„Denkfabrik“ der Minderheiten – 20 Jahre ECMI in Flensburg
(Flensburg) – Im Flensburger Kompagnietor wurde gestern in Europas „Ideenschmiede“ gegen Konflikte gefeiert. In das 400 Jahre alte historischen Gebäude am Flensburger Hafen zog vor 20 Jahren, also 1996, das ECMI (European Centre for Minority Issues / Europäische Zentrum für Minderheitenfragen) ein, wo es sich um Verständigung, Verständnis und Schutz der globalen Minderheiten bemüht.
Vor 20 Jahren hoben die Regierungen von Dänemark, Deutschland und die Landesregierung Schleswig-Holstein diese unabhängige, internationale Institution aus der Taufe und beheimateten es im Backsteinbau an der Förde, einem Kulturdenkmal, das die nicht zuletzt deutsch-dänische Geschichte und die Geschichte der beiden Minderheiten diesseits und jenseits der Grenze symbolisiert.
Für Laien arbeitet das „European Centre for Minority Issues“ fast heimlich im alten Flensburger Kompagnietor in den großen Forschungsfeldern wie Kultur und Diversität, Konflikte und Sicherheit, Ethnik und Staatsbürgertum, Politik und Zivilgesellschaft sowie der Schutz der Minderheitensprachen. Von Flensburg aus ist das ECMI global vernetzt und untersucht bei den Publikationen aus der hiesigen Grenzland-Perspektive auch ganz greifbare Themen wie die mehrsprachigen Ortsschilder, die auf deutscher Seite der Grenze bereits vor Jahren eingeführt wurden und die auf dänischer Seite noch an der dänischen Mehrheitsbevölkerung scheitern. Doch beschränkt sich die Arbeit des ECMI nicht nur auf deutsch-dänische Probleme, denn es beschäftigt sich sowohl mit Konflikten innerhalb Europas und hinterlässt dort seine klärende Handschrift, so zum Beispiel in der Verfassung des Kosovos.
Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig gratulierte zum Jubiläum eines der Aushängeschilder des Landes: „Das ECMI genießt einen exzellenten Ruf in der internationalen Wissenschaftslandschaft. Von Flensburg aus wird mit internationalen Teams und Netzwerken gearbeitet, um weltweit die Konflikte zwischen Minderheiten und Mehrheiten zu lösen. Darauf können wir in Schleswig-Holstein wirklich stolz sein“, sagte Albig.
Ursprünglich war das ECMI 1996 als wissenschaftliche Anlaufstelle für friesische, dänische und deutsche Minderheiten im Grenzgebiet eingerichtet worden. Der erste Grenzlandbeauftragte der Landesregierung, Kurt Hamer (SPD), hatte 1991 den Anstoß für die Einrichtung des Instituts in Flensburg gegeben. Gemeinsame Stifter und finanzielle Unterstützer sind das Königreich Dänemark mit 50 Prozent, die Bundesrepublik Deutschland mit 27 Prozent und Schleswig-Holstein mit 23 Prozent. Die Vorstandsvorsitzende Tove Malloy hatte den den Standort Flensburg bei ihrem Antritt 2009 für eine derartige Einrichtung als „einmalig“ tituliert und sprach von einer neuen Ära in der Arbeit für Minderheiten nicht nur im deutsch-dänischen Grenzgebiet.
Von den 17 Mitarbeitern des ECMI stammen momentan zehn aus Ost,- oder Südosteuropa. Sie suchen vor allem nach empirischen Ansätzen, wie Minderheiten und Mehrheiten zum Vorteil aller besser miteinander auskommen können, wobei sie durchaus auf Erfahrungen der diesbezüglichen Zusammenarbeit im deutsch-dänischen Verhältnis zurückgreifen können. Sicher sind auch hier noch nicht alle Probleme zur Zufriedenheit aller gelöst, aber dennoch werden sie für viele Minderheiten anderorts beispielhaft angegangen.
Neben einem Empfang mit dem scheidenden Oberbürgermeister Simon Faber (SSW) und der Minderheitenbeauftragten des Landes, Renate Schnack, werde auch eine Studie zur Bedeutung der nationalen Minderheiten in Europa präsentiert, sagte eine Sprecherin. Die von der Minderheitenbeauftragten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) angestoßene Untersuchung befasst sich mit den Fähigkeiten von Minderheiten als Brückenbauer zwischen Staaten.
Was sind Minderheitenrechte? / Hvad er mindretalsrettigheder? – Das ECMI in Flensburg hat einen kurzen Film darüber gemacht. – Teilt das Wissen über unsere und eure Rechte!
von
Günter Schwarz – 08.12.2016