Jedes Jahr das gleiche Ritual, einen Tag vor Weihnachten hat der russische Präsident Wladimir Putin in einer großen Pressekonferenz seine Jahresbilanz gezogen. Hunderte Journalisten wollen Wladimir Putin eine Frage stellen. Der Kremlchef wählte aus. Neben Syrien, der russischen Wirtschaft und jeder Menge regionaler Punkte war in diesem Jahr die US-Wahl zentrales Thema.

Putin hob besonders das Engagement der Türkei und des Iran hervor. Sie hätten eine wichtige Rolle in Aleppo gespielt. Die Evakuierung Ost-Aleppos wäre ohne den Beitrag der drei Staaten und ohne den guten Willen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad nicht möglich gewesen.

Putin lobte den künftigen US-Präsidenten Trump. Niemand außer Russland habe Donald Trumps Sieg vorhergesehen, so Putin – er erwarte eine gute und konstruktive Zusammenarbeit mit dem zukünftigen US-Präsidenten. Trumps jüngste Äußerungen zum Ausbau des US-Atomwaffenarsenals nimmt Putin gelassen. Den Beginn eines neuen Wettrüstens sehe er nicht – das könne sich Russland gar nicht leisten.

Trump habe schon im Wahlkampf gefordert, das Atomwaffenarsenal der USA und das Militär allgemein zu stärken, sagte Putin. Die neue Äußerung sei „nichts Neues“ und „nichts Außergewöhnliches“. Vielmehr habe ihn überrascht, dass einige Vertreter der gegenwärtigen US-Regierung Wert darauf legten, dass die US-Streitkräfte die stärksten der Welt seien. „Niemand hat das bestritten“, sagte der russische Präsident. „Wenn irgendjemand ein Wettrüsten vom Zaun bricht, dann sind das nicht wir. (…) Wir werden niemals in ein Wettrüsten investieren, das wir uns nicht leisten können.“

Trump will Militärpotenzial „massiv“ ausbauen

Trump hatte am Donnerstag im Kurzbotschaftendienst Twitter geschrieben, dass die USA ihr militärisches Atompotenzial massiv stärken und ausbauen müssten, bis die Welt in Sachen Atomwaffen „zur Vernunft kommt“. Nähere Angaben machte er allerdings nicht. Am Mittwoch hatte sich der designierte US-Präsident mit ranghohen Vertretern des Verteidigungsministeriums getroffen.

Kurz vor Trump hatte auch Putin am Donnerstag eine Stärkung der militärischen Atomkapazitäten seines Landes angekündigt. Bei einem Treffen mit ranghohen Armeevertretern sagte der russische Präsident, das „militärische Potenzial der strategischen Nuklearkräfte“ Russlands müsse im kommenden Jahr ausgebaut werden. Die atomare Aufrüstung müsse dabei insbesondere durch Raketensysteme erfolgen, die sämtliche existierende und künftige Raketenabwehrsysteme „verlässlich durchbrechen“ könnten.

Putin will US-Wahlausgang vorhergesehen haben

Den Wahlsieg Trumps in den USA hat Putin nach eigenen Worten lange vorhergesehen. „Niemand hat geglaubt, er werde gewinnen – außer uns“, sagte Putin am Freitag bei einer Pressekonferenz in Moskau. Trump habe „exakt die Stimmung der Gesellschaft erfasst und entsprechend bis zum Ende gehandelt“.

Den Europäern stellte Putin in Aussicht, russische Sanktionen aufzuheben, sobald die EU ihre Strafmaßnahmen beendet. Moskau trage keine Schuld an der Verschlechterung der Beziehungen. In den Wochen zuvor hatte er mehrfach betont, möglichst lange an seinen Gegensanktionen festhalten zu wollen. Die Importverbote für Milchprodukte, Obst und Gemüse aus der EU schützten die russischen Hersteller. Die EU und die USA hatten wegen des russischen Vorgehens gegen die Ukraine 2014 Russland mit Strafmaßnahmen belegt.

Bei den innenpolitischen Fragen sprach sich Putin dagegen aus, die für 2018 anstehende Präsidentenwahl vorzuziehen. Ein Abweichen wäre zwar «möglich, aber nicht zweckmässig». Er reagierte sogar mit einem Witz, als ein US-Journalist ihn nach einer Vorverlegung der Wahl fragte. «In welchem Land?», fragte er zurück. Ob er kandidiere, werde er zu gegebener Zeit sagen.

von

Günter Schwarz – 24.12.2016