Dänemark hat eine gut funktionierende Demokratie, die selbst Minderheitenregierungen ermöglicht, das Land erfolgreich zu führen. Es hat desweiteren leckeren Hering, den höchsten Mindestlohn der Welt, preisgekröntes Bier, köstliches Gebäck, kaum Kriminalität oder Korruption, überall Radwege, viele gutaussehende Menschen und eine hohe Lebenserwartung.

Somit ist es auch kein Wunder, dass Københavns berühmtestes Wahrzeichen – der im Zentrum am Hauptbahnhof der Stadt gelegene Tivoli Park – ein Vergnügungspark ist. Und es ist kein Wunder, dass Dänemark in der von der UN bei Solutions Network letztes Jahr in Auftrag gegebenen Nachhaltigkeitsstudie als das glücklichste Land der Welt gelistet wurde, und auch bei einer Reihe anderer internationaler Umfragen zum Thema Glück in der Spitzengruppe rangiert.

Sicher, die Dänen schimpfen über die langen, dunklen nordischen Winter, aber sie sind auch stolz auf ihr Land – und sie nutzen ausgiebig die lichtintensiven Sommermonate. Aber denken sie, dass sie glücklicher sind als alle anderen Menschen auf der Erde?

„Ja, wir sind glücklich“, sagt Lea, die investigativen Journalismus an der Universität von Syddanmark in Odense lehrt: „Wenn Glück Sozialleistungen, menschenwürdige Arbeitszeiten und sieben Wochen Urlaub bedeutet. Aber Glück ist nicht schwarz und weiß.“

„Meiner persönlichen Meinung nach sind wir eher zufrieden, als glücklich“ behauptet Anne Kristine, die kurz vor ihrer Promotion in Journalismus und Anthropologie an der gleichen Universität steht. „Wir wissen, dass wir nie auf der Straße landen, wenn wir unsere Rechnungen nicht bezahlen können, unseren Job verlieren oder krank werden. Bildung und Gesundheitsversorgung sind kostenlos und Eltern erhalten einen monatlichen Scheck für ihre Kinder unter 18 Jahren. Ich denke, ein großer Teil des hohen ,Glücksfaktors‘ ist, dass wir uns sicher fühlen und wissen, dass uns im Falle eines Schicksalsschlages geholfen wird.“

„Natürlich sind wir zufrieden mit unserem Leben“, meint Jonas, freischaffender Fotograf achselzuckend. „Wir streben nie nach etwas, was wir nicht erreichen können.“

„Viele Dänen haben eine zwiespältige Haltung gegenüber diesem Glücks-Ranking“, so Charlotte, die Bücher für Kinder übersetzt und herausgibt. „Allein der Gedanke, wie glücklich wir sein müssten, kann uns unglücklich und verkrampft machen.“

„Wir sind eine reiche und talentierte Nation“, meint Kim, ein Design-Berater für eine Reihe von internationalen Zeitschriften, Handelsmarken, Tourismusorganisationen, Kultureinrichtungen und Werbeagenturen. „Die Dänen scheinen zu wissen, was wirklich zählt im Leben. Und das ist nicht immer nur Geld. Wir haben einen starken Sinn für Gemeinschaft und können die einfachen Dinge genießen. Hüpfen Sie einfach mal auf ein Fahrrad in København und entdecken sie das unbeschwerte Stadtleben in einem der vielen historischen Stadtvierteln.“  

Aber sollten wir oder andere neidisch sein, dass Dänemark im UN-Ranking als das glücklichste Land der Welt eingestuft wird? Man sollte dabei auch einmal hinter die Kulissen schauen, und dann relativiert sich das „Glücklichsein“ schon ein wenig.

Sicher arbeiten viele Dänen nur etwa 33 Stunden die Woche, aber die Arbeitszeit wird durch Tarifverträge geregelt, wobei viele Verträge auch 37 Stunden pro Woche festgelegt haben. und das jährliche Mindesteinkommen liegt bei 18.950 Euro, wobei bedacht werden muss, dass die hohen Lebenshaltungskosten im Land dieses Einkommen wieder in Relation setzen.

Auf Bildung und Ausbildung wird in Dänemark sehr viel Wert gelegt, was freien Schul- und Universitätsbesuch voraussetzt. Auch erhalten Studenten vergleichsweise hohe finanzielle staatliche Zuschüsse während des Studiums, aber sie werden auch gefordert.

Das dänische Gesundheitssystem ist allerdings am Ende gar nicht so „kostenlos“, wie es zunächst den Anschein hat und zudem kommen bei vielen Arztbesuchen und bei notwendigen Operationen in den Krankenhäusern lange Wartelisten hinzu, die so manchen dänischen Patienten zur Behandlung ins Ausland – auch nach Schleswig-Holstein – treiben.

Auch die These der freien Kinderversorgung ist nicht ganz haltbar, denn Eltern kommen in der Regel für 30% der Betriebskosten auf. Zwar können einkommensschwache Familien Zuschüsse beantragen, aber das ist beispielsweise in Deutschland auch nicht anders!

Insofern ist in diesem UN-Ranking vieles stark vereinfacht und plakativ dargestellt. Man nehme nur die hohe Mehrwertsteuer von 25 Prozent und  von den Preisen für ein Kfz ganz zu schweigen. Ein neues Auto hat kostet in Dänemark etwa dreimal so viel wie in Deutschland.

Objektiv gesehen ist es sehr schwer, Länder mit unterschiedliche Gesetzen in jedem Land zu vergleichen. In Dänemark kann allein wegen der Bevölkerungsgröße mit 5,76 Millionen Einwohnern schon ganz anders gehandelt werden, als in Deutschland mit einer Bevölkerung von 81,4 Millionen.

Kurz gesagt ist Dänemark nur anders.

von

Günter Schwarz  – 30.11.2016