Kurz nach seiner Festnahme nimmt sich der mutmaßliche IS-Terrorist Jaber al-Bakr in der JVA Leipzig das Leben. Seine Familie kritisiert und hält das Verhalten der sächsischen Behörden für fahrlässig – und stellt gar den Suizid generell in Frage. Die Familie des toten Terrorverdächtigen Jaber al-Bakr will mehr Details zu seinem Selbstmord erfahren.

Die Familie des toten Terrorverdächtigen Jaber al-Bakr will einem Medienbericht zufolge eine Strafanzeige gegen Beamte der sächsischen Justiz wegen fahrlässiger Tötung erstatten. Alexander Hübner, der Leipziger Anwalt der Familie, sagte dem Rechercheteam der „Süddeutschen Zeitung“, des NDR und des WDR, es müsse geprüft werden, ob die Behörden fahrlässig gehandelt hätten, als sie al-Bakr in einem gewöhnlichen Haftraum allein ließen.

Der mutmaßliche Terrorist hatte sich in der vergangenen Woche in seiner Zelle in der Untersuchungshaft in Leipzig erhängt. Der syrische Flüchtling soll Kontakte zum Islamischen Staat (IS) gehabt haben. Am 8. Oktober war er der Polizei in Chemnitz knapp entkommen. In einer von ihm genutzten Wohnung wurden anderthalb Kilogramm hochexplosiven Sprengstoffs gefunden. Mehrere Syrer, bei denen al-Bakr in Leipzig um einen Übernachtungsplatz bat, überwältigten und fesselten den 22-Jährigen. Am Mittwoch vergangener Woche erhängte sich al-Bakr in der Justizvollzugsanstalt Leipzig.

Der in Syrien lebende Bruder des Toten, Alaa al-Bakr, zweifelte seither an, dass es sich überhaupt um einen Suizid gehandelt hat. „Selbst wenn er IS-Mitglied war: Die begehen keinen Selbstmord“, hatte er der „Welt“ gesagt. Das sei im Islam verboten. „Ich bin mir wirklich sicher, dass die Polizei ihn umgebracht hat.“ Bei der Obduktion des Leichnams war keine Fremdeinwirkung festgestellt worden. Die Obduktion der Leiche hatte ergeben, dass der 22-jährige Al-Bakr durch Erhängen starb. Eine Fremdeinwirkung wurde nicht festgestellt. „Im Ergebnis der bisher durchgeführten Ermittlungen geht die Staatsanwaltschaft Leipzig davon aus, dass der Verstorbene Suizid begangen hat“, hatte Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz bekannt gegeben.

Al-Bakr war nach seiner Festnahme am 10. Oktober zunächst einer Haftrichterin vorgeführt worden. Dort hatte Al-Bakr angekündigt, dass er die Nahrung verweigern werde. Die Haftrichterin sah deshalb die Gefahr, Al-Bakr könne sich das Leben nehmen, und gab diese Information auch weiter. In der JVA wurde Al-Bakr von einer Psychologin befragt, die daraufhin die Einschätzung traf, er sei nicht akut suizidgefährdet. Kurze Zeit später, am Abend des 12. Oktober, fand eine Auszubildende der JVA Al-Bakr tot in seiner Zelle.

Weitere Panne der sächsischen Behörden?

Die Leipziger Oberstaatsanwältin Claudia Laube führt bereits routinemäßig ein Ermittlungsverfahren zur Todesursache. Dem Bericht zufolge könnte sich die Familie al-Bakrs als Nebenklägerin in dieses Verfahren einschalten. Wegen der Pannen bei der Festnahme und des Suizids stehen die Behörden in Sachsen in der Kritik. Nach Informationen des „Spiegel“ unterlief der sächsischen Polizei im Fall al-Bakr ein weiterer Fehler.

Der mutmaßliche Islamist soll demnach bereits Ende August in einem Leipziger Hotel mit Chemikalien zur Sprengstoffherstellung experimentiert haben. Dabei habe er die Küche des Apartments schwer beschädigt. Fotos von den Schäden zeigten Rußspuren, mögliche Brandflecken an der Abzugshaube und Spuren am Spülbecken wie von Säureschäden. Nach Angaben des „Spiegel“ erstattete der Besitzer des Hotels nach al-Bakrs Verschwinden Anzeige. Allerdings habe die Polizei den Vorfall als Sachbeschädigung gewertet , ohne die Brisanz der Spuren zu erkennen.

von

Günter Schwarz  – 22.10.2016

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