Unablässig tutet eine Hupe, die ein paar versprengte Antifaschisten nutzen, um den Landesparteitag der rechtspopulistische Partei Alternative für Deutschland (AfD) zu stören, die vom Bahnhof zum Hohen Arsenal gezogen waren. Der Großteil der Demonstranten ist noch am Sonnabend wie geplant nach gut drei Stunden Protest weitergezogen, aber eine Handvoll jüngerer Leute bleibt hartnäckig. Wegen des Sommerwetters sind die Fenster des Rendsburger Bürgersaals im Hohen Arsenal geöffnet – die AfD-Mitglieder können die Demonstranten also immerhin hören, auch wenn die ihr Ziel, den Parteitag zu verhindern, nicht erreicht haben.

Bunte Sprüche für die Vielfalt

Die Volkshochschule, die die Räumlichkeiten nach einem Urteil des Amtsgerichts Rendsburg den Rechtspopulisten zur Verfügung stellen muss, hat Plakate aufgehängt, auf denen von der Vielfalt der Gesellschaft die Rede ist. Wer den Steinboden vor dem Gebäude in bunten Farben mit Sprüchen wie „Refugees Welcome“ und „AFD ist so 1933“ bemalt hat, ist nicht bekannt. Bürgermeister Pierre Gilgenast (SPD) freut sich trotzdem darüber.

Während es draußen also bunt zugeht, wird es drinnen langsam ernst. Nach einem Chaos-Parteitag im Frühjahr, bei dem alter und neuer Vorstand sich auf offener Bühne stritten, will die AfD an diesem Wochenende zeigen, dass sie wählbar ist. Erster Schritt: Die Wahl der Direktkandidaten.
Wettern gegen die Antifa und gegen Parteikollegen

Viele der Bewerber, die sich vorstellen, haben keine politische Vorerfahrung, wollen aber etwas gegen die etablierte Politik, den „Filz“, unternehmen. Andere haben schon in anderen Parteien Erfahrung gesammelt, manche sogar in mehreren. Einer war zeitweise bei den Republikanern. Wieder andere nehmen den Protest von draußen als Vorlage: Er werde sich „nicht von der Antifa einschüchtern lassen“, verkündet ein Bewerber.

In den Vorstellungsreden und anschließenden Fragen offenbaren sich auch persönliche Animositäten. Bewerber werden teils harsch angegangen. Dabei geht es um Auseinandersetzungen in einem Kreisverband oder um ganz Grundsätzliches. „Ich erwarte von Ihnen, dass sie zu Deutschland stehen“, fordert ein Besucher des Parteitags von dem Mann mit der Kurzhaarfrisur, der sich gerade um eine Direktkandidatur bewirbt.

Ruhiger Einsatz für die Polizei

Draußen hupen die Antifaschisten weiter. Die Polizei hat aber keine Probleme und ist mit dem Einsatzverlauf zufrieden. Ein paar Personalien wurden festgestellt, weil drei junge Leute Böller gezündet haben. Ansonsten keine besonderen Vorkommnisse. Jörg Nobis, AfD-Landessprecher, nimmt den Widerstand gegen den Parteitag gelassen. „Das kennen wir schon“, sagt er lächelnd, als er einen Blick durchs Fenster wirft, um die Demonstranten in Augenschein zu nehmen.

Zwischen Heimatliebe und verbaler Aufrüstung

Aber womit will die AfD im Wahlkampf punkten? Was wird im Programm stehen? Der Landesvorstand hat einen Entwurf vorgelegt, der in weiten Teilen von dem Programm Baden-Württembergs einfach abgeschrieben wurde, wobei dann nur „Baden-Württemberg gestrichen und Schleswig-Holstein einsetzt werde3n musste. Zudem deckt sich vieles darin mit dem Parteiprogramm der Bundespartei. Etwa die Forderung nach einer schärferen Asylpolitik oder nach strengeren Regeln im Euro-Raum. Landespolitische Forderungen sind eher wenige zu finden. Die Landespolizei soll bei Bedarf nach Ansicht der Verfasser militärisch ausgerüstet werden, mit dem G36, das die Bundeswehr ja nicht mehr will. Die Gewehre sollen etwa bei Terroralarm verfügbar sein.

Recht, Ordnung und christliche Werte

Außerdem sollen die Bürger mehr mitentscheiden dürfen. Die Hürden für Volksentscheide sollen gesenkt werden. Christliche Werte sollen in Schleswig-Holstein die Grundlage sein. Das Kirchenasyl für abgelehnte Asylbewerber will die AfD aber abschaffen. Schließlich sei eine „Kirche kein rechtsfreier Raum“, meint Landessprecher Nobis.

Überhaupt dreht sich der größte Teil des Wahlprogramms um die innere Sicherheit, wobei 500 zusätzliche Polizisten jährlich her sollen. Richter sollen entlastet werden – außerdem soll ein Qualitätsgremium ihre Arbeit bewerten, „um Fehler… zu ermitteln und Vermeidungsstrategien zu entwickeln.“
Warnung vor „unwiderstehlichen“ Sozialleistungen

Zudem warnt die AfD auch in Schleswig-Holstein vor falschen Anreizen für Zuwanderer – um zu verhindern, dass Menschen aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen. Konkret heißt es dazu: „Die den Asylbewerbern in Deutschland zustehenden Sozialleistungen sind nach Art und Umfang weltweit einmalig. In ihrer unwiderstehlichen Anziehungskraft locken sie Menschen über das Meer und häufig in den Tod.“

Im Entwurf für das Wahlprogramm appellieren die Verfasser auch an die Verbundenheit der Schleswig-Holsteiner mit ihrem Land. „Die Geschichte Schleswig-Holsteins ist so reichhaltig wie die nordische Natur, mit ihren Knicklandschaften, den leuchtenden Rapsfeldern und den Wolkenbergen vor stahlblauem Himmel.“

von

Günter Schwarz – 10.09.2016