Eine in Syrien entführte freie Journalistin und ihr in Gefangenschaft geborenes Kind sind wieder auf freiem Fuß. Während der Gefangenschaft brachte die Frau ihr Kind zur Welt. Der Fall machte Anfang des Jahres Schlagzeilen, weil das Nachrichtenmagazin Focus entgegen aller Warnungen aus Politik und Ermittlerkreisen die Identität der Frau sowie Details der Entführung öffentlich gemacht hatte.

Die Journalistin, die vergangenes Jahr in Syrien verschwunden war, und ihr Kind seien am Mittwoch frei gekommen und hätten noch am selben Tag die Grenze zur Türkei überquert, wie eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte. Im Auswärtigen Amt hält man sich hinsichtlich der Hintergründe bedeckt – man spricht von einem „Verschwinden“ der Frau, nicht von einer Entführung. Die Bundesregierung sei „erleichtert über den guten Ausgang dieses Falles in einer außerordentlich schwierigen Gesamtlage in Syrien“, heißt es weiter.

„Die Deutsche und ihr in der Geiselhaft zur Welt gekommenes Kind sind den Umständen entsprechend wohlauf und befinden sich in der Obhut deutscher Konsularbeamter und Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes“, erklärte die Sprecherin weiter. Für die Frau und das Kind werde jetzt die Rückkehr nach Deutschland vorbereitet.

Weiter dankte das Ministerium dem zuständigen Krisenstab, der sich „intensiv um eine Lösung des Falls bemüht“ habe. Dieser war zwischenzeitlich seitens der Medien sehr erschwert worden. Circa drei Monate nach Verschwinden der Journalistin, die unter anderem für die öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsender wie den NDR und einige Zeitungen tätig war, brach das Nachrichtenmagazin „Focus“ ein Tabu und veröffentlichte den Fall.

Dabei nannte das „Burda“-Blatt den Namen der Journalistin sowie Details zur angeblichen Entführung von Terroristen der Al-Nusra-Front. „Focus“ schrieb damals auch über die Schwangerschaft der Frau. Als Quelle nannte der Chefreporter Josef Hufelschulte Mitarbeiterkreise des angeblich involvierten BKA. Demnach sei die Journalistin „gezielt mit angeblichen Exklusiv-Informationen in das Land gelockt“ worden. „Maßgeblich beteiligt an der Geiselnahme ist vermutlich die Gefährtin eines gefährlichen islamistischen Brüderpaars aus Bad Godesberg“, schrieb der „Focus“ weiter. Andere Medien – darunter die ebenfalls zur „Burda“ gehörende „Huffington Post“ – griffen den Fall ausführlich auf.

In der Medienbranche wie auch in der Politik stieß das Verhalten auf großes Unverständnis und sorgte für Entsetzen. Zurückhaltung bei Entführungen ist ein ungeschriebenes Gesetz. Im Dienste des öffentlichen Interesses ist eine Berichterstattung zwar naheliegend. Doch gerade dadurch können Journalisten bisherige und sensible Verhandlungen ungewollt torpedieren. „Im Fall von Entführungen ist immer auch ein öffentliches Interesse vorhanden, dem die Berichterstattung durch ihr Selbstverständnis nachkommen muss – allerdings oft erst, nachdem die Situation geklärt ist und die Geiseln in Sicherheit sind“, erklärt dazu Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen.

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Günter Schwarz – 02.10.2016