(Flensburg) – Die Zahl der Bahnreisenden in der Fördestadtist im höchsten Maße bescheiden und keine Zierde für eine Stadt der Größe Flensburgs. In kaum einer Nachbarstadt wird die Bahn so wenig genutzt wie in Flensburg. Die Zahl der Bahnnutzer, gemessen an tausend Einwohnern, liegt bei knapp unter 30. Selbst das kleine Tarp, Sörup und Süderbrarup haben mehr zu bieten. Die Bahnreisenden hängen Flensburg ab. Aber woran liegt es, dass die Bahn nach und von Flensburg so unattraktiv ist und schlecht genutzt wird?

Die Nahverkehrsgesellschaft des Landes (Nah.SH) hatte die Zahl der Ein- und Aussteiger für verschiedene Bahnhöfe im Norden ermittelt und auf tausend Einwohner umgelegt. Demnach kann Tarp immerhin die Quote 46 vorweisen, Husby 65, Sörup 109 und Süderbrarup 163. Der Vergleich der größeren Städte untereinander: Absoluter Spitzenreiter ist Husum mit der stolzen Quote von 201, Neumünster bringt es auf 122, Rendsburg auf 93 und Schleswig auf 65. Mit 71 liegt Kiel auf den hinteren Rängen.

„Die schlechte Lage“ ist für Jochen Schulz, bei der Landes-Nahverkehrsgesellschaft (Nah.SH) zuständig für Infrastruktur und Stationen, einer der wichtigsten Gründe. Neumünster und Kiel, mit der zentralen Lage in der Stadt und der unmittelbaren Nähe des Bahnhofs zum ZOB, seien Beispiele für attraktive Anbindungen. So sei es keine gute Lösung, dass ein Bahnpassagier, der einen Regionalbus für die Fahrt ins Flensburger Umland benötigt, zunächst in einen Stadtbus einsteigen müsse, um dann wieder umzusteigen.

Das Zugangebot zwischen Flensburg und Hamburg kann nach Meinung von Schulz durchaus attraktiver sein – das habe die Stadt Flensburg jedoch nicht in der Hand.

Was meint die Bahn selbst zu der schlechten Nutzerquote? Egbert Meyer-Lovis, Pressesprecher der Deutschen Bahn in Hamburg, stellt die Gegenfrage und spielt damit den Ball zurück nach Flensburg: „Liegt es an der Parkplatzsituation rund um den Flensburger Bahnhof?“ Die könne sicherlich, gerade mit dem Blick auf Berufspendler, verbessert werden.

Das Thema bringt einen Fachmann für Nahverkehr, Paul Hemkentokrax, Chef des städtischen Busunternehmens Aktiv-Bus, zum weiten Ausholen. Eine Verbesserung der Parkplatzsituation rund um den Bahnhof wäre sicherlich gut. Gerade Berufspendler seien lange unterwegs, um einen Platz für ihr Auto zu finden. Nach den Worten von Hemkentokrax ist von der Stadt eine Arbeitsgruppe gebildet worden, die nach dem Beschluss der Ratsversammlung gegen neue Bahnhöfe in Weiche und am ZOB jetzt Maßnahmen für den heutigen Bahnhof erarbeiten wolle. Sicherlich gebe es noch Möglichkeiten, den Bahnhof besser an den Busverkehr anzubinden. „Hier ist noch Luft nach oben, und wir werden uns sicher nicht verschließen.“ Strikt weist der Bus-Chef den Gedanken zurück, die schlechten Nutzerzahlen für die Bahn seien durch eine mangelhafte Busanbindung verursacht.

Hemkentokrax nimmt auch die Deutsche Bahn in die Pflicht. So seien heute Personenzüge zwischen Flensburg und Hamburg unterwegs, die gerade die Fahrzeiten des Dampflok-Zeitalters – „mit Halt an jeder Milchkanne“ – erreichen. Die DB habe überhaupt nicht mit Angeboten auf die Verkehrsbehinderungen reagiert, die durch den Ausbau der A7 verursacht wurden. Das wäre die Gelegenheit gewesen, die Autofahrer zum Umsteigen auf die Bahn zu bringen. „Glauben Sie denn“, fragt er, „die Nutzerzahlen für den Bahnhof Flensburg werden besser, wenn der Verkehr erst einmal reibungslos auf der sechsspurigen Autobahn rollt?“

von

Günter Schwarz – 23.12.2016