Die Bundesbank hält den Anstieg des Rentenalters auf 69 Jahre für nötig, um die gesetzliche Rente zu längerfristig zu stabilisieren. Notwendig machen das gesunkene Geburtenraten und eine steigende Lebenserwartung. Die deutsche Presse lobt die Geldhüter aus Frankfurt dafür, dass sie eine unangenehme Wahrheit aussprechen – und damit die Aufgabe der Politiker übernehmen.

Für die Kommentatoren der Nürnberger Nachrichten klingen die Zahlen, mit denen die Bundesbank ihr Plädoyer für die Rente mit 69 angesichts der Bevölkerungsentwicklung begründet, schlüssig und logisch: „Auch hier muss gelten: Je differenzierter und flexibler eine Reform, desto besser.“ Nicht jede Berufsgruppe könne, aber mancher Beschäftigte möchte gern länger arbeiten. „Und: Immer mehr zeigt sich, dass der fast nur für die Anbieter profitable Einstieg in die private Vorsorge („Riester-Rente“) ein Missgriff war.“ Je breiter die gute alte gesetzliche Rente aufgestellt sei, je mehr Menschen da einzahlen, desto stabiler ist die Altersvorsorge – und gerechter, erkennen die Nürnberger Nachrichten.

„Die Deutschen leben glücklicherweise immer länger, aber sie gehen – zumindest einige – dank der großen Koalition früher in Rente“, schreibt die Welt. Und fragt sich: „Wer das bezahlen wird? Die schrumpfende Zahl junger und jüngerer Bundesbürger.“ Es sei ein Verdienst der Bundesbank, in ihrem Monatsbericht auf die kalkulierte Naivität des aktuellen Renteneintrittsalters hinzuweisen, urteilt die Zeitung aus Berlin. Sie tue, was viele Parteien und Politiker verdrängen: unangenehme Wahrheiten aussprechen. „Zum Beispiel, dass es nötig sein wird, das Rentenalter bis 2060 auf 69 Jahre zu erhöhen, um das Versorgungsniveau zumindest ansatzweise zu stabilisieren. Der Wohlstand im Alter muss durch eine längere, andere Arbeitsbiografie verdient werden.“ Wertschöpfung und Wertschätzung der Mitarbeiter müssen in eine neue Balance gebracht werden, mahnt die Zeitung.

Für die Berliner Zeitung lenkt der provokative Ruf der Frankfurter Geldhüter nach der Rente mit 69 den Blick in die richtige Richtung: „Im Augenblick sind die Rentenkassen noch gut gefüllt. Doch schon in ein paar Jahren wird sich das ändern. Eine Abkehr von den rot-grünen Rentenreformen, wie sie von CSU-Chef Horst Seehofer bis zu SPD-Chef Sigmar Gabriel leichtfertig propagiert wird, mag kurzfristig populär sein.“ Langfristig würde sie das Dilemma des Umlagesystems aber dramatisch verschärfen, stellt das Blatt fest.

Die Kunst einer geschickten Rentenpolitik besteht darin, beiden Seiten gerecht zu werden, erkennt die Rhein-Neckar-Zeitung: „Denen, die aufgrund einer starken körperlichen Belastung schlicht nicht mehr können und denen, für die es keine Zumutung ist, auch noch mit 68 ins Büro zu gehen.“ Mit flexibleren Hinzuverdienstmöglichkeiten oder auch mit Lockerungen der Rentenpflicht bei Erreichen von Altersgrenzen, ließen sich die besten Ergebnisse erzielen. Dass es allerdings langfristig etwas mehr Arbeitszeit sein wird, daran bestehe schon heute kein Zweifel, heißt es aus Heidelberg. „Der dritte Lebensabschnitt bekommt ein neues Gesicht.“

„Die Deutsche Bundesbank hat – unabhängig und mit ausgezeichneten Finanzmathematikern bestückt – nur wieder einmal die Wahrheit gesagt“, heißt es in der Südwest Presse. Für die Kommentatoren steht fest: „Unser Rentensystem wird nach 2030 in der jetzigen Form implodieren. Wahlweise steigen entweder die Beiträge ins Astronomische oder die Leistungen sinken ins Bodenlose.“ Grund sei der Renteneintritt der sogenannten Babyboomer, der das Verhältnis Arbeitnehmer zu Rentnern auf den Kopf stellen werde. „Jeder Experte, jeder in politischer Verantwortung weiß das. Doch stattdessen fabulieren Sigmar Gabriel und Horst Seehofer von einer Rentenreform, die bis zum Jahr 2040 600 Milliarden Euro kosten wird.“ Um die Klientel der älteren Wähler ruhig zu stellen, solle die Zukunft der heutigen Schüler, Azubis und Studenten mit einem Schuldenberg verbaut werden, kritisieren die Kommentatoren aus Ulm.

von

Günter Schwarz – 13.09.2016