Fünf Tage nach dem gewaltsamen Tod eines US-Bürgers bei einer Polizeikontrolle geben die Behörden bislang unbekannte Aufnahmen vom Tatort frei. Das Beweismaterial soll die Darstellung der Beamten stützen – kann aber nicht alle Zweifel ausräumen.

Unter dem Eindruck der seit Tagen anhaltenden Proteste bemüht sich die Polizei in der US-Stadt Charlotte um Klarstellung mit der Veröffentlichung von Videoaufnahmen. Die Behörden versuchen dem Eindruck entgegenzutreten, die US-Polizeibeamten hätten – wie in einer Reihe früherer Fälle – erneut einen unbewaffneten Schwarzen grundlos erschossen.

Bewaffnet oder unbewaffnet?

Die neuen Aufnahmen zeigen den Ablauf der tödlich eskalierten Polizeikontrolle vom vergangenen Dienstag aus dem Blickwinkel der Sicherheitskräfte. Die Polizei bekräftigte, dass der erschossene Mann namens Keith Lamont Scott offensichtlich bewaffnet gewesen sei und eine Bedrohung dargestellt habe. Scotts Frau hatte zuletzt eigene Videoaufnahmen des Vorfalls veröffentlicht, die nach Einschätzung vieler Beobachter das Gegenteil nahelegen. Ihrer Darstellung nach war ihr Mann unbewaffnet und stellte keine Gefahr für die Beamten dar.

Diese Frage ist für die öffentliche Meinung in den USA von erheblicher Bedeutung. Die Tötung eines angeblich unbewaffneten Schwarzen hatte in den vergangenen Tagen im US-Bundesstaat North Carolina massive Proteste und teils auch schwere Ausschreitungen ausgelöst. Sollte sich gerichtsfest beweisen lassen, dass Scott bewaffnet war, entzöge das den Protestkundgebungen die wichtigste Argumentationsgrundlage.

Verdeckt getragene Schusswaffe

Unter dem Eindruck der Ausschreitungen und des tagelangen Ausnahmezustands in der US-Großstadt veröffentlichten die Behörden am Wochenende auch neue Fotos vom Tatort, die unter anderem eine auf dem Boden liegende kleine Handfeuerwaffe und ein Knöchelholster zeigen. Beides sei nach dem Vorfall sichergestellt worden, hieß es in einer ausführlichen schriftlichen Mitteilung. Zur selben Zeit wurden zwei Videos vom Vorfall veröffentlicht, die von einer Polizei-Körperkamera und einer Kamera auf dem Armaturenbrett eines Streifenwagens stammen.

Auf einem der beiden Videos scheint Scott nach ersten Experten-Einschätzungen etwas in der Hand zu halten, aber was, ist nicht eindeutig zu erkennen. Nach Polizei-Angaben hatten Beamte Scott bei dem Vorfall am vergangenen Dienstag zunächst mit einer Marihuana-Zigarette in seinem Auto sitzen gesehen, kurz danach mit einer Waffe in der Hand. Als er schließlich nach wiederholter Aufforderung ausgestiegen sei, habe er sich geweigert, seine Waffe niederzulegen.

Tatsächlich sind in einem der Videos mehrere Rufe zu hören: „Put your gun down!“ („Legen sie die Waffe nieder!“) Scotts Familie beharrt dagegen darauf, dass der Mann keine Bedrohung dargestellt habe. Eines der Videos zeige, dass er sich zum Zeitpunkt der Schüsse von den Polizisten wegbewegt habe, argumentierte sie am Samstag auf einer Pressekonferenz. Am selben Tag waren in Charlotte wieder Hunderte Menschen aus Protest gegen die Schüsse auf die Straße gegangen.

von

Günter Schwarz – 26.09.2016