Kommissar Borowski (Axel Milberg) und seine Kollegin Sarah Brandt (Sibel Kekilli) kommen bei ihren Ermittlungen in Islamisten-Kreisen dem Staatsschutz in die Quere. Abteilungsleiter Kesting (Jürgen Prochnow) ist nicht erfreut. (Foto: Carsten Rehder)
Wieder einmal nahm sich ein Tatort eines aktuellen Themas an. Im Mittelpunkt des Kieler Tatorts mit den Ermittlern Borowski (Axel Milberg) und Brandt (Sibel Kekilli) stand ein 17-jähriges Mädchen auf Bindungs- und Sinnsuche, das zum Islam konvertierte und schließlich unter den Einfluss des IS geriet. Einiges war an der Handlung entbehrlich und wirkte gar aufgesetzt.

Zur Handlung: Die 17-jährige Julia will Muslimin werden, sie geht in die Moschee und will ins Herrschaftsgebiet des sogenannten Islamischen Staats reisen. Das passt vielen nicht, vor allem ihrem Bruder. Als Julia die Polizei verständigt, weil sie Angst um die verschwundene Mitschülerin Maria hat – die wird bald darauf tatsächlich tot aufgefunden – nehmen die Kieler Kommissare Borowski und Brandt die Ermittlungen auf.

Diese „Tatort“-Folge unter der Regie von Raymond Ley widmete sich dem Thema Islamismus und der Gefahr, die von ihm für die Jugend ausgeht. Stimmig und gut recherchiert wurden Situationen geschildert, wie sie in vielen deutschen Familien und Klassenzimmern derzeit auftreten könnten. Dabei war Mala Emde der Star und als Julia die Idealbesetzung. Sie überzeugte mit ihrem Hin- und Hergerissensein zwischen der Faszination für den Islam und ihren eigenen Wurzeln im christlichen Glauben und ihrer Familie.

Diese hervorragend  gespielt Julia von Mala Emde ging in „Borowski und das verlorene Mädchen“ mit Nikab durch die Kieler Innenstadt und registrierte durch den Sehschlitz die Irritation, die Ablehnung, den Hass, den sie damit bei den Menschen auslöste – und brachte ihnen grundsätzlich ähnliche Gefühle entgegen.

In die Aufmerksamkeit der Kommissare Borowski und Brandt geriet sie, als sie die Vermutung äußerte, dass ihr Bruder ihre Mitschülerin Maria getötet hat. Die wurde Tags darauf dann tatsächlich tot aus der Kieler Förde gezogen. Doch um diesen Mordfall ging es eher nebenbei. Viel zentraler war die Frage, ob Borowski und Brandt es schaffen würden, Julias fatalen Weg in eine pseudo-religiöse Parallelwelt aufzuhalten.

Hier hatte dieser „Tatort“ seine eigentlichen Stärken, denn er zeigte überaus eindringlich, wie ein isoliertes, identitätssuchendes Mädchen, das den Boden unter den Füßen verloren hatte, anfällig für geschickte Manipulatoren wurde.

Der eigentliche Fall, nämlich der Mord an Maria, geriet somit fast zwangsläufig ins Hintertreffen. Die vielen Nebenschauplätze und falschen Spuren lenkten oft sehr vom Kriminalfall ab. Und sogar die Kommissare wurden mit ihren Eigenheiten wie Starrköpfigkeit (Borowski) und Ungeduld (Brandt) nicht so recht wichtig genommen. Aber das war – ehrlich gesagt – auch mal ganz schön. Und es war ein echter Kieler „Borowski Krimi“, wie wir Axel Milberg und Sibel Kekilli als Team so sehr schätzen.

von

Günter Schwarz – 07.11.2016