktion bis September ruhen zu lassen. Bis dahin wollte die AfD sich früheren Angaben zufolge eigentlich zunächst Gutachten zu seinen Aussagen erarbeiten lassen. Auf deren Grundlage wollte sie über einen Ausschluss beraten. Zwei dieser Gutachten waren aber schon jetzt fertig.

Einen Rauswurf Gedeons hatte die Fraktion zuvor abgelehnt, obwohl Fraktionschef Meuthen ihn gefordert und mit seinem eigenen Rücktritt gedroht hatte. Er blieb aber zuletzt dennoch im Amt.

Im baden-württembergischen Landtag führte Meuthen bis zu seinem Rückzug die größte Oppositionsfraktion. Auf Anhieb hatte die AfD bei der Landtagswahl im März 15,1 Prozent der Stimmen erreicht.
„Das Ergebnis ist ihr politischer Bankrott“

„Jörg Meuthen ist in die Falle getreten, die er selbst aufgestellt hat“, kommentierte Grünen-Fraktionsvorsitzender Andreas Schwarz dessen Rücktritt. Meuthen habe keine rote Linie zu Antisemiten und Rassisten gezogen, solange sie seine Machtbasis verbreitert hätten. „Nun stürzt er über jene Kräfte, die er angelockt hat.“ Das „Wesen der AfD“ sei offengelegt, die bürgerliche Fassade zum Einsturz gebracht. „Das Ergebnis ist ihr politischer Bankrott“, so Schwarz in einer Mitteilung.

CDU-Generalsekretär Manuel Hagel erklärte in Stuttgart, die AfD-Fraktion spalte sich auf. „Das zeigt: Diese Partei – ohne Programm, ohne Werte und ohne klare Haltung – hat keine innere Bindung und keine Zukunft.“

Gedeon hält unter anderem das Leugnen des Holocaust für eine legitime Meinungsäußerung. Er hatte den Holocaust in seinen Schriften als „gewisse Schandtaten“ verharmlost und damit Kritik von vielen Seiten auf sich gezogen. Zudem hatte er Holocaust-Leugner als „Dissidenten“ bezeichnet und so mit Menschen verglichen, die für ihr politisches Engagement in autoritären Regimes verfolgt werden.

AfD-Bundesvize Alexander Gauland hatte das Vorgehen der baden-württembergischen AfD-Landtagsfraktion in der „Welt am Sonntag“ kritisiert. Es sei falsch, bis Herbst zu warten mit einer Entscheidung, weil klar sei, dass die umstrittenen Äußerungen Gedeons in Büchern antisemitisch seien. So sei Gedeons Satz „Das Talmud-Judentum ist der innere Feind des christlichen Abendlandes“ ein hinreichender Beleg für antisemitisches Gedankengut.

von

Günter Schwarz – 06.07.2016