Die Sicherheitsbehörden hatten den Tatverdächtigen von Berlin seit Monaten auf dem Schirm. Doch sie konnten den Anschlag dennoch nicht verhindern. Jetzt aber bereits über ein mögliches Behördenversagen zu diskutieren, wie es bereits in den Reihen von konservativen und rechtspopulistischen Politikern geschieht, ist zum derzeitigen Zeitpunkt verfrüht.

Sicher wird da noch einiges zu klären sein! Doch die Aufarbeitung möglicher Fehler, ob im System, von handelnden Personen oder politisch Verantwortlichen, steht am Ende. Das kann erst geschehen, wenn der Anschlag von Berlin ausermittelt und der oder die Täter, die Anis Amri behilflich waren festgenommen sind.

Aktuell steht die Suche nach möglichen Komplizen und Netzwerken im Vordergrund. Die Informationspolitik des zuständigen Generalbundesanwalts ist eher dürftig, und das zu recht, um den Fahndungserfolg nicht zu gefährden. Jetzt schon, quasi reflexartig, nach Schuldigen zu suchen, ist da wenig hilfreich und eher kontraproduktiv.

Wenn FDP-Landeschef Christian Lindner von nicht tolerierbarem Staatsversagen spricht und CDU-Chef Armin Laschet fragt, ob die Sicherheitsbehörden von NRW-Innenminster Jäger den Tatverdächtigen Tunesier genug im Blick hatten, dann sind solche Äußerungen vielleicht gut für die eigene Selbstdarstellung, bringen in der Sache aber gar nichts – außer noch mehr Unsicherheit und Sorge in der Bevölkerung. Voreilige Schuldzuweisungen tragen auch nicht zur Versachlichung der Debatte bei. Und angesichts der aufgeheizten Stimmung im Land wäre eine sachliche Debatte dringend nötig.

Die Zeit für Schuldzuweisungen wird noch kommen. Später. Und vermutlich wird es auch gesetzgeberische Veränderungen geben. Aber bitte erst, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen.

von

Günter Schwarz – 24.12.2016